Am Riedberg plant die Nassauische Heimstätte ein "Aktivhaus"
27.02.2012
Immobilien
Frankfurt am Main - Wenn die Europäische Union ab 2020 für alle neu errichteten Gebäude vorschreibt, dass diese ihren Energiebedarf im Wesentlichen selbst erzeugen müssen, möchte die Nassauische Heimstätte gerüstet sein. Im Frankfurter Stadtteil Riedberg baut das Wohnungsunternehmen ein Plus-Energie-Haus mit 20 Zwei- bis Fünf-Zimmerwohnungen auf 1.600 Quadratmetern Gesamtwohnfläche in vier Vollgeschossen und einem Dachgeschoss. Bei Baubeginn noch in diesem Herbst könnten die ersten Mieter im Frühjahr 2014 einziehen. Das Konzept, mehr Energie zu erzeugen als die Bewohner für Wärme und Haushaltsstrom benötigen, ist in Einfamilienhäusern bereits erprobt. "Wir bauen nach unseren Recherchen aber weltweit das erste Mehrparteienhaus im Effizienzhaus-Plus-Standard, das auch noch einen Energieüberschuss für andere Anwendungen wie Elektromobilität erzeugt. Damit ist dieses "Aktivhaus" ein echtes Pionierprojekt", betont Geschäftsführer Prof. Thomas Dilger. Der Energieüberschuss soll, so die Planung, auch gleich vor Ort verwendet werden und Elektroautos und E-Bikes in der Tiefgarage des Gebäudes aufladen, die von den Mietern gemeinsam genutzt werden. Theoretisch reicht die dafür zur Verfügung stehende Menge, damit die zehn vorgesehenen Elektromobile jeweils 13.200 Kilometer im Jahr fahren können. Gesucht wird für diese Verbindung von Plus-Energie-Bauweise und Elektromobilität zurzeit noch ein Partner für ein Car-Sharing-Modell. Damit, so Dilger, spreche man natürlich potentielle Mieter an, die sich bewusst für eine nachhaltige Lebensweise entscheiden und auch auf ein eigenes Fahrzeug verzichten können. Das werde auch durch die fußläufig erreichbare Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr erleichtert.
Energieautark und CO2-frei
Das Gebäude ist als "Nur-Stromhaus" konzipiert. "Wir verbrennen keine Energieträger, um zum Beispiel Wärme zu produzieren und der Strom wird ausschließlich über die hauseigenen Photovoltaikmodule erzeugt. Damit versorgt sich das Gebäude nicht nur völlig autark mit Energie, sondern ist auch noch frei von jeglichen CO2-Emmissionen", erläutert Prof. Manfred Hegger. Der Architekt hat das Plus-Energie-Haus mit seinem Kasseler Büro HHS Planer + Architekten AG entwor-fen und ist beim Thema Energieeffizienz international anerkannt. Be-reits zweimal hat er mit seinen Studenten an der TU Darmstadt den Solar Decathlon gewonnen, den renommierten Preis des amerikanischen Energieministeriums für energieautarkes Bauen. Die Photovoltaikmodule sind in das um zehn Grad geneigte Dach und in die Südfassade des Gebäudes integriert und liefern einen Stromertrag von 81.000 Kilowattstunden pro Jahr (kWh/a). Die Wärmepumpe, sozusagen die Heizung des Hauses, verbraucht 15.000 kWh/a. Alle Wohnungen werden mit modernen Haushaltsgeräten des Energieeffizienzlabels A++ vollausgestattet vermietet, die 33.000 kWh/a verbrauchen. Der rechnerische Überschuss in gleicher Höhe wird in den Elektromobilen und in einer Batterieanlage gespeichert.
Eis produziert Wärme
Energiequellen sind Solarkollektoren und Photovoltaikmodule auf dem Dach und an der Südfassade. Wärmespeicher ist ein unterirdischer Wasserspeicher, der über die natürliche Erdwärme und einen Sonnenkollektor gespeist wird. Er liegt nur etwa einen Meter unter der Erde, teure und aufwändige geothermische Bohrungen entfallen damit. Die Wärmeversorgung funktioniert auch, wenn die Temperaturen mal längere Zeit unter den Gefrierpunkt fallen. Ein sogenannter Eisspeicher nutzt dann die hohen Energieerträge beim Phasenübergang von Wasser zu Eis für die Wärmeerzeugung. Gebäudeform sowie die Kompaktheit des Baukörpers und seine Ausrichtung sorgen dafür, das Tageslicht, natürliche Lüftung und Sonneneinstrahlung optimal genutzt werden können. Die Gebäudehülle mit Boden, Wänden, Dach und Fenstern orientiert sich an den Anforderungen des Passivhaus-Standards. Eine mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung reduziert Wärmeverluste im Winter und erhöht den Wohnkomfort. Die natürliche Lüftung über die Fenster bleibt auch hier jederzeit möglich.
Test für den Baustandard der Zukunft
Die Wohnungen gruppieren sich um einen Erschließungskern mit großzügigem Treppenhaus, Aufzug und Sanitäranlagen. Jede Wohnung hat eine Loggia, die nach Süden hin, wie die Fenster auch, mit Jalousien verschattet werden kann. Die Fassade wird, passend zu den Photovoltaikelementen, in Material und Farbe gestaltet. "Das Gebäude bekommt damit ein monolithisches Erscheinungsbild, was seine von uns gewünschte Wirkung als Solitär an einem Gelenkpunkt der städtebaulichen Struktur des Riedberg unterstreicht", erklärt Dilger.
Die Baukosten von rund 3,4 Millionen Euro liegen um etwa 25 Prozent über denen eines herkömmlich nach den Vorgaben der Energieeinsparverordnung errichteten Gebäudes. Die Nassauische Heimstätte hat daher Mittel des Landes Hessen zur sozialen Wohnraumförderung und aus dem Mittelstandsprogramm der Stadt Frankfurt beantragt. Die Stadt erhält dafür Belegungsrechte für andere Wohnungen der Nassauischen Heimstätte im Stadtgebiet. Hinzu kommen weitere Fördermittel des Bundesbauministeriums für Modellhäuser, die den Energie-Plus-Standard erfüllen, und aus dem KfW-Programm Energieeffizient Bauen. Die Wohnungen am Riedberg sollen für 12 bis 14 Euro pro Quadratmeter vermietet werden, für die zukünftigen Mieter fallen jedoch keine Heizkosten an. Nach einer dreijährigen wissenschaftlichen Begleitung des Projekts soll klar sein, ob sich die Bauweise bewährt hat, um sie in großem Stil auf den Wohnungsneubau anzuwenden. "Wir müssen jetzt anfangen, zukunftsorientiert zu bauen, wenn wir die Energiewende im Gebäudebereich schaffen wollen", ist sich Hegger sicher.
Bildquelle: HHS Planer + Architekten AG
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Nassauische Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH
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