Lichtspiele - Wie Film und Fotografie Tanz sehen
17.09.2012
Kunst & Kultur
Jenseits des allzu flüchtigen Bühneneindrucks waren es in erster Linie Fotografie und Film, die im Laufe eines Jahrhunderts unseren Blick auf den Tanz geprägt und bestimmt haben. Die Ausstellung Lichtspiele geht der Geschichte dieser künstlerischen Auseinandersetzungen mit Tanz nach, präsentiert Zeugnisse der Tanzfilm- und Tanzfotokunst aus über 100 Jahren und verbindet diese mit Texten zur literarisch-philosophischen Reflextion über Fotografie, Film und Kino.
Was sehen wir, wenn wir Tanz sehen? Wie prägen, wie beeinflussen, wie verändern Fotografie und Film unseren Blick auf Tanz? Diesen Fragen geht das Tanzmuseum mit seiner neuen Jahresausstellung auf eigenwillige Weise nach. Lichtspiele - der Titel der Ausstellung über Fotografie, Film und Tanz nimmt Bezug auf die Voraussetzung eines jeden Projektions- und Abbildungsverfahrens. Die Ausstellung versteht sich als "Essay" über das "Bild vom Tanz" und über die Suche nach der ewigen Schönheit eines solchen Bildes im Film und in der Fotografie. Damit bietet die Ausstellung dem Betrachter auch die Chance des Innehaltens und der Reflexion vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Fülle digitaler Bildwirklichkeiten und der unübersehbaren Vielfalt multimedialer Gestaltungsmöglichkeiten in Fotografie und Film.
Die Beziehung zwischen Fotografie, Film und Tanz ist so alt wie Fotografie und Film selbst. Früh verbanden sich der Erfindungsreichtum des zeitgenössischen Tanzes und die modernen bildnerischen Techniken von Fotografie und Film. Faszinierende Momente künstlerischer Bewegung in Verbindung mit unterschiedlichen foto- und filmkünstlerischen Perspektiven machten den Tanz in Fotografie und Film zu einem ganz einzigartigen neuen Medium: dem tänzerischen Bild.
Aus Experimenten mit zum Beispiel einer "mittanzenden" Kamera, Doppel- und Mehrfachbelichtungen in der Fotografie, rhythmischen Bildmontagen im Film oder inszenierten Tanzposen in der Fotografie entstanden - abseits der Bühne - neue Bilder vom Tanz.
Viele Fotografen haben sich in den 1910er und 1920er Jahren bei der Gestaltung ihrer Tanzportraits auch an populären Kompositionsprinzipien der Malerei orientierten. Und auch der Tanzfilm von heute huldigt mit der 3D-Technik dem Prinzip "schöner als im wirklichen Leben".
Massenhafte Verbreitung fanden die Bilder vom Tanz in den 1920er Jahren als die als die Wirtschaft sie als Mittel der Werbung entdeckte - zum Beispiel in Form von Zigarettensammelbildern oder Werbepostkartensammlungen.
Ebenso wie der Tanz in der Fotografie eroberte sich auch der Tanz im Film ein breites Publikum, so zum Beispiel im "Tanz-Kinema" am Berliner Alexanderplatz. Zur Unterstützung der Tanzkurse und zur Unterhaltung wurden dort um 1921 selbst produzierte Tanz-Lehrfilme gezeigt, die auf eine Bildfläche in unmittelbarer Nähe der Tanzfläche projiziert wurden. Vollständig entfaltete der "Tanz auf Zelluloid" seine Faszination dann in den populären Filmgenres wie dem Spielfilm, dem Musicalfilm sowie dem Musikvideo und lieferte von den 1930er Jahren bis heute auch immer wieder "Stoff für Hollywood". Der experimentelle Tanzfilm wie auch der rein dokumentarische Tanzfilm kamen dem Kino mit der Zeit abhanden. Sie finden heute ihr Publikum vermehrt im Fernsehen, in Ausstellungen, auf Filmfestivals oder als Ausdruck einer rein privaten Dokumentation des Gesehenen auf YouTube. Gefangen in einem kleinen Sichtfenster auf einem PC oder Smartphone nähert sich der Tanz im Film hier als grobkörniges filmisch-tänzerisches Fragment und dokumentarisches Zeugnis wieder dem Ausgangspunkt seiner Geschichte an.
