Wenn die Thrombosespritze gefährlich wird - Gießener Unternehmen entwickelt Schnelltest zur Früherkennung
27.04.2011
Medizin, Gesundheit & Wellness
Im Normalfall setzt das Heparin die Blutgerinnung herab und verhindert die Bildung eines Blutpfropfen (Thrombus). "Manche Patienten reagieren aber auf Heparin gegenteilig. Sie bilden Antikörper und entwickeln eine sogenannte Heparininduzierte Thrombozytopenie Typ 2 (HIT)", erklärt Dr. Ralf Dostatni, Geschäftsführer Milenia Biotec. "Blutplättchen verklumpen und es kann zu gefährlichen Komplikationen kommen, wenn das Heparin nicht sofort abgesetzt wird und durch ein anderes Medikament ersetzt wird." Hat sich ein Pfropfen in einem Blutgefäß erst mal gebildet, besteht die Gefahr, dass Extremitäten nicht mehr durchblutet und diese amputiert werden müssen. Oder aber der Thrombus wandert in die Lunge und es kommt zu einer Lungenembolie, oft mit tödlichem Ausgang.
Die Schwierigkeit für den behandelnden Arzt ist es, eine HIT zu erkennen. Sichere Indizien gibt es nicht, da die Symptome recht unterschiedlich ausfallen. Zusätzlich zu den klinischen Symptomen kann ein Labortest mehr Sicherheit liefern. Der aber ist bisher aufwendig, zeit- und kostenintensiv und für viele kleinere Krankenhäuser nicht finanzierbar. Da sich Thrombosen sehr schnell entwickeln, muss der Arzt eine rasche Entscheidung treffen, um Heparin zu ersetzen. Für die Diagnose stehen zwar alternative Tests zur Verfügung. Diese sind aber umständlich zu handhaben, dauern meist sehr lange und sind schwierig auszuwerten.
Mit dem Milenia Quickline HIT hat die Gießener Firma einen Test entwickelt, der nicht nur ähnlich aussieht wie ein Schwangerschaftstest, sondern auch so funktioniert. Er ist ebenso schnell wie einfach zu handhaben und kostet nicht viel. Dostatni: "Ein Tropfen Blut wird auf eine kleine Testkassette gegeben. Darauf kommen 2 Tropfen Pufferflüssigkeit. Nach 10 Minuten kann das Ergebnis mit bloßem Auge abgelesen werden: Eine Linie bedeutet negativ, zwei Linien positiv." Mithilfe dieses Schnelltests kann der Arzt zeitnah mit großer Sicherheit ausschließen, dass ein Patient ein HIT entwickelt.
Der Test nutzt das Prinzip der Bindung zwischen Antigen und Antikörper und identifiziert die aufgrund der Heparingabe gebildeten Antikörper. Aber anders als bei den anderen Schnelltests basiert der Milenia Quickline HIT auf der sogenannten Lateralflussmethode. Der Spezialist für Gerinnungsdiagnostik Dr. Hans-Jürgen Kolde hat diese Idee an Milenia Biotec herangetragen. "Wir haben uns auf Lateral-Flow-Tests spezialisiert", erläutert Dostatni. "Der Aufwand an Zeit und Kosten ist bei diesen Immunoassays geringer als bei anderen Methoden. Geräte sind für die Auswertung der Tests nicht unbedingt nötig." Kritiker glaubten, die Lateral-Flow-Methode könne im Zusammenhang mit HIT nicht funktionieren. Eine Studie von Privatdozent Dr. Ulrich Sachs vom Institut für Klinische Immunologie und Transfusionsmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen, der eine klinisch und immunologisch sehr genau definierte Gruppe von 450 Patienten zugrunde lag, nimmt den kritischen Stimmen den Wind aus den Segeln. Sachs kam zu dem Ergebnis, dass der Test alle Patienten, die an einer HIT leiden, erkannt hat. "Damit funktioniert der Test so gut, wie wir es selbst nicht für möglich gehalten haben. Er ist schneller und preiswerter als jeder andere und derzeit einer der qualitativ besten auf dem Markt", so Dostatni.
Bildquelle: Milenia Biotec
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