Äthiopien: Die Menschen nutzen die Starthilfe
27.06.2019
Politik, Recht & Gesellschaft
München, den 27. Juni 2019. Vierzehn Jahre baute die Stiftung Menschen für Menschen - Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe im Projektgebiet Midda Schulen, lehrte Bauern nachhaltige Landwirtschaft, grub mit ihnen Brunnen, forstete das Land auf und vermittelte Mikrokredite. Vor fünf Jahren zog sich die Organisation aus der Region zurück. Ein Besuch zeigt: Die Menschen haben die Starthilfe genutzt. Midda hat sich grundlegend gewandelt.
Die Menschen in der Region Midda hatten vor 20 Jahren mit zahlreichen Problemen zu kämpfen. Midda gehörte zu den ärmsten Gebieten in Äthiopien. 90 Prozent der damals etwa 100.000 Einwohner lebte von der Land- und Viehwirtschaft. Fiel eine Ernte der Dürre zum Opfer, hungerten viele Familien. Für die stark wachsende Bevölkerung fehlten Ackerflächen, sauberes Trinkwasser, Krankenhäuser, Schulen und Lehrstellen.
Aus diesem Grund begann Menschen für Menschen im Jahr 2000 die Arbeit im zentraläthiopischen Hochland. Gemeinsam mit der Bevölkerung baute die Stiftung dann 29 Schulen und 178 Wasserstellen. Zur Wiederbewaldung wurden 23 Millionen Baumsetzlinge verteilt, sowie 18.000 holzsparende Lehmöfen. Knapp 19.000 Bauern nahmen an Kursen zur nachhaltigen Landwirtschaft teil. Die Förderung von Mikrokreditgemeinschaften ermöglichten nahezu 3.600 Mikrokredite für Frauen. Um nur einige Beispiele zu nennen.
2014 dann zog sich die Stiftung (www.menschenfuermenschen.de) aus dem Projektgebiet zurück, um eine dauerhafte Abhängigkeit zu verhindern. Fünf Jahre nach dem Rückzug aus der Region trägt die gemeinsame Arbeit weiterhin Früchte: Menschen wie Aguwaguwash Meridew, Ayinalem Belete oder Shita Hailu zeigen, dass die integrierten, ländlichen Entwicklungsprojekte der Stiftung nachhaltig funktionieren.
Das erste eigene Geld sparen - Frauen, der Rückhalt einer Gesellschaft
Als eine der Ersten trat Aguwaguwash Meridew einer Mikrokreditgesellschaft bei um einen Mikrokredit von etwa 1.000 Birr, umgerechnet 31 Euro, zu bekommen. Die fleißige Äthiopierin nutzte das Startkapital und stieg als Marktverkäuferin in den lokalen Obst- und Gemüsehandel der Bezirkshauptstadt Meragna ein. Das Geschäft lief gut, schnell hatte sie den ersten Kredit abbezahlt. Als vertrauenswürdige und erfolgreiche Geschäftsfrau bekam sie einen neuen, höheren Kredit. Es reichte, um in einer gemieteten Wellblechhütte einen Schuhladen zu eröffnen.
Das erste Mal in ihrem Leben konnte sie etwas Geld sparen - für sich, ihren Mann und ihre vier Töchter. Ihnen wollte sie bieten, was ihr verwehrt blieb: Bildung. "Meine größte Angst war, dass wir als Analphabeten beschimpft werden. Ich bin so froh, dass es anders gekommen ist", sagt Aguwaguwash heute. Seit vergangenem Jahr betreibt die 40-Jährige neben ihrer Schuhboutique auch noch ein Cafe. Aguwaguwashs harte Arbeit hat sich gelohnt. Mittlerweile verdient sie monatlich etwa 490 Euro. Gemeinsam mit dem Einkommen ihres Ehemannes von etwa 50 Euro, konnte sie auch den letzten Kredit vollständig tilgen. Einen Neubau des Ladens wollen sie nun ohne Darlehen stemmen. "Das schaffen wir jetzt auch allein."
Kleine Starthilfe, große Wirkung
"Ich wollte nicht, dass Menschen für Menschen uns verlässt, doch als mir eine Mitarbeiterin erklärte, dass es vielen Menschen in anderen Gebieten des Landes so schlecht gehe wie einst uns, verstand ich, dass ich sie gehen lassen musste", erinnert sich die 39-jährige Ayinalem Belete in ihrem Gasthaus.
Das Gebäude, in dem sie heute ihren Ausschank betreibt, war einst alles, was sie hatte. Hier wohnte sie mit Mann und den acht Kindern, hier servierte sie das lokale Bier "Tella". Umgerechnet etwa sechs Euro nahm sie damit in der Woche ein. "Das Leben war hart", sagt Ayinalem. "Nur weil uns meine Eltern und Brüder häufig etwas Essen zusteckten, mussten wir nicht hungern."
