Die Sinnlosigkeit des Krieges
26.06.2015
Kunst & Kultur
Das Nest – mahnende Freiluft-Theateraufführung bei der Kolbensattelhütte
Mit der untergehenden Sonne ziehen 5 junge Soldaten unter der Führung von Unteroffizier Kirchmayr (Manfred Schmidbauer) auf das Plateau, welches die Bühne für 70 Minuten gibt, in denen 1 ½ Tage Zeitgeschehen eindringlich mahnend widergespiegelt werden.
Die tatsächliche und Vorlage gebende Geschichte spielte sich zwar an der Kälberplatte ab, doch auch hier wird sowohl für die DarstellerInnen, wie auch die ZuschauerInnen ein unter die Haut gehendes Gespür für die damalige Lage erlebbar – der Blick ins Tal schafft hin und wieder Entlastung.
Nur allzu oft springen die Gedanken zwischen dem Theatergeschehen und den gegenwärtigen Zeitgeschehen, stellt sich die Frage ob die Menschheit also wirklich noch immer Nichts dazu gelernt hat, es jemals lernen wird?
Die Welt hat Ihre klassischen Kriegsherde wie Syrien und Ukraine und nicht Wenige befürchten noch weit größere Flächenbrände. Daneben toben Cyberattacken und am Beispiel Griechenland wird auch der Begriff eines Schuldenkrieges vorstellbar.
Autor und Regisseur Harald Helfrich und die mit ihm schon in einigen Stücken bewährten Theaterfreunde Oberammergau <a href="http://www.theaterfreunde-oberammergau.de">www.theaterfreunde-oberammergau.de</a> haben mit "Das Nest" 70 Jahre nach Kriegsende ein Stück über eben die Sinnlosigkeit des Krieges und dabei speziell auch über Kindersoldaten im 3. Reich gemacht, ein Thema, das – nicht nur ihrer Ansicht nach – noch nicht allzu sehr im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist. Junge Menschen, die völlig ohne Wissen fanatisch in eine Schlacht geschickt werden.
Und das ist es wohl, was am Eindringlichsten hängen bleibt: wie konnte zu Ende des Krieges nach all dem erlebten Grauen die Propaganda jene jungen Burschen noch immer so verfälschend erreichen und irrwitzige Ideale, wie "wir müssen das Vaterland verteidigen, bis auf den letzten Blutstropfen" – der Standpunkt von Ludwig Ohliger (Felix Brandelig) – entstehen lassen? Selbst der Traum vom Endsieg flammte auf!
Obwohl Unteroffizier Kirchmayer in einer der stärksten Szenen und mit grandioser schauspielerischer Leistung von Routinier Manfred Schmidbaur, den letzten Brief seines, mit 22 Jahren gefallenen Sohnes als Vermächtnis aus dem Kessel von Stalingrad in die Waagschale wirft und als Überlebenschance für seine Schützlinge "ein Vogel im Nest fällt nur auf, wenn er piept."
Ruhe gebietet und die Amerikaner nur zu gerne ohne Widerstand ziehen lassen würde, kann er sich weder bei seinen Untergebenen noch seinem Vorgesetzten (Tobias Eich als Oberleutnant) durchsetzen, bezahlt sogar mit seinem Leben, als ihn Ohliger im Anflug der Wahnvorstellung des Hochverrates erschießt.
Das Flehen von Mutter Buchwieser (Karin Neureuther) "spielt‘s net länger Krieg, er is‘ eh bald vorbei und Ihr seid‘s Schulbuabn und koane Soldaten" stößt bei allen Beteiligten auf taube Ohren und Sohn Seppi (Elias Feldmeier) fällt wenig später.
Trotz Ihrer Verzweiflung ist sie Andreas Weingartner (Uli Eitzenberger) der Eltern und Schwester im Würzburger Bombenhagel verlor und dem Suizid nahe ist, Stütze für den Weg in eine Zukunft des – hoffentlich dauerhaften – Friedens.
Mit dieser Begebenheit aus 1945, als in den letzten Kriegstagen junge, ebenso schlecht ausgebildete, wie nicht informierte Burschen auf den Bergen bei Oberammergau ihre "Nester" beziehen, um den Feind bei seinem Vormarsch nach Garmisch-Partenkirchen zu stoppen, betraten die Theaterfreunde Oberammergau Neuland.
Neben den bekannten Darstellern Manfred Schmidbauer und Tobias Eich wird voll auf den 15- bis 17jährigen Nachwuchs gesetzt.
"Die Themen Kindersoldaten und Kriegsende in der Heimat werden nicht so oft thematisiert", stellte Harald Helfrich, zur Premiere am 16. Juni fest und sieht darin eine extra Herausforderung, denn "mit Berufstätigen ist es leichter, die haben nicht so einen Freizeitstress." Und mehr Disziplin, denn "die Jungs lassen sich manchmal doch leicht ablenken", räumt er weiter ein.
Mein Stück – es handelt es sich um eine fiktive Geschichte nach wahren Begebenheiten, wie sie sich in den letzten Kriegstagen in Oberammergau zugetragen hat – ist trotzdem "nur" ein Theaterstück. Unsere Geschichte und deren Personen sind frei erfunden, da wir nicht die tatsächlich Handelnden kopieren wollen und können. Trotzdem steht es exemplarisch für die vielen MG-Nester und Panzersperren, an denen in den letzten Kriegswochen noch so viele Kinder unnütz ihr Leben gelassen haben, so sein Fazit.
Vorlage war ihm das Buch "Oberammergau im Dritten Reich 1933 – 1945” von Ludwig Utschneider, sowie Erzählungen von Zeitzeugen.
