Wo ist der Verbraucherschutz für die Senioren und jungen PKW-Halter?
13.07.2021
Politik, Recht & Gesellschaft
In Deutschland werden zirka 1,1 Mill. junge Pkw-Halter unter 25 Jahren und 10,3 Mill. über 65 Jahren unwissentlich ohne Grund und Anlass mit einem deutlichen Zuschlag von der KFZ-Assekuranz bedacht, was einen eindeutigen Nachteil im Verbraucherschutz darstellt. Die Versicherungswirtschaft nutzt seit vielen Jahren offensichtlich eine Gesetzeslücke im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) mehr oder minder zu ihren finanziellen Gunsten aus.
Der Alterszuschlag wird regelmäßig bei Vertragsneuabschlüssen oder -änderungen erhoben. Ein Hinweis der Versicherer dazu an ihre Kunden erfolgt nach den bisherigen Erfahrungen nicht.
Festzustellen war, dass die unabhängigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes und des Kraftfahrtbundesamtes zu den Unfällen der Personen über 65 Jahren zu erheblichen Zweifel Anlass geben, ob die hohen Zuschläge der KFZ-Versicherer für Senioren tatsächlich begründet sind.
Der verdeckte Prämienzuschlag für KFZ-Halter wurde von der Rechtsprechung nicht im Sinne des Verbraucherschutzes ausgefüllt. Es fehlt an den fehlenden Klarstellungen zu den gesetzlichen Vorschriften, was die Versicherungswirtschaft seit Jahren schamlos ausnutzt.
Die finanzielle Dimension des anlasslosen Alterszuschlages zur KFZ-Versicherung zum Nachteil der Senioren konnte überschlägig berechnet werden. Der Alterszuschlag welcher nur die Generation 65+ betrifft, beträgt im Jahr geschätzt etwa 600 Millionen Euro. Die Kartell-Statistiker nennen so etwas Streuschäden und tatsächlich sind es ungerechtfertigte Streugewinne, die über die KFZ-Prämie von der KFZ-Assekuranz zusätzlich eingesammelt werden, weil die unzulänglichen gesetzlichen Regelungen nicht nachgebessert worden sind.
Das zuständige Finanzministerium, die BaFin) und andere haben die finanzielle Benachteiligung der jungen KFZ-Halter bis 25 Jahren und Senioren ab 65 Jahren und damit die Diskriminierung bisher nicht aufmerksam genug zur Kenntnis genommen, bzw. haben es sogar in diversen Fällen ausdrücklich bestritten. Ein kritisches Hinterfragen erfolgte trotz Hinweise zum Problem durch die Verantwortlichen nicht, wie die Beschwerdeführer leidvoll erfahren mussten.
Aktuare im Versicherungswesen befassen sich mit den Grundlagen mathematischer-statistischer Methoden der Versicherungsmathematik bei der Modellierung, Bewertung und Steuerung von Risiken für ihre Auftraggeber, der KFZ-Versicherer, damit die Prämien der Versicherer nicht nur die Schäden, Betriebskosten usw. abdecken, sondern auch die Gewinnmargen der Gesellschaften umfassen. Die berechtigten Interessen der Verbraucher sind bei den Mitarbeitern der KFZ-Versicherer naturgemäß nicht relevant, weil sie keine Verbraucherschützer sind und die BaFin hat nicht ausreichend geprüft.
Im Übrigen bedarf es keiner besonderen mathematischen Kenntnisse, ob Zuschläge zur KFZ-Versicherung zum Nachteil der Generation 65+ ohne tatsächliche Gründe und Anlass mehr oder minder verdeckt abgeschöpft werden. Eine schlichte Gegenüberstellung bei gleichen Angaben reicht aus. Bei einem Vergleich mit Hilfe der Vergleichsportale nach Eingabe mit einem Alter über 65 Jahren sowie im zweiten Schritt eines Datums unter 65 Jahren, war - bei sonst gleichen Angaben - der Prämienunterschied erheblich und reichte bei 65 Jahren von 6 Prozent bis über 100 Prozent bei über 80jährigen, obwohl diese 30 Jahre und länger unfallfrei im öffentlichen Straßenverkehr unterwegs waren.
Nach Auffassung des Petitionsausschusses und des Beschlusses des Deutschen Bundestages sollen die KFZ-Versicherer zukünftig Ihre Tarife so kalkulieren müssen, dass es nicht mehr zu Altersdiskriminierungen kommt. Dieser Aufforderung kam das BMF und BaFin nicht nach, sondern bestritten eine Altersdiskriminierung.
Von der Politik kam dann der Hinweis, dass Kunden der KFZ-Versicherer aus einer Vielzahl von Angeboten wählen und sich für das Günstigste entscheiden können. In Deutschland sind gibt es ca. 88 zugelassene Kfz-Versicherer, wie vom Gesamtverband der Versicherer (GDV) ausgewiesen worden sind. Von einer besonderen Vielzahl von Versicherern kann man wohl nicht sprechen, zumal der Kunde europaweit keinen Vertrag abschließen kann, soweit keine Zulassung für Deutschland vorliegt.
Die KFZ-Versicherung mit den ausgewiesenen Tarifen ist in der Tat hochdifferenziert, ob diese Auflösung verbrauchergerecht ist oder nur der Verwirrung, bzw. Täuschung, der Kunden dient, ist bei der jetzigen Praxis eher anzunehmen.