Im Mittelpunkt einer Ausstellung über fotografische und filmische Blicke auf den Tanz steht nicht die Behauptung "Es ist so gewesen!", sondern vielmehr das Filmemacher und Fotografen einende Bekenntnis "Ich habe es so gesehen!" Und gerade deshalb lässt sich aus der Gesamtheit der in der Ausstellung versammelten Blicke und Sichtweisen wohl auch nur schwerlich eine treffliche, allgemein gültige Aussage über den Tanz formulieren. Wohl aber darüber, wie der Tanz, seine Vielfalt und Experimentierfreude Fotografen und Filmemacher zu allen Zeiten zur künstlerischen Auseinandersetzung angeregt hat und wie dies fotografische und filmische Bilderwelten und Sehgewohnheiten durcheinander wirbelte.
Es sind die ungewöhnlichen künstlerischen Sichtweisen, die die Ausstellung prägen. Bilder von Tänzerinnen - "nach der Natur photographiert" - aus dem 19. Jahrhundert treffen auf Portraitmontagen aus den 1960er Jahren. Kunstfotografie hängt neben ambitionierter Pressefotografie, vereint durch das Bestreben, Tanz auf neue, ungewohnte Art und Weise zu präsentierten. Die Kombination ganz unterschiedlicher fotografischer Sichtweisen findet ihre Entsprechung im Bereich des Films: Zeugnisse aus der Frühzeit des Films finden sich neben avantgardistischen Kunstfilmen, bei denen sich der Betrachter mehr als einmal fragen mag: Ist das noch Tanz?
Die Ausstellung von Thomas Thorausch und Klaus-Jürgen Sembach speist sich aus den reichhaltigen Beständen des Deutschen Tanzarchivs Köln, zu denen auch eine Sammlung mit über 160.000 Fotos und über 117.000 Originalnegativen sowie eine Filmsammlung mit über 3.500 Filmen gehört. Die Fotosammlung umfasst Aufnahmen und Konvolute berühmter Fotografen wie zum Beispiel Albert Renger-Patzsch, Alfred Eisenstaedt, Hugo Erfurth, Arnold Genthe, Lotte Jacobi, Marta Astfalck-Vietz, Ellen Auerbach, Edward Steichen, Germaine Krull, Anna Riwkin, Cecil Beaton, Charlotte Rudolph, George Platt Lynes, Herbert Tobias, Serge Lido, Herbert List, Dieter Blum, Fritz Henle, Gert Weigelt oder Yva. Fotografennachlässe von Siegfried Enkelmann, Hans Rama, Annelise Löffler und Dietmar Dünhöft sowie die tanz- und ballett-bezogenen Arbeiten von Walter Boje, dem Pionier der modernen Farbfotografie, ergänzen die Sammlung.
Die Ausstellung "Lichtspiele" wird von einem Rahmenprogramm begleitet, das Führungen, Vorträge zur Geschichte des Tanzfilms und der Tanzfotografie sowie Spielaktionen für Kinder anbietet. Unter dem Titel "Kino im Tanzmuseum" werden darüber hinaus ausgewählte Klassiker des Tanzfilms präsentiert, verbunden mit einer sachkundigen Einführung in den Entstehungskontext und die filmkünstlerische Konzeption. Im Mai 2013 wird das Tanzmuseum wieder Ort einer tänzerisch-choreographischen Auseinandersetzung mit dem Thema der Ausstellung sein.
Deutsches Tanzarchiv Köln/SK Stiftung Kultur, Im Mediapark 7 (3.OG), 50670 Köln
Tel.: (0221) 888 95 -400 oder -444 (Museum), E-Mail: tanzarchiv@sk-kultur.de,
http://www.sk-kultur.de/tanz/tanzmuseum
Ausstellung geöffnet täglich außer mittwochs von 14 bis 19 Uhr, Eintritt: 4,50 Euro (ermäßigt 2 Euro), Mo. freier Eintritt
Die Ausstellung bleibt am 24. und 31. Dezember geschlossen - alle übrigen Feiertage während der Weihnachtsferien geöffnet!
http://www.sk-kultur.de/tanz/tanzmuseum/
Tanzmuseum des Deutschen Tanzarchivs Köln/SK Stiftung Kultur
Im Mediapark 7 50670 Köln
Pressekontakt
http://www.sk-kultur.de
SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn
Im Mediapark 7 50670 Köln
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