Ein Zeitzeuge von damals hat sehr beindruckend erzählt: "Wir wussten damals überhaupt Nichts von der Gesamtsituation." Und mahnt sehr beeindruckend" "Nichtinformieren bedeutet Macht haben!".
Und gerade das ist es ja, was wir heute zu Hauf erleben und bis zum kürzlich erst entstandenen Begriff der "Lügenpresse" reicht: die Gefahren, welche durch von Machtansprüchen und Gier getriebenen Informationen, anstelle seriösem Journalismus ausgehen und in der Fülle kaum mehr zu unterscheiden sind.
Da jede Woche und meist noch schneller eine neue Sau durch's Dorf getrieben wird, interessiert sich kaum Jemand mehr für das Schicksal der vorherigen – sind wir weniger Ergebnis orientiert, als von Berieselung überschwemmt und am medialen Gängelband der Mächtigen unserer Tage.
Sie sind deshalb unter die Haut gehende Mahnung, damaligen Ereignissen: von Schongau her kommen die amerikanischen Truppen, mit dem Ziel die vermeintliche "Alpenfestung" Garmisch-Partenkirchen zu bombardieren. Gleichzeitig fährt Major Pössinger von den Garmischer Gebirgsjägern den Amis entgegen um eine kampflose Übergabe Garmisch-Partenkirchens auszuhandeln.
Ebenso gleichzeitig wird aus Mittenwald eine Kompanie junger, kampfunerprobter Soldaten in die Ammergauer Berge geschickt um die Amerikaner aufzuhalten. Fünf junge Soldaten und ihre Vorgesetzten also sollen mit ihrer Kompanie den Vormarsch der Amerikaner bei Oberammergau stoppen und die geplante Bombardierung Garmisch-Partenkirchens verhindern. Fünf Jungen, die man in Uniformen gesteckt hat, teils bereit, sich dem Führerwillen bedingungslos zu opfern und den "Endsieg" zu erringen, teils einfach nur darauf bedacht zu überleben. So richten sie ihre Verteidigungsstellung ein, ihr "Nest" oben auf dem Berg. Nur eines haben sie gemeinsam. Die Angst. Gewehre gegen Panzer! Nach einem kurzen Feuergefecht – die jungen deutschen Soldaten haben keine Chance, es gibt mehrere Tote und Verletzte – ziehen die Amerikaner weiter nach Garmisch-Partenkirchen: ohne es allerdings zu bombardieren. Die überlebenden deutschen Soldaten schlagen sich in die Berge und zerstreuen sich.
Sie leben nochmals auf in den weiteren Vorstellungen am 25. und 27. Juni, sowie 04. und 10. Juli 2015, wobei bei jedem Wetter gespielt wird!
Die Aufführung beginnt um 20.30 nahe der Kolbensattelhütte, welche bis Veranstaltungsbeginn geöffnet ist <a href="http://www.kolbensattel.de/kolbensattelhuette.">www.kolbensattel.de/kolbensattelhuette.</a>
Der Kolbensattel-Sessellift fährt nur bis 19 Uhr. Aufstieg zu Fuß dauert ca. 1 Stunde
Nach Beendigung der Vorstellung geht man gemeinsam in einer Fackelwanderung gegen 22 Uhr zurück ins Tal. Für Gehbehinderte steht ein Shuttle (Anmeldung bis zwei Tage vor Spieltermin notwendig; € 5,00 Kostenbeitrag) zur Verfügung – Informationen unter Tel. 08822/935684 oder info@kolbensattel.de.
Eintritt:
€ 16,00 – Erwachsene und € 9,00 – Schüler, Jugendliche
Kombiticket (Bergbahnfahrt + Eintritt):
€ 21,00 – Erwachsene und € 14,00 – Schüler, Jugendliche
Zum Autor und Regisseur – in Garmisch-Partenkirchen auch als Gemeinde-, sowie für die Region als Kreisrat aktiv und zudem bekannt vom KULTurSOMMER Garmisch-Partenkirchen und dem Chiemgauer Volkstheater.
Nach dem Studium der Theaterwissenschaften und der amerikanischen Kulturgeschichte arbeitete Helfrich zunächst 2 Spielzeiten am Stadttheater Ingolstadt. Danach war er 6 Jahre als Regisseur, Schauspieler, Sänger und Komponist für die Freilichtspiele Schwäbisch Hall tätig. Er inszenierte dort u. A. Shakespeare's "Komödie der Irrungen", Horvath's "Kasimir und Karoline" sowie "Pippi Langstrumpf" von Astrid Lindgren und schrieb die Musik zu "Jedermann", "Romeo und Julia", sowie "Die drei Musketiere".
Seit 2000 ist der Sohn von Bernd Helfrich auch beim Chiemgauer Volkstheater tätig. Neben zahlreichen TV-Inszenierungen und Fernsehrollen schreibt er auch Stücke für das Ensemble.
Überaus erfolgreich stand er im Wiener Metropol-Theater in der vielbeachteten Welturaufführung des Musicals "Pink" als Klaus auf der Bühne. Aktuell tourt er vor Allem mit Gabi Lodermeier im feinwürzig schwarz-gelben Coupletgenussß an hausgemachtem Senf "Du aufplatzte Weißwurscht".
Neben seiner beruflichen Tätigkeit singt Harald Helfrich in einem Gospelchor und schwingt, soweit es die Zeit zulässt den Tischtennisschläger.
Stiftsbibliothek St. Gallen
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Pressekontakt
cmp Medien
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Das Nest Freiluft-Theateraufführung Kolbensattelhütte Harald Helfrich Theaterfreunde Oberammergau Kindersoldaten Ludwig Utschneider
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