Studie geortet Handlungsbedarf im Rüstungssektor
04.11.2011
Unternehmen, Wirtschaft & Finanzen
Die zunehmende Zahl bewaffneter Konflikte sowie neuartige und komplexe Bedrohungsszenarien bei gleichzeitig stagnierenden Rüstungsbudgets - dies sind zentrale Herausforderungen, denen sich Bundeswehr und wehrtechnische Industrie ausgesetzt sehen. Vor diesem Hintergrund gilt es, Beschaffungsprozesse auf Auftraggeberseite zu optimieren sowie auf Industrieseite neue Geschäftsfelder und Märkte zu erschließen. Dies sind zentrale Ergebnisse einer aktuellen Studie der Managementberatung Horváth & Partners.
Mehr als 70 Prozent der für die Studie "Wehrtechnik im Wandel - Herausforderungen für die Industrie" befragten 73 Experten aus der Rüstungsindustrie glauben, dass die Zahl der bewaffneten Auseinandersetzungen weltweit zunehmen wird. Dabei wird vor allem eine Bedeutungszunahme von bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, Konflikten um knappe Güter wie Nahrungsmittel, Wasser und Rohstoffe sowie von Terrorismus erwartet. Ein weiterer Trend besteht in der Verlagerung von Kämpfen in bewohnte Gebiete. Die Konfliktparteien bestehen dabei oftmals nicht mehr aus regulären Streitkräften, sondern aus Gruppierungen, die sich in Ausrüstung, Ausbildung und zahlenmäßig stark unterscheiden. Die Bundeswehr ist mit solchen neuartigen Konflikten etwa im Rahmen ihres Einsatzes in Afghanistan konfrontiert. "Diese Entwicklung hat innerhalb der Streitkräfte einen steten Lern- und Adaptionsprozess angestoßen, der auch weitreichende Auswirkungen auf die Rüstungsindustrie hat", so Ralf Gaydoul, der als zuständiger Partner von Horváth & Partners für die Studie verantwortlich zeichnet.
Verbesserter Beschaffungsprozess erforderlich
Aufgrund ihrer sich verändernden Aufgaben bei gleichzeitig stagnierendem bzw. sinkendem Verteidigungshaushalt fordert die Bundeswehr vermehrt Rüstungsgüter mit kurzen Vorlaufzeiten in hoher Qualität zu geringeren Preisen. Damit die Industrie diese Anforderungen erfüllen kann, bedarf es eines effektiven und effizienten Beschaffungsprozesses auf Seiten des Auftraggebers: Über 70 Prozent der Befragten sehen hier Verbesserungsbedarf.
Neue Märkte und Geschäftsfelder
Auch die wehrtechnische Industrie selbst muss sich auf neue Bedingungen einstellen. Sparzwänge der Streitkräfte in Europa und wachsender internationaler Wettbewerb zwingen die nationale Rüstungsindustrie dazu, ihre Geschäftsfelder auszuweiten und neue Märkte zu erschließen. Über 90 Prozent der Befragten erwarten daher, dass die Bedeutung des Serviceangebots ihres Unternehmens, wie etwa Instandhaltung, Simulation und Training, in Zukunft steigen wird. Die Bedeutung des nationalen Marktes wird dabei weiter in den Hintergrund treten: Während heute im Durchschnitt noch 54 Prozent des Umsatzes der befragten Unternehmen im nationalen Markt erzielt werden, sind es laut Einschätzung der Studienteilnehmer in 10 Jahren unter 30 Prozent. Als Zukunftsmärkte werden vor allem der Nahe und Mittlere Osten, Ostasien, Südamerika sowie der indische Subkontinent gesehen.
Der Trend zur Internationalisierung wirkt sich laut der Studie auch auf das Beschaffungsverhalten der Bundeswehr aus: Nach Einschätzung der befragten Experten wird in zehn Jahren fast die Hälfte der beschafften Rüstungsgüter der Bundeswehr aus dem außereuropäischen Ausland stammen, knapp 30 Prozent aus den USA und 20 Prozent aus Asien. "Dies bringt massive Veränderungen für die deutsche Rüstungsindustrie mit sich", so Ralf Gaydoul. "Die Befriedigung der Nachfrage nach neuer Technologie, die den militärischen Anforderungen gerecht wird sowie eine schnelle Bereitstellung des Einsatzmaterials stehen hierbei im Fokus."
Umsatzwachstum und Konsolidierung
Trotz der massiven Herausforderungen bewerten die Teilnehmer der Studie die Zukunftsaussichten ihrer Unternehmen durchweg positiv: 73 Prozent der Befragten glauben an steigende Umsätze innerhalb der nächsten zehn Jahre. Gleichzeitig halten aber über 80 Prozent eine Konsolidierung der Rüstungsindustrie auf europäischer Ebene für wahrscheinlich.
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