Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg: Rechtsscheinsvollmacht bei Teilnahme des bauleitenden Architekten an Baubesprechung
03.02.2012
Politik, Recht & Gesellschaft
von Rechtsanwalt Daniel Wegener, Wollmann & Partner GbR, Berlin
Mit seiner Entscheidung vom 30.11.2011 (4 U 144/07) hat sich das OLG Brandenburg mit der Rechtsscheinsvollmacht des vom Bauherrn beauftragten Architekten auseinandergesetzt. Der Entscheidung lag der im Folgenden verkürzt dargestellte - aber häufig anzutreffende - Sachverhalt zu Grunde.
Auftraggeber und Auftragnehmer schlossen einen Bauvertrag über Fliesenarbeiten für einen öffentlich geförderten Krankenhausneubau. Planung und Bauüberwachung erfolgt durch die Architekten des Auftraggebers. Nach Behinderungsanzeigen des Auftragnehmers und Terminsrügen der Bauleitung fand eine Baubesprechung statt, in der die Architekten entschieden, dass verlorene Zeit beim Estricheinbau mit Einsatz von Schnellzement aufzuholen sei. Das Protokoll der Baubesprechung wurde dem Auftraggeber zugeleitet. Kurze Zeit später bezogen sich die vom Auftraggeber beauftragten Architekten auf die Absprache in der Baubesprechung. Der Auftragnehmer unterbreitet ein Nachtragsangebot, welches eine Zuschlagsposition für den Schnellestrich und eine Zulageposition wegen der Mehrdicken des Estrichs bei Verwendung von Schnellestrich beinhaltet. Beide Positionen werden nicht beauftragt.
Nach Auffassung des OLG Brandenburg hat der Auftragnehmer keinen Anspruch auf Mehrvergütung für die Zulagenpositionen, weil eine Vertretung des Auftraggebers nicht festzustellen war. Das OLG stellte weder die Voraussetzungen einer Vertretung gemäß § 164 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) fest, noch die einer Rechtsscheinsvollmacht. Nach Auffassung des OLG duldete der Auftraggeber insbesondere nicht das Auftreten des bauleitenden Architekten als "Vertreter", weil die Nachtragsangebote durch den Auftragnehmer stets schriftlich abgegeben wurden und vom Auftraggeber selbst bestätigt wurden. Aufgrund dieser Praxis konnte sich nach Auffassung des OLG kein Rechtsschein dahingehend entwickeln, dass der bauleitende Architekt zur Beauftragung von Nachtragsleistungen bevollmächtigt ist. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 8 VOB/B und die des § 642 BGB in dem konkreten Fall nicht vorlagen.
Die Entscheidung kann im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.01.2011 (VII ZR 186/09), gesehen werden. Hier hatte sich der BGH zu den Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht geäußert. Der BGH hatte entschieden, dass sich der Auftragnehmer die Erklärungen eines sachkundigen Mitarbeiters, den er zu einem Gespräch mit dem Auftraggeber entsendet, zurechnen lassen muss. Er wandte damit die Grundsätze der Anscheinsvollmacht an, die in dem zu entscheidenden Fall dann aber im Ergebnis nicht vorlagen.
Die Entscheidung des OLG Brandenburg stellt insoweit klar, dass die Voraussetzungen der Rechtsscheinsvollmacht auch durch die Entscheidung des BGH vom 27.01.2011 nicht verändert wurden. Eine Verallgemeinerung der Feststellungen des BGH und Übertragung auf sämtliche Baubesprechungen im Sinne einer Fallgruppe verbietet sich. Es bleiben die Voraussetzungen des Einzelfalles entscheidend.
Daniel Wegener, Rechtsanwalt bei Wollmann & Partner hierzu: "Die Entscheidung ist für Verbraucher und Anleger interessant. Aus Sicht beider Vertragsparteien ist die Beachtung der Vertretungsverhältnisse von erheblicher Bedeutung. Andernfalls besteht insbesondere für den Auftragnehmer die Gefahr des Anspruchsverlustes. Die Fallkonstellation, die jetzt durch das Gericht entschieden worden ist, tritt in der Praxis häufig auf!"
Daniel Wegener
Rechtsanwalt
Wollmann & Partner GbR, Berlin
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