Psychotherapeuten-Umfrage zur Komplexversorgung: "Gut gedacht, schlecht gemacht."
06.04.2023
Medizin, Gesundheit & Wellness
Die sogenannte ambulante Komplexversorgung soll die Versorgung von Erwachsenen mit schweren psychischen Erkrankungen sicherstellen und ist seit 01. Oktober 2022 gültig. An der Umfrage nahmen 140 psychotherapeutisch Tätige teil. Aus der geringen Teilnahmequote schließt der Verband, dass nur wenige praktische Erfahrungen mit dem neuen Modell haben.
Immerhin hat die überwiegende Mehrheit der Befragten von dem neuen Angebot gehört (84,3 %). Allerdings gaben zwei Drittel (67,8 %) an, dass sie in praktischer Hinsicht nicht hinreichend über das Programm informiert wurden. Dies wird gestützt durch die Aussage, dass nur jeder Zehnte (10 %) weiß, welchem lokalen Netzverbund er sich anschließen kann.
Im Allgemeinen findet die Mehrheit (47,9 %) den regionalen Zusammenschluss von multiprofessionellen Teams "eher sinnhaft" oder "sehr sinnhaft". Bezogen auf ihre eigene praktische Tätigkeit als Psychotherapeut erteilt allerdings rund Hälfte dem Modell eine Absage ("nicht sehr sinnhaft" 34,3 %, eher nicht sinnhaft, 17,9 %).
Knackpunkt der Idee, sich lokal zusammenzuschließen, um psychisch Schwerkranken zu helfen, sind fehlende Kapazitäten. Zwei Drittel der Befragten (65%) bekunden, dass sie keine Zeit für die Arbeit in regionalen Teams haben.
Die finanziellen Anreize sich den Verbünden anzuschließen, sind zudem gering. Die Hälfte der befragten Personen (50,7 %) bewertet die Vergütung für die Teilnahme an einem lokalen Netzverbund als "viel zu niedrig" und 15,7 Prozent als "etwas zu niedrig".
Ernüchternd ist die Beteiligung an den neuen Netzverbünden. Nur ein Bruchteil (3,6%) engagiert sich heute aktiv hieran.
Der DPNW-Vorsitzende Dieter Adler meint zu den Ergebnissen: "Die Idee, schwer psychisch kranken Menschen in Teamarbeit zu helfen, ist großartig und wir begrüßen das sehr. Die Idee ist gut gedacht, aber schlecht gemacht. Die Umsetzung ist nicht praktikabel und bietet wenig Anreize zur Teilnahme."
Adler führt weiter aus: "Unsere Kolleginnen und Kollegen wissen einfach zu wenig über das neue Modell, der Aufwand ist mit viel Bürokratie belastet und die freien Kapazitäten fehlen. Das lässt sich nicht einfach mal so nebenbei im anspruchsvollen Praxisbetrieb händeln."
Der DPNW-Vorsitzende schlägt als Lösung vor: "Wir haben bereits 2017 dem Innovationsausschuss das Modell regionaler psychosozialer Versorgungszentren unterbreitet, bei dem festangestellte Mitarbeiter die Komplexversorgung aber auch die Bündelung und Vermittlung freier Therapieplätze vornehmen. Das wäre ein echter Anreiz für viele, sich daran zu beteiligen, ohne selbst großen Zeitaufwand in die Organisation investieren zu müssen."
Die Untersuchung können Sie sich unter dem Link herunterladen:
https://dpnw.de/files/Dateien/Zusammenfassung_Umfrage_Komplexversorgung_2023.pdf
Über den Verband
Das "Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk - Kollegennetzwerk Psychotherapie" (DPNW) wurde am 02.05.2019 in Bonn gegründet. Es hat über 2.000 Mitglieder und 12.000 Abonnenten seines Freitags-Newsletters. Damit ist der DPNW drittgrößter Berufsverband im Bereich Psychotherapie. Der Vorstand besteht aus: 1. Vorsitzender: Dipl.-Psych. Dieter Adler, 2. Vorsitzende: Dipl.-Psych. Claudia Reimer, Kassenwart: Dipl.-Psych. Robert Warzecha. Mehr unter: http://www.dpnw.de
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