Um etwas an der Situation zu ändern, trat auch sie in eine Mikrokreditgruppe ein und stockte mit der Starthilfe das Sortiment in ihrem Gasthaus auf. Ihr Plan ging auf. Weitere und höhere Kredite folgten. Über die Jahre errichtete sie hinter ihrer Bar ein Wohnhaus und ein Mietshaus. Mittlerweile nimmt sie umgerechnet etwa 170 Euro im Monat ein. Damit konnte sie ihren Kindern Bildung ermöglichen, zudem bezahlt sie den Kredit ab und möchte mit einem weiteren Darlehen ihr Getränkeangebot und die Viehzucht erweitern. "Außerdem plane ich, die Bar und mein Haus umzubauen. Dann werde ich sogar eine eigene Dusche haben."
Weitergabe von Wissen
Neben ihrer Arbeit gibt Ayinalem das Wissen, das sie in einem Kurs zur Familienplanung gelernt hat, weiter. Immer wieder reist sie in Dörfer, um mit Frauen über Nachteile zu sprechen, die zu viele Kinder mit sich bringen. "Ich hatte lange keine andere Option, da ich nicht einmal wusste, wie ich verhüten soll. Daher möchte ich die Frauen aufklären."
Diese Weitergabe von Wissen - von Freundin zu Freundin, von Nachbarin zu Nachbarin, von Dorf zu Dorf - gehört zum Nachhaltigkeitskonzept von Menschen für Menschen. Impulse verbreiten sich und finden selbst Jahre nach dem Rückzug der Stiftung noch Nachahmer.
Neue Hoffnung nach dem Kahlschlag
Auch der Bauer Shita Hailu profitiert von den Projekten der Stiftung. Er lebt in einem kleinen Dorf nahe der Bezirkshauptstadt Meragna und baut das äthiopische Nationalgetreide Teff an. Das kleine Feld des 74-Jährigen liegt am Fuße des Berges Shimbra Meda, der einst dicht bewaldet war. Nach und nach holzten ihn die Bewohner der umliegenden Dörfer ab, um Brennmaterial und Bauholz zu gewinnen. Ohne Bäume und Sträucher gab es bei Regen keinen Halt mehr: Wasser schoss die Hänge hinab, riss Erde mit. Wie der Acker von Shita versanken viele Felder im Morast.
Familien waren und sind in der abgelegenen Region von der Landwirtschaft abhängig, "Wir konnten nie sicher sein, ob wir genug zu essen haben", erinnert sich Shita. Um die Lebensgrundlage der Menschen wiederherzustellen und sie nachhaltig zu erhalten, startete Menschen für Menschen 2008 am Shimbra Meda ein Wiederbewaldungsprojekt. Die Bauern pflanzten auf den gerodeten Hügeln Setzlinge, die ihnen von der Stiftung zur Verfügung gestellt wurden. Heute übersähen Akazien, Silbereichen und Kordien die Hänge.
"Seitdem der Berg wieder grün ist, können wir auf unseren Feldern Teff, Sorghum und Bohnen anbauen und müssen nicht mehr hungern", sagt Shita, dessen tiefe Falten von einem harten Leben erzählen. Heute erwirtschaftet er auf dem Feld am Hang und auf zwei weiteren Äckern sogar regelmäßig einen Überschuss. Shita und die anderen Bewohner am Shimbra Meda haben verstanden, dass der Wald auf dem Berg geschützt werden muss - für sie und ihre Kinder und Enkel. "Wir sind so froh, dass der Wald wieder da ist", sagt Shita. "Niemand soll ihn jemals wieder anfassen."
Besonderer Erfolg im Projektgebiet Midda
Als besonderen Erfolg in diesem Projektgebiet ist das gesetzlich verankerte Mindestalter für Hochzeiten zu verbuchen. Auf einer öffentlichen Versammlung wurde 2002 von Entscheidungsträgern aus Politik und Religion festgelegt, dass Mädchen unter 18 Jahren nicht mehr verheiratet werden dürfen.
Hintergrundinformation zu Midda
Das Projektgebiet Midda liegt 225 Kilometer nördlich von der Hauptstadt Addis Abeba im äthiopischen Hochland. Zwischen 2000 und 2014 engagierte sich die Äthiopienhilfe dort mit einer Reihe an Maßnahmen aus den Schwerpunkten: Landwirtschaft, Wasser, Gesundheit, Bildung und Einkommen.
Die Projekte zielen darauf ab, dass Menschen in ländlichen Gebieten ihre Lebensbedingungen langfristig aus eigener Kraft verbessern können. So kann sich die Äthiopienhilfe nach zehn bis 15 Jahren aus den jeweiligen Projektgebieten zurückziehen. Auf diese Weise kann Menschen für Menschen weiteren Regionen auf die Sprünge helfen. Midda ist eines von elf abgeschlossenen Projektgebieten.
Informationen über die Stiftung Menschen für Menschen - Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe unter http://www.menschenfuermenschen.de und bei Facebook und Youtube.
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Stiftung Menschen für Menschen - Karlheinz Böhm Äthiopienhilfe
Brienner Straße 46 80333 München
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