Auch Familienbrauereien sind Craft-Beer-Brauereien
11.11.2014
Essen & Trinken
Craft Beer ist in aller Munde. Doch was ist Craft Beer eigentlich, und wie unterscheiden sich die Craft Beer Breweries aus den USA von den unabhängigen Familienbrauereien wie die der Freien Brauer? 14 Blogger aus den Bereichen Bier und Genuss melden sich in einer Umfrage des Werteverbunds zu Wort. Die Antworten zeigen das große Interesse an dem Thema, und nicht immer ist man sich einig. Eines wird deutlich: Auch die charakterstarken und leidenschaftlichen Freien Brauer sind Craft-Beer-Brauereien. Der Begriff ist neu, aber mit ihren Werten und ihrem Mut zum Anecken leben sie ihn schon seit vielen Generationen.
Genussbier? Handwerksbier? Experimentalbier? Die Freien Brauer wollten es genau wissen und haben 14 Blogger mit dem Spezialgebiet Bier und Genuss zum Thema Craft Beer befragt. Für eine deutsche Übersetzung ist es längst zu spät, meinen sie. Sie bleiben lieber bei dem gesetzten Begriff "Craft Beer" bzw. beim deutschen Craft-Bier und sind sich bei diesen Aspekten der Definition einig:
-Vielfältige Charakterbiere in kleineren Auflagen, die nach dem Geschmack des Brauers gebraut werden
-Handwerklich hergestelltes Bier mit besten Zutaten und hoher Sorgfalt, ohne Chemie und so naturbelassen wie möglich, möglichst schonende Brauverfahren, regionale Ressourcen, regionaler Vertrieb
-Experimentierfreude und Kreativität
-Individualität, Authentizität und Leidenschaft
-Klare Abgrenzung zum Industriebier, geschmackliche Abhebung von der Industrienorm
Der Biersepp, bierkultur.eu, fasst seine Definition in dem Buch "Große Biere aus kleinen und großen Brauereien" zusammen, indem er die einzelnen Buchstaben betitelt: C.R.A.F.T. bedeutet für ihn Creativität, Radikalität, Abwechslung, Feuer und Talent. Michael König, neubierig.de, beleuchtet noch eine andere Seite: "Craft Beer ist mehr eine Einstellung, eine Mission: Dem Konsumenten geht es um Geschmack und Abwechslung, und dadurch definiert sich für ihn Craft Beer."
Der Brauer macht das Craft Beer
Neben dem Craft Beer ist vor allem der Craft-Beer-Brauer derjenige, der die Biere zu etwas Besonderem macht. Daniel Jakob, usox.org, beschreibt es so: "Die Brauer und die Brauereien pflegen freundschaftlichen Kontakt zu anderen Brauern und ihren Kunden. Es geht dabei nicht darum, den maximalen Profit aus der Tätigkeit zu schlagen, sondern darum, hochqualitatives Bier zu produzieren. Die Brauereien bilden nach Möglichkeit aus, übernehmen ihre Lehrlinge und sorgen auch dafür, dass die Angestellten entsprechend entlohnt werden." Martin Dambach, bierguerilla.de und feine-biere.de, ergänzt: "Von einem Craft Beer kenne ich eventuell den Namen des Braumeisters. Die Brauerei lebt die Kooperation und arbeitet mit anderen Brauereien zusammen - auch im Ausschank (Guest Beers) und im Vertrieb. Sie lebt also nicht nur den Wettbewerbsgedanken." Nach Ansicht von Nina Anika Klotz, hopfenhelden.de, sind Craft-Beer-Brauer unabhängig, mutig und jung: "Unabhängig im Sinne von "kein Konzern im Rücken". Mutig im Sinne von "kreativ, mutig, ungewöhnliche Biere zu brauen, die anecken, non-mainstream sind und nicht unbedingt gefallen wollen". Jung im Sinne von "mit der Zeit gehen, nicht irgendwelchen Traditionen verhaftet sein - und sich und ihre Biere auch entsprechend modern präsentieren"."
