Musterfeststellungsklage soll Verbraucherrechte stärken
14.06.2018
Politik, Recht & Gesellschaft
Der Bundestag hat heute in 2. und 3. Lesung das Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage beschlossen. Wenn Verbraucher in der Vergangenheit rechtlich gegen Großkonzerne vorgehen wollten, um ihre Rechte durchzusetzen, glich so ein Unterfangen oft dem Kampf von David gegen Goliath. Meist mit dem Unterschied, dass der Riese - anders als in der alttestamentarischen Überlieferung - seine Übermacht nutzte und der kleine Mann das Nachsehen hatte. Das soll sich nach dem Willlen des Gesetzgebers ab November 2018 ändern. ARAG Experten beleuchten die jetzt beschlossene Einführung einer Musterfeststellungsklage.
Wie funktioniert eine Musterfeststellungsklage?
Am 14. Juni 2018 hat der Bundestag das "Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage" verabschiedet. Die neue Regelung sieht vor, dass ein Verband stellvertretend für einzelne Verbraucher vor Gericht zieht. Mindestens 50 Betroffene müssen sich dafür in ein Register eintragen; wer mitmacht, hat keine Kosten. In dem Musterverfahren werden dann einzelne Fragen im Zusammenhang mit dem Streitpunkt bindend geklärt; zum Beispiel, ob ein verkauftes Produkt als mangelhaft anzusehen ist oder ob der Anbieter die Kunden arglistig getäuscht hat. Das Ergebnis führt aber nicht automatisch zu Schadensersatz, sondern ebnet nur den Weg für einen zweiten Prozess. Die konkrete Summe muss jeder Verbraucher wieder allein vor Gericht einklagen, im Zweifel trägt er dabei ein Kostenrisiko. Es handelt sich also um eine Klageform mit Vor- und Hauptprozessen. Allerdings können vor einem Urteil der Verband und das Unternehmen auch einen Vergleich schließen, wodurch jeder Verbraucher, der sich zuvor im Klageregister eingetragen hat, eine gewisse Summe als Entschädigung ausgezahlt bekommt. Bei den in den USA beliebten Sammelklagen enden mehr als 90 Prozent der Verfahren mit einem Vergleich.
Droht nun eine "Klageindustrie" nach amerikanischem Vorbild?
Die "Klageindustrie", die sich in den USA gebildet hat, wird es nach Ansicht der ARAG Experten in Deutschland nicht geben. Die amerikanischen Rechtsregeln begünstigen Sammelklagen und sorgen zum Beispiel dafür, dass ein erfolgreicher Anwalt oft mehr verdient als die von ihm vertretenen Verbraucher. Auch ist die Hemmschwelle, überhaupt einen Anwalt einzuschalten, in den USA wesentlich niedriger. Das liegt hauptsächlich an den dort üblichen Erfolgshonoraren - der Anwalt bekommt einen vorher vereinbarten Anteil am erstrittenen Schadensersatz. Geht der Kläger leer aus, zahlt er auch kein Honorar an den Anwalt. Zwar gibt es seit 2008 in Deutschland auch solche Erfolgshonorare. Nach § 4a Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) darf dieses allerdings nur für den Einzelfall vereinbart werden und auch nur dann, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Außerdem gelten bestimmte Formvorschriften.
Wann gibt es die ersten Klagen?
Das neue Gesetz tritt zum 1. November 2018 in Kraft. Das ist wichtig, denn eine entscheidende Eigenschaft der Klage betrifft die Verjährung von Ansprüchen derjenigen Verbraucher, die ihre Ansprüche zum Klageregister angemeldet haben, was beispielsweise im Fall VW relevant wird. Bereits in dem Moment, in dem ein Verbraucherverband zum ersten Mal die Klage vorbringt, stoppt die Verjährung. Da die Ansprüche zahlreicher VW-Kunden aus dem Dieselskandal Ende 2018 verjähren, ist noch Zeit zum Handeln - viele Verzögerungen darf es laut ARAG Experten aber nicht mehr geben.
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