Warum der Blick in die Zukunft so selten auf Fahrer:innen fällt
03.11.2021
Logistik & Transport
Die Logistikindustrie findet sich in einer schwierigen Lage. Ein Blick auf Großbritannien zeigt
uns jetzt schon, was bald auch uns betrifft: Das Resultat von mehr als einem Jahrzehnt,
indem die Zahl der Berufskraftfahrer mehr und mehr abnimmt. Das gilt leider nicht nur für die
Briten, laut Branchenquellen sind schon allein in Deutschland zwischen 60.000 und 80.000
Fahrer zu wenig unterwegs. Das Durchschnittsalter von Fahrern wächst, aktuell liegt es
schon bei 54 Jahren, da weit mehr Fahrer die Industrie verlassen als in sie eintreten. Das
bedeutet, dass in den kommenden 5 Jahren gut 40 % der aktuellen Kraftfahrer:innen aus
der Industrie altersbedingt ausscheiden werden und nicht annähernd ausreichend Fahrer
nachrücken. Und während Trucker:innen die Industrie verlassen, steigt der Bedarf an
Lieferungen mit unserer immer weiter dezentralisierten Wirtschaft konstant an.
Wir denken gerne, dass die Industrie jedes Problem lösen kann. Die Startup-Welt bietet
täglich zahlreiche neue Lösungen für jedes Problem unter der Sonne, mehr als wir jemals
umsetzen könnten. Auch für die Logistik haben Startups alle möglichen Lösungen zu bieten,
von optimierten Routenplanungen über genauere Abläufe bis hin zu neuer Technologie, die
Fahrer auf lange Sicht durch selbstfahrende Autos ersetzen soll, auch wenn sie noch nicht
annähernd an einem Punkt ist, an dem dies ohne Aufsicht möglich ist.
Was die Welt der Startups jedoch erstaunlich wenig zu bedenken scheint, sind die Fahrer
selbst. Neue Firmen, die Routen optimieren, denken üblicherweise nicht daran, wo ein
Fahrer am Ende seiner Schicht Feierabend machen muss. Mit den Gedanken in
Algorithmen, künstlicher Intelligenz und optimierter Planung fällt das menschliche Element
leicht unter den Tisch. Solange ein Lastwagen nicht von selbst fahren kann, etwas, das trotz
allen Versicherungen der Fahrzeugbranche noch weit entfernt ist, muss die optimierte Route
von einem Menschen durchgeführt werden. Und von diesen Menschen gibt es immer
weniger.
Es ist immer schwieriger geworden, Berufskraftfahrer zu rekrutieren. Einen Lastwagen zu
fahren ist zwar ein systemrelevanter Beruf, doch einer, der nicht entsprechend wertgeschätzt
wird, dazu auch noch einer mit langen Schichten, wenig Abwechslung und hohen
Qualifikationen proportional zum Arbeitsaufwand. Dazu kommt, dass der Feierabend eines
Berufskraftfahrers oft auf einer Autobahnraststelle weit weg von Zuhause stattfindet, nicht
beim Abendessen mit der Familie. Es bedarf eines spezialisierten Führerscheins und einer
Ausbildung, die oft selbst finanziert werden muss, hat also eine recht hohe Barriere, die es
vor dem Eintritt in den Job zu überwinden gilt.
Wenn wir uns in der Lösung der Probleme in der Logistik nur auf perfekte Routen und
Abläufe konzentrieren, arbeiten wir nur um das tatsächliche Problem herum. Da viele
Startups ursprünglich aus dem Tech-Sektor kommen, ist es klar, warum sie dort nach der
Lösung suchen, doch was wir aktuell brauchen, sind Wege, bestehenden Fahrern den Alltag
zu erleichtern und Neueinsteigern den Beruf attraktiver zu machen.
Wir haben recherchiert, was für Startups, Apps und andere Projekte es gibt, die sich dieser
Problematik widmen. Es sind nicht viele, doch wir hoffen, dass sie nur der Anfang sind, jetzt,
wo die potenziell katastrophalen Auswirkungen der Fahrerkrise mehr und mehr in den
Vordergrund rücken.
Unterhaltung und Community
Wie bereits angesprochen ist der Alltag eines Truckers eher eintönig. Lange Fahrten auf
immergleichen Bundesstraßen und Autobahnen bieten wenig Abwechslung. Dazu kommt,
dass Trucker:innen wenig Kontakt zu ihren Mitarbeitern in der Firma halten können, was
bedeutet, dass die soziale Interaktion, die in den meisten Jobs dazugehört, auch fernbleibt.
Deshalb haben wir nach Startups, Blogs und anderen Plattformen gesucht, die sich dieser
Problematik widmen.
Natürlich ist die Unterhaltung selbst nicht wirklich etwas, für das man für Trucker:innen
spezialisierte Innovationen braucht. Streaming-Dienste wie Audible und Spotify sind
angemessene Lösungen für lange Fahrten und machen ein Äquivalent für eine spezifische
Industrie unnötig. Unterhaltung, die jedoch Community-Geist und eine Art Trucker-Identität
fördert, ist dagegen eine andere Geschichte. Das war der Fokus unserer Recherche.
Streckeninformationen
Für jemanden, der sich Tag für Tag nur mit Fahren beschäftigt, ist es wichtig, alle relevanten
Informationen über die Strecke parat zu haben. Das heißt sowohl über Staus und
Umleitungen informiert zu sein, als auch über Parkmöglichkeiten, sowohl am Zielort, als
auch an Rastplätzen oder in der Nähe von Restaurants und Imbissen. Dazu kommt auch
noch, dass Informationen über Geschwindigkeitsbegrenzungen und Blinker immer aktuell
sein müssen, besonders da viele Speditionen sich auch mit engem Zeitplan weigern,
Strafgebühren für ihre Fahrer:innen zu tragen. Wir haben uns daher hier nicht mit Startups
beschäftigt, die auf einer Firmenebene optimieren, sondern spezifisch einen Blick auf die
geworfen, die dem Fahrer selbst helfen wollen, den Überblick zu behalten.
Organisation und Kommunikation
Fahrer:innen können nur bis zu einem gewissen Punkt allein arbeiten. Apps und andere
Informationsquellen können sehr hilfreich dabei sein, einen Fahrer selbstständiger zu
machen, doch ohne Kommunikation und Organisation durch Logistikexperten kann keine
Lieferung ihr Ziel erreichen. Doch auch hier gibt es Fortschritte in der Technologie, die
Fahrern ihren Alltag deutlich vereinfachen können. Wir wollen hier neue Ideen hervorheben,
die versuchen, Fahrer:innen in die verbesserte Organisation einzubeziehen und nicht über
ihre Köpfe hinweg zu planen.
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Herr Michael Gnamm
Alter Neustädter Weg 39
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