Klassische Bierstile mit Craft-Beer-Charakter
Wie sieht es mit klassischen Bierstilen aus - können auch die Craft Beer sein? Ja, sind sich alle Blogger einig. "Na klar kann auch ein klassischer Bierstil Craft sein. Er sollte nur kreativ umgesetzt sein. Auch bei Pils oder Weißbier können die Brauer mit den Rohstoffen spielen und Außergewöhnliches produzieren", erklärt Mareike Hasenbeck, feinerhopfen.com. Wolfgang Hösl, bierbasis.de, ist überzeugt: "Natürlich zählen für mich auch kleine Familienbrauereien sehr wohl zu Craft-Beer-Brauereien. Gerade in Berlin wird Craft Beer zumeist mit neuen Biersorten wie IPA verwechselt. Dabei wünschen sich viele Konsumenten auch mal neue Kreationen alter Biertypen wie z.B. Weißbier." Daniel Jakob geht noch einen Schritt weiter: "Gerade bei altbekannten und lieb gewonnenen Bierstilen ist dank der vielen Malz-, Hopfen- und Hefesorten sehr viel möglich. Ein richtig gutes Dortmunder/Helles ist oftmals schwerer zu brauen als ein IPA."
USA und Deutschland kaum vergleichbar
Der Unterschied zwischen deutschen Familienbrauereien und den Craft-Beer-Brauereien in den USA wird vor allem im Stand der Branchenentwicklung gesehen. Während amerikanische Craft-Beer-Brauer meist junge Unternehmer mit enormer Experimentierfreude und starkem Marketing sind, blicken deutsche Brauereien auf eine oftmals dreistellige Historie zurück. Sie haben bereits feste Konzepte und eine vertrauensvolle Stammkundschaft. Lars Müller, brewcomer.com, schildert es so: "Die amerikanischen Craft-Beer-Produzenten verkaufen sich teilweise als Rebellen und versuchen, Trendsetter zu sein. Die unabhängigen Familienbrauereien in Deutschland haben teilweise eine lange Tradition, sie setzen häufig auf bewährte Produkte und nicht so sehr auf Veränderung oder gar Revolution. Dabei sind sie möglicherweise gar nicht weniger kreativ und auf keinen Fall weniger qualitätsbewusst, aber sie adressieren ihre Zielgruppe oft deutlich konservativer. Und natürlich werden in Deutschland andere Bierstile bevorzugt." Rene Keßler, biersekte.de, sieht in der amerikanischen Rebellion gegen Industriebiere auch Nachteile - beispielsweise wenn es um allzu außergewöhnliche Zutaten geht. Deutschland ist seiner Meinung nach seit jeher ein Land mit einem guten, regionalen und vor allem qualitativ sehr hochwertigen Bierangebot. Er resümiert: "Regionale Biere bzw. traditionelle Biere in Form von Craft Beer waren in den USA dringend notwendig. Teilweise werden diese Biere auch in Deutschland Anhänger finden. Allerdings sollten die deutschen (mittelständischen) Brauereien lieber auf ihre traditionellen Werte und bewährten Brauverfahren setzen, als sich dem Craft-Beer-Hype anzuschließen." Daniel Jakob stimmt zu: "Die Craft-Beer-Brauer aus den USA sind oftmals stark in der Selbstdarstellung. Man gibt sich cool und offen für alles und jeden, was aber auch nicht immer unbedingt positiv auffällt. Ich brauche z.B. nicht in jeder Stadt Europas eine BrewDog Bar oder Bier, das mittels Hefe aus dem Bart des Brauers (Rogue Beard Beer) vergoren wird."
Ein wesentlicher Unterschied der Nationen besteht in der Gesetzeslage: Dem Deutschen Reinheitsgebot steht in den USA keine vergleichbare Reglementierung gegenüber, was eine größere Vielfalt an Zutaten ermöglicht. "Ein Craft Beer ist jedoch nicht per se besser als ein Bier gebraut nach dem Deutschen Reinheitsgebot", meint Rene Keßler. Im Gegenteil - für Matthias Kliemt, bierclub.de, sind die deutschen Brauer "echte Handwerker mit langer Tradition und alten Wurzeln, die die vielfältigen Möglichkeiten innerhalb des Reinheitsgebots ausschöpfen."
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