Roman aus Hannover - "Vergiftete Liebe" von Barbara Schlüter
19.09.2012
Kunst & Kultur
Im Jahr 1890 gehört Hannover zu Preußen und ist geprägt vom gehobenen Bürgertum, den Beamten, dem Adel und dem Militär. Durch die einstige Residenzstadt wehen erste Zeichen des Wandels. Nicht nur unter den Arbeitern regt sich der Widerstand gegen die herrschenden Bedingungen, auch die Frauen wollen aus ihrem engen gesellschaftlichen Korsett ausbrechen und fordern mehr Rechte.
Als Teil der neuen Generation versteht sich auch die eigensinnige Elsa Martin, die als Mündel der Architekten-Familie von Elßtorff aufwächst. Anders als bei den jungen Damen der vornehmen Kreise besteht ihr Interesse nicht in erster Linie darin, eine gute Partie zu machen. Sie interessiert sich für Humanmedizin und ist fasziniert von Kriminalgeschichten a la Sherlock Holmes. Aus ihrer Neugier und ihrem Faible für Detektivarbeit wird Ernst, als am Königlichen Schauspielhaus unter mysteriösen Umständen ein Ensemblemitglied ums Leben kommt und Elsas beste Freundin, die Schauspielerin Roberta Stein, in den Fall verwickelt wird.
Die Ermittlungen gehen in alle Richtungen. Mögliche Motive sind Rache, Missgunst und Eifersucht. Doch was auf den ersten Blick plausibel erscheint, erweist sich schnell als hinfällig. Mit Scharfsinn, List und unter Umgehung der Konventionen ihrer Zeit kommt Elsa dem Täter auf die Spur.
In "Vergiftete Liebe" nimmt Barbara Schlüter den Leser mit auf eine Reise ins Hannover des ausklingenden 19. Jahrhunderts. Viele Örtlichkeiten werden genannt, zudem finden sich regionaltypische und zeitgenössische Ausdrücke, die dem Roman einen authentischen Anstrich geben. Bewusst rückt die Autorin die Frauenfiguren in den Vordergrund. Sie beleuchtet an verschiedenen Beispielen weiblichen Daseins die soziokulturellen Bedingungen der damaligen Epoche und zeigt sowohl Grenzen als auch die Möglichkeiten der Frauen auf.
Fortschritt ist das Motto der Zeit. Sowohl gesellschaftliche Themen als auch die Erfindungen wie die des Automobils werden im Hause von Elßtorff diskutiert. Als Gegenpart zum bürgerlichen Leben werden Einblicke in den Alltag verschiedener Schichten und Kreise gewährt. Künstler, Schauspieler, Haushaltsangestellte und Arbeiter aus dem noch nicht eingemeindeten Nachbarort Linden finden ihren Platz.
Für den Roman recherchierte Barbara Schlüter die Lebensumstände vor 120 Jahren und hat sich in die Geschichte ihrer Heimatstadt eingearbeitet, nicht ohne sich auch die eine oder andere schriftstellerische Freiheit herauszunehmen. "Der historische Roman ist erstens ein Roman und zweitens keine Historie", zitiert sie eingangs Alfred Döblin und verdichtet so zahlreiche Reformen, Neuerungen und technische Erfindungen zu einer Geschichte, die überwiegend in Hannover spielt, aber auch einen Abstecher ins damalige "Bauernbad" Salzuflen macht. Viele der namentlich genannten Geschäfte und Lokalitäten gibt es noch heute; manche, wie das Café Kröpcke, sind inzwischen eine Institution in der Landeshauptstadt. Die Produktion des berühmten Leibniz-Keks in der Hannoverschen Cakes-Fabrik von Bahlsen stand damals kurz bevor. Traditionsnamen wie Hotel Kastens, Sprengel, Pelikan und Continental sind weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.
Die Autorin
Barbara Schlüter ist seit 30 Jahren selbständige Kommunikationstrainerin, Coach und Managementberaterin. Als wissenschaftliche Assistentin (damals Barbara Kroemer) am Historischen Seminar der Universität Hannover bot sie als Erste Veranstaltungen zum Thema "Frauen in der Geschichte" an. Mit ihrem Sachbuch "Rhetorik für Frauen" (1987) hat sie Pionierarbeit auf diesem Gebiet geleistet. Sie lebt nach Stationen auf den Kanarischen Inseln und im Rheinland wieder in ihrer Heimatstadt Hannover.
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