Oman - die starke weibliche Seite Arabiens
16.11.2020
Politik, Recht & Gesellschaft
Zainab Al-Mamari ist auf einem guten Weg - und der führt steil nach oben. Die 25-Jährige zählt zu den gut ausgebildeten und ehrgeizigen Frauen im Sultanat, die ihre Träume selbstbewusst leben und konsequent an ihrer beruflichen Karriere arbeiten. In ein paar Monaten hat sie ihren deutschen Bachelor-Abschluss im Studiengang "International Relations" an der ostbayerischen Hochschule Regensburg in der Tasche. "Als erste Frau meiner bestimmt 300-köpfigen Familie bin ich alleine zum Studium ins Ausland gegangen. Regensburg gefällt mir ausgesprochen gut. Es ist hier nicht so trubelig wie in einer Großstadt und es gibt jede Menge deutscher Kultur um mich herum", erklärt sie.
Zainab Al-Mamari hat bereits erste berufliche Erfahrungen im omanischen Außenministerium in der Hauptstadt Maskat gesammelt und war schon für das Sultanat in New York aktiv. "Mich lockt die weite Welt", sagt sie. "Die möchte ich nach meinem Studium erst einmal kennenlernen." Danach strebt sie eine diplomatische Karriere an.
Goldenes Jubiläum in 2020
Der 18. November ist Nationalfeiertag im Sonnenstaat auf der arabischen Halbinsel. In diesem Jahr feiert das Sultanat sein Goldenes Jubiläum, 50 Jahre modernes Oman. Für die rund 4,4 Millionen Omaner ist die Gleichberechtigung von Frauen und Männern heute genauso selbstverständlich wie das Recht auf Bildung oder kostenfreie Gesundheitsleistungen.
Dass das so ist, liegt am ehemaligen Sultan Qaboos bin Said. Der im Januar 2020 verstorbene Herrscher führte das Sultanat in fünf Jahrzehnten aus bitterer Armut heraus und entwickelte es zu einem wohlhabenden Staat. Schon bald nach seiner Machtübernahme im Jahr 1970 machte er klar, dass bei der Entwicklung des Landes die Frauen entscheidenden Einfluss haben. "Oman braucht den Mann und die Frau. Ein Vogel versucht ja auch nicht, mit nur einem Flügel zu fliegen", soll er seine Überzeugung bildlich formuliert haben. Sein Nachfolger, Sultan Haitham bin Tarik, führt diese Idee konsequent fort.
Die Gleichberechtigung beider Geschlechter ist im Grundgesetz Omans verankert. Frauen sind in allen Bereichen der Gesellschaft präsent - in der Armee genauso wie in öffentlichen Ämtern. Sie haben wichtige Führungspositionen in der Verwaltung und Unternehmen inne oder leiten als Chefinnen ihr eigenes Unternehmen. In 2018 hatten laut Regierungsangaben 75 Prozent der Unternehmen mindestens eine Frau im Management, 50 Prozent der Positionen im mittleren Management waren zur gleichen Zeit in weiblicher Hand. Im Kabinett 2020 gibt es drei Ministerinnen, die die beiden Ressorts Erziehung und Höhere Bildung sowie soziale Entwicklung verantworten. Zwei Botschafterinnen haben bislang ihr Land in Deutschland repräsentiert, Dr. Zainab Al Qasmiah (2009-2012) und Lyutha Sultan Al-Mughairy (2016-2019).
Neue Jobs für ehrgeizigen Nachwuchs
Zu den Power-Frauen Omans zählt auch Lubna Al Balushi. Die Projektmanagerin und Autorin schreibt in ihrer Freizeit wahlweise deutsche oder englische Gedichte. Ihre Tätigkeit bei einem Telekommunikationsunternehmen läuft bald aus. Deshalb sucht sie gerade eine neue berufliche Herausforderung, bei der sie ihre bisherigen Erfahrungen einsetzen und Neues dazu lernen kann. Aber das kann etwas dauern. "Für die vielen gut ausgebildeten Hochschulabsolventen sind einfach nicht genug Stellen da", sagt die 37-Jährige. "Oman braucht mehr ausländische Investoren, mit deren Hilfe neue Jobs entstehen."
Weiterkommen heißt für sie auch die Zusammenarbeit mit Netzwerken, in denen Frauen sich gegenseitig unterstützen. Dazu gehört zum Beispiel die Omani Women's Association, die landesweit aktiv ist. Gesundheit für die Familie, Unterstützung von Behinderten oder Vermittlung von Handwerkstechniken sind einige der vielfältigen Themen des Netzwerks. Praxisnahe Hilfe rund um Marketing, Finanzierung und Berichte aus der Praxis gab es speziell für weibliche Startups im diesjährigen digitalen Women Incubator.
Ob Frauen ihre Chancen wahrnehmen können, ermutigt oder eher in traditionelle Rolle gedrängt werden, hängt natürlich auch im Oman von ihrem Umfeld ab. "Meine Eltern haben mich bei meinen ehrgeizigen Ideen immer unterstützt und waren wie auch meine Geschwister in Zeiten von Arbeitslosigkeit für mich da", betont Lubna Al Balushi. "Bei sehr vielen meiner Freundinnen ist das ähnlich."
