Umfassendste Autographen-Sammlung des frühen Bauhauses
12.10.2023
Kunst & Kultur
Das am 30. September 1922 in Stuttgart uraufgeführte "Triadische Ballett" zählt heute zu den bekanntesten Werken des Malers, Bildhauers, Bühnengestalters und Choreografen Oskar Schlemmer (1888-1943): Kubistische Figuren, Kugelhände, Spiralen und Scheibenröcke - die avantgardistischen Kostüme sind weltberühmt.
Anders als die dreidimensionalen Kostümfigurinen sind die historischen Dokumente zu Oskar Schlemmers Arbeiten für den Tanz - wie Fotos, Briefwechsel, Programmzettel, Kritiken sowie Aufsätze Schlemmers - einer größeren Öffentlichkeit bisher kaum bekannt. In dem im Frühsommer 2023 erschienenen Band "Oskar Schlemmer und der Tanz" stellt der Leiter des Deutschen Tanzarchivs Köln, Prof. Dr. Frank-Manuel Peter, diese Dokumente und zahlreiche selbst der Forschung bislang nicht bekannte historische Quellen aus der Kölner Sammlung in ihrem zeit- und tanzgeschichtlichen Kontext vor.
In dem 640-seitigen, mit 301 Abbildungen reich bebilderten Band setzt sich Frank-Manuel Peter auch mit der immer wieder behaupteten Aussage auseinander, das vor 100 Jahren in Stuttgart uraufgeführte "Triadische Ballett" sei eine Schöpfung des "ultramodernen Bauhauses" gewesen: Die Legende, dass das von den beiden Tänzern und Oskar Schlemmer von 1912 bis 1922 entwickelte Triadische Ballett am Bauhaus entstanden sei, hatte der Tanzhistoriker Helmut Günther bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren widerlegt, unter anderem auf der Grundlage eines rund 60 Jahre lang als verschollen geglaubten Originaldokumentes.
Dabei handelt es sich um eine Bittschrift, unterzeichnet von den Bauhausmeistern Paul Klee, Wassily Kandinsky, Georg Muche, Lothar Schreyer und Josef Hartwig sowie rund 65 Bauhausstudentinnen und -studenten (darunter Josef Albers, Gunta Stölzl, Herbert Bayer, Ida Kerkovius, Marcel Breuer, Otto Umbehr und Paul Citroen). Die Bauhäusler baten darin das Stuttgarter Tänzerpaar Albert Burger und Elsa Hötzel "so von ganzem Herzen" darum, mit ihrem Triadischen Ballett (von dem "wir so viel Außerordentliches hörten") zur Bauhauswoche 1923 nach Weimar zu kommen. Frank-Manuel Peter hatte in seiner Publikation noch die Unauffindbarkeit dieses Originals beklagt, welches in der Kölner Sammlung bislang nur als historische Fotokopie von schlechter Qualität vorlag. Bei dem Schriftstück handelt es sich nicht nur um die wohl vollständigste Autographensammlung des frühen Bauhauses, sondern auch um ein zentrales Dokument zur Geschichte des modernen Tanzes. Die engagierte Einladung hatte nämlich Erfolg und so fand am 16. August 1923 die zweite und wirkungsvollere Aufführung des Stückes statt.
Nun war das Originaldokument Mitte August, also erst nach dem Erscheinen des Buches, auf dem Kunstmarkt aufgetaucht. Ein Förderer erwarb die Bittschrift, deren Provenienz auf Albert Burger und Elsa Hötzel zurückzuführen ist, und übergab sie jetzt dem Deutschen Tanzarchiv Köln für den dort aufbewahrten Nachlass des Tänzerpaares Burger-Hötzel. Hier kann sie ab sofort von der Forschung wieder eingesehen werden.
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