Strickjacke statt Wärmedämmung
13.04.2011
Garten, Bauen & Wohnen
Populäre Irrtümer sind wie Unkraut - schwer auszurotten. Auch bei der energetischen Modernisierung halten sich hartnäckig immer wieder kolportierte Fehleinschätzungen. "Diese Irrtümer können Eigentümer nicht nur viel Geld kosten, sondern im schlimmsten Fall sogar ihre Gesundheit gefährden", weiß Schwäbisch Hall-Energieexperte Sven Haustein aus Erfahrung. In der nachfolgenden Checkliste räumt der Architekt mit sechs besonders häufigen Missverständnissen auf.
1. "Neue Fenster sind schuld, wenn Schimmel entsteht."
Nicht die Fenster sind schuld, sondern das nicht angepasste Lüftungsverhalten. Heutige Isolierglasfenster sind - im Unterschied zu älteren, sehr durchlässigen Fenstern - fast vollkommen luftdicht. Damit die Feuchtigkeit aus der Raumluft abziehen und durch trockene Frischluft ersetzt werden kann, muss viel häufiger gelüftet werden. Der beste Schutz vor Schimmel ist mehrmals tägliches Stoßlüften. Der Clou dabei: Dadurch kühlen die Wandoberflächen kaum ab und die frische Luft wird schneller wieder warm. Eine noch bessere Alternative ist der Einbau einer Lüftungsanlage.
2. "Durch eine neue Außendämmung können Wände nicht mehr atmen."
Wände atmen nicht, sie sind luftdicht (oder sollten es sein) - ob mit oder ohne neue Dämmung. Zu beachten ist allerdings, dass eine nachträgliche Wärmedämmung sehr sorgfältig und professionell angebracht wird, damit in der Raumluft enthaltener Wasserdampf zusammen mit der Wärmeströmung "schadensfrei" durch das Bauteil wandert.
3. "Statt zu modernisieren, drehe ich lieber die Heizung ab und ziehe mir eine Strickjacke oder einen dicken Pulli an."
In einem weitestgehend wärmebrückenfrei konstruierten Neubau geht das - schließlich spart jedes Grad weniger Raumtemperatur etwa sechs Prozent Heizenergie. Im Altbau kann diese Idee aber verheerende Folgen haben: Je geringer die Raumtemperatur, desto kälter werden die Oberflächen der Außenbauteile. Die Folge kann erhöhte Schimmelbildung sein, weil sich die Feuchtigkeit aus der Raumluft an den kalten Stellen leichter niederschlägt. Und mit Schimmel ist nicht zu spaßen, da er sich gesundheitsschädlich auswirken kann.
4. "Mein Schlafzimmer braucht keine Dämmung und auch keine Heizung. Ich lasse einfach die Schlafzimmertür offen und die Luft aus den geheizten Räumen überschlagen."
Ganz falsch. Zwei Personen atmen jede Nacht rund sechs Liter Wasser in Form von Wasserdampf aus. Wird nicht wenigstens etwas geheizt und morgens stoßgelüftet, und dann auch noch die feuchtwarme Luft aus dem Nebenraum ins kalte Schlafzimmer geleitet, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die sich an den kalten Oberflächen niederschlagende Feuchtigkeit ideale Wachstumsbedingungen für den gefürchteten Schimmel bietet.
5. "Wer modernisiert, hat Anspruch auf staatliche Förderung."
Schön wär"s, stimmt aber leider nicht. Die Förderbedingungen sind zwar klar geregelt, können sich aber, etwa bei den KfW-Programmen, jederzeit ändern. Auch die Zinssätze für vergünstigte Darlehen können bei Vertragsunterzeichnung schon andere sein als bei der Planung des Vorhabens. Die BAFA-Fördermittel für erneuerbare Energien werden gar nur im Nachhinein nach dem "Windhundverfahren" vergeben. Ist zum Zeitpunkt des Antrags der Fördertopf leer, geht man genau so aus: leer. Wer Fördermittel in Anspruch nehmen will, sollte sich also erstmal gut informieren statt einfach loszulegen.
6. "Was bei einer Energieberatung an Einsparung ausgerechnet wird, stimmt auf den Cent genau."
Fachleute können auf der Basis von Normen, Richtlinien und Erfahrungswerten zwar sehr präzise ausrechnen, wie viel mit welchen energetischen Modernisierungsmaßnahmen eingespart wird. Diese Berechnungen beziehen sich aber immer auf einen typischen Normfall. Der wird in der Realität aber immer vom tatsächlichen Nutzerverhalten überlagert. Im Klartext: Wie geheizt, gelüftet, geduscht und gebadet wird, ist individuell halt sehr verschieden.
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