Egal was kommt - langweilen wird sich die aktive Omanerin auf jeden Fall auch in Zukunft nicht. Im Moment arbeitet sie an einem neuen Gedichtband "Language of heart" und hat eine anspruchsvolle Buch-Übersetzung auf dem Tisch.
Breites Bildungsangebot mit Jungs-Quote
Oman hat rund 40 Universitäten und Hochschulen. Die angesehensten sind die Sultan Qaboos University in der Hauptstadt, University of Nizwa, Muscat University College und A'Sharqiyah University in Ibra. Mehr als 50 Prozent der Studienplätze werden Oman-weit von jungen Frauen besetzt. An der GUTech (German University of Technology), die mit Unterstützung der RWTH Aachen in 2007 gegründet wurde, sind es sogar 80 Prozent.
Der Wissensdurst der Mädchen geht so weit, dass es an der staatlichen Al-Qaboos-Universität inzwischen sogar eine Jungs-Quote gibt. Sonst würde die Zahl der weiblichen Studierenden die der männlichen deutlich überholen. Noch sind die Studiengänge sehr technisch und wirtschaftlich orientiert. "Psychologie, Journalismus oder Sprachen - bei solchen Studiengängen, für die sich viele Frauen interessieren, gibt es noch Entwicklungsbedarf. Hier bleibt oft nur der Weg ins Ausland", so Lubna Al Balushi.
Wer sich beruflich ausprobieren möchte, hat in der Regel erst einmal nicht die Gründung einer eigenen Familie im Sinn. So lässt sich der weibliche Hunger nach Wissen und Karriere auch an der Geburtenrate ablesen. Seit 2008 nimmt diese kontinuierlich leicht ab. In 2008 lag die Geburtenrate laut Statistikportal statista pro 1000 Einwohner bei 21,76 Prozent, 2018 bei 19,19 Prozent.
Bildung ist heute selbstverständlich. "Nicht nur in der pulsierenden Hauptstadt-Region Muscat ist es für junge Frauen selbstverständlich zu studieren", erklärt Zainab Al Mamari. "Auch in den kleinen, eher konservativen Orten glänzen Mädchen durch gute Noten und wollen sich weiterbilden. Es ist eher die Ausnahme, wenn ein Mädchen nach der Schule sofort an eigenen Nachwuchs und Familiengründung denkt."
Multitasking - eine besondere Stärke der omanischen Frau
Multitasking ist vielleicht eine der größten Stärken der omanischen Frau. Beruf und Familie gleichermaßen unter einen Hut zu bekommen, erfordert natürlich auch im Oman eine gute Portion Organisationstalent. Das Ganze ist aber deutlich weniger stressbesetzt als in Deutschland. Das Los vieler Alleinerziehender bei uns, den Nachwuchs und die eigene Karriere unter größer Kraftanstrengung im Selbstmanagement zu stemmen, gibt es so im Sonnenland Oman nicht. Der traditionell starke Familienzusammenhalt macht berufstätigen Frau vieles leichter und ermöglicht es in so manchem Fall auch, das Leben auf drei Säulen zu stellen - morgens eine halbe Stelle beim Staat absolvieren, nachmittags das eigene Unternehmen nach vorn bringen und parallel werden die eigenen Kindern groß gezogen.
Anlässlich des 2009 eingeführten nationalen Frauentages im Oman am 17. Oktober wurden von der First Lady des Sultanats, Ahad Bint Abdullah, in diesem Jahr 50 Frauen für ihre Verdienste geehrt. Lubna Al Balushi: "Das zeigt die hohe offizielle Wertschätzung gegenüber den Leistungen der Frauen. Das macht mich persönlich sehr stolz."
Warum Frauen so viele Chancen haben, von denen in anderen arabischen Ländern nur geträumt wird? Ein Grund liegt sicher im toleranten Selbstverständnis der Gesellschaft begründet. Für Zainab Al-Mamari sind auch persönliche Qualitäten ausschlaggebend für den Erfolgskurs: "Frauen sind in vielen Fällen einfach sehr aufmerksam und organisationsstark. Aufgaben erledigen sie in der Regel gewissenhaft und zielorientiert." Die junge Diplomatin in spe fügt mit einem Lächeln hinzu: "Wenn meine Mutter früher wollte, dass etwas umgesetzt wurde, hat sie immer gesagt - ‚Zainab übernimm du das'."
Weitere Zahlen Oman
(Quelle: Statistikportal statista)
Lebenserwartung (in 2018): 77,63 Jahre (Frauen 80,13 Jahre, Männer 75,89)
Durchschnittsalter: 2020 - 30,6 Jahre; 2050 - 38,4 Jahre
Weibliche CEOs in Unternehmen (in 2017): 5 Prozent
Anteil weibliche Beschäftigte (in 2016): Gesundheit / Medizin 50 Prozent; Wirtschaft / Handel 44 Prozent; Ingenieurwesen 21 Prozent
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