Fahrräder strahlen jetzt mit Kraftfahrzeugen um die Wette
01.10.2019
Politik, Recht & Gesellschaft
Vor zwei Jahren wurde § 67 der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO) für Fahrradbeleuchtung geändert. Die Neuregelungen sollten dabei für mehr Klarheit sorgen und zusätzlich die gesetzlichen Vorgaben mit dem neuesten Stand der Technik in Einklang bringen. Die wichtigste Änderung findet bislang jedoch kaum öffentliche Resonanz, wie der pressedienst-fahrrad aufzeigt.
(pd-f/tg) Tagfahrlicht, Bremslicht, Fernlicht, Abblendlicht oder gar Blinker - die Neufassung von § 67 der StVZO liefert einige interessante Aspekte zum Thema Fahrradbeleuchtung, die für Aufsehen sorgen. Vor lauter Begrifflichkeiten und deren unterschiedlichen Funktionen rückt die eigentlich wichtigste Änderung in den Hintergrund: Fahrradbeleuchtung ist bei der maximalen Beleuchtungsstärke mittlerweile bestimmten Kraftfahrzeugsklassen gleichgestellt.
Besser gesehen werden im Straßenverkehr
Ein Beispiel ist die neue Regelung beim Tagfahrlicht. Bei einem Scheinwerfer mit dieser Funktion sind zusätzliche LEDs eingebaut, die für mehr Sichtbarkeit oberhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Hell-Dunkel-Grenze sorgen. Bis zur Gesetzesänderung lag die maximale Beleuchtungsstärke für einen Tagfahrlichtscheinwerfer bei zwei Lux. Jetzt sind zwölf Lux erlaubt, weil als Grundlage die EU-Regelung für Tagfahrleuchten der Kategorie L, M, N und T herangezogen wird. Ein Fahrradscheinwerfer darf am Tag also so hell leuchten wie z. B. ein Traktorscheinwerfer. "Die Folge ist besseres Sehen und vor allem Gesehenwerden. Die Gesetzesänderung hat uns einen erheblichen Schritt weiter nach vorne gebracht, um die Akzeptanz der Radfahrer im Straßenverkehr zu verbessern", freut sich Sebastian Göttling vom Lichthersteller Busch & Müller.
Mehr Licht verhindert Fehleinstellung
Für Göttling hat die Änderung einen weiteren positiven Aspekt: "Da das Abblendlicht durch die Hell-Dunkel-Grenze nach oben reglementiert ist, drehen viele Radfahrer für eine bessere Sichtbarkeit den Scheinwerfer zu stark nach oben, was den Gegenverkehr blendet und nicht erlaubt ist. Durch besseres Tagfahrlicht wird das aus meiner Sicht hinfällig, weil Radfahrer sich gleichberechtigt fühlen." Die neuen Tagfahrlicht-Scheinwerfer, wie der überarbeitete "IQ-X" von Busch & Müller (139,90 Euro), sind erst ab Frühjahr 2020 erhältlich. Scheinwerfer mit dem "alten" Tagfahrlicht dürfen jedoch weiter gekauft und genutzt werden.
Blinker (noch) nicht überall erlaubt
Ebenfalls reglementiert ist die Funktion eines Bremslichts. Die Idee ist nicht neu. Busch & Müller stellte sein erstes Bremslicht bereits 2011 vor. Als Bremslicht darf es allerdings nur bezeichnet werden, wenn es auch eine Verbindung zum Bremshebel hat. Ansonsten wird von einer Bremslicht-Funktion oder einem Verzögerungslicht gesprochen. Neu ist, dass für die Beleuchtungsstärke von Bremslichtern am Fahrrad ebenfalls eine EU-Richtlinie für Traktoren (Klasse L) herangezogen wird, was den Herstellern bei der Entwicklung deutlich hilft. Unter diese Regelung fallen auch Blinker. Diese sind jedoch nur an mehrspurigen Rädern wie Liegerädern und Rädern mit Aufbauten, die ein Handzeichen verdecken, erlaubt. S-Pedelecs, die gesetzlich als Kleinkrafträder gelten, dürfen ebenfalls mit einem Blinker ausgestattet sein. Mehrspurige S-Pedelecs müssen als einzige Fahrradgattung aktuell einen Blinker haben. Den bislang einzigen StVZO-konformen Blinker bietet Liegeradhersteller HP Velotechnik mit dem "Wing Bling" (529 Euro) an. "Der Blinker wird bei uns nur an Elektrorädern verbaut. Man kann ihn auch nachrüsten - das haben viele bereits gerne gemacht", sagt Alexander Kraft von HP Velotechnik.
Fernlicht auf Knopfdruck
Ein weiterer wichtiger Faktor für die aktuellen Entwicklungen war die 2015 verabschiedete Richtlinie ISO 6742. Diese gibt internationale Standards für die Funktion von Fahrradbeleuchtung vor und ist ebenfalls in der StVZO erwähnt. Darin ist u. a. geregelt, wie ein Fernlicht für Radfahrer konzipiert werden soll. Diese Funktion steht aktuell insbesondere E-Bike-Fahrern zur Verfügung, da der E-Bike-Akku kurzfristig per Knopfdruck die erforderliche Power bringt, um mehr Leistung bereitzustellen. Gerade außerhalb von beleuchteten Straßen steht dem Radfahrer dann mehr Licht zur Verfügung. Außerdem profitieren Radfahrer mit Federgabel von der Funktion. Beim Einfedern wird der Lichtradius im Normalfall kleiner. Räder mit Fernlicht sind von den Auswirkungen weniger betroffen, da das Fernlicht das Sichtfeld nach oben vergrößert.
Sonderfall Deutschland
Trotz internationaler Vorgaben und Regelungen ist die deutsche Gesetzgebung ein Sonderfall. "Alle lichttechnischen Einrichtungen müssen in Deutschland eine Zulassung des Kraftfahrtbundesamtes haben. Diese sichert z. B. zu, dass die Hell-Dunkel-Grenze eingehalten wird und ein korrekt eingestellter Scheinwerfer nicht blenden kann", erklärt Sebastian Göttling. "Ausländische Hersteller arbeiten deshalb mit Hochdruck daran, die deutschen Vorgaben zu erfüllen, damit die Produkte auch im deutschen Straßenverkehr genutzt werden dürfen", weiß Daniel Gareus von Cosmic Sports, Vertriebspartner des australischen Lichtherstellers Knog. Die sogenannte K-Nummer brauchen sowohl Dynamo- als auch Akku-Lichter. Letztere sind bereits seit der vorangegangenen StVZO-Änderung von 2013 gesetzlich erlaubt. Bei E-Bikes darf die Lichtanlage deshalb aus dem Akku direkt gespeist werden, ohne dass ein weiterer Dynamo verpflichtend ist. Für Elektrofahrräder gibt es ab 2019 jedoch noch eine Sonderregelung: Bei leerem Akku muss eine Stromversorgung von mindestens zwei Stunden für die Beleuchtung gewährleistet sein. "Das erfüllen die meisten der standardmäßig verbauten Akkus jedoch problemlos", sagt Jasmin Schejbal von der Winora Group.
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