Bei einem verschuldeten Verkehrsunfall wird der KFZ-Halter automatisch zurückgestuft und benötigt Jahre, um den vorherigen Stand wieder zu erreichen. Insofern fragt sich der Verbraucher, warum werden dann Zuschläge zur Prämie notwendig? Sogenannte "Rabattretter" helfen auch nicht, denn bei einem Versicherungswechsel wird der "gerettete Unfall" ebenfalls dem neuen Versicherer gemeldet und der Versicherungsnehmer verschlechtert sich weiter.
Die Jahresgemeinschaftsstatistiken (JGS) der GDV zeigen seit 2015 stets in etwa das gleiche Ergebnis für die jungen und älteren Kfz-Halter. Die Schadensfälle und Schadenskosten passen nicht zu den diskriminierenden Zuschlägen der Versicherer.
Zu betrachten und zu vergleichen ist hier die homogene Gruppe von etwa 47,1 Millionen PKW-Halter (KBA) im Verhältnis zu der Teilmenge am Beispiel der ca. 10 Millionen Senioren ab 65 Jahren als PKW-Halter, die bei langjährigen unfallfreien Versicherungsverläufen von über 30 Jahren mit Zuschlägen bis ca. 100 % zur Vergleichsprämie unter 60 Jahren zur KFZ-Versicherung ohne nachgewiesenen Grund und/oder Anlass belegt werden.
Zwischen beiden vorgenannten Gruppen gibt es nach den bisherigen Erkenntnissen keine Unterschiede von solcher Art und Gewicht, die eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Alle fahren einen PKW. Die Risiken und Wagnisse der Versicherungswirtschaft ergeben sich aus über 40 Einzel-Wagnissen, also mit dem Risiko des Betriebes von PKW's, LKW's, Kräder, Bussen usw. im öffentlichen Straßenverkehr. Alle Personenkraftwagen gehören zu der Wagnisart 112 PKW der KFZ-Versicherer mit der die Gefahren und der Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr für die KFZ-Halter einheitlich erfasst sind und bilden somit eine gleichartige homogene Risikogruppe. Das entspricht dem Versicherungsprinzip der "großen Masse".
Innerhalb der Wagnisgruppe 112 (Risikogruppe)werden junge und alte Autofahrer mit PKW zu Unrecht als Risiko eingestuft. Das Risiko verteilt sich innerhalb der Gruppe auf etwa 47 Millionen PKW-Halter. Ein Beispiel: Die Hauptbeschuldigten PKW-Fahrer als Hauptverursacher an Unfällen mit Personenschaden (Lt. Stat. Bundesamt) sind am Risiko der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr lediglich mit ca. 0,076 % vertreten. Alle anderen Altersgruppen liegen höher.
Ein Gleichheitsgrundsatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Sache ergebender Grund für die Erhebung des Alterszuschlages für PKW-Halter unter 25 Jahren oder ab 65 Jahren nicht finden lässt. Einen einleuchtenden Grund für die Erhebung der Zusatzprämie haben die Versicherer bis heute den Verbrauchern nicht schlüssig erklären können. Insofern kann der Alterszuschlag so lange als willkürlich bezeichnet werden und dient offensichtlich der Gewinnmaximierung der KFZ-Versicherer. Es ist also unverkennbar ungerecht, wenn zusätzliche Aufschläge auf die KFZ-Prämie bei geringerem, bzw. gleichem, Risiko erhoben werden.
Von einer fairen, korrekten und angemessenen Risikoberechnung durch die KFZ-Versicherer kann trotz gegenteiliger Aussagen der GDV gegenüber den Versicherungsnehmern unter 25 Jahren und über 60 Jahren keine Rede sein. Es handelt sich im Ergebnis um Altersdiskriminierung im großen Stil, die auch nicht durch das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) gestützt werden kann.
Die Aussage der KFZ-Versicherer die jungen und die alten KFZ-Halter sind die Hauptverursacher von Unfällen mit den meisten Schadenssummen kann zweifelsfrei widerlegt werden, wie die eigenen Statistiken des GDV zeigen. Hinzu kommen relevante Statistiken des Statistischen Bundesamtes, Kraftfahrtbundesamtes sowie diverse andere Veröffentlichungen, welche die Behauptungen der Versicherer nicht stützen können. In diesem Prüfungspunkt hat das Bundesfinanzministerium unter Minister Olaf Scholz sowie die BaFin gründlich zum Nachteil der Verbraucher versagt.
Eine tatsächliche Grundlage zur Erhebung von Alterszuschlägen zur KFZ-Versicherung kann nach den bisherigen Ergebnissen nicht gesehen werden, welche auf den anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruhen (§ 20 Abs. 2, Satz 2, Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)).
Der Gesetzgeber hat schon einmal eingegriffen und hat den Unisextarif für Frauen und Männer zur Pflicht gemacht. Da die KFZ-Versicherer sich bisher hinsichtlich der Altersdiskriminierung nicht bewegt haben, ist eine gesetzliche Regelung für die KFZ-Versicherung überfällig.
Die Erhebung des Alterszuschlages in der KFZ-Versicherung muss aus den vorgenannten Gründen als unangemessen, überraschend, systematisch sowie diskriminierend angesehen werden.
Mit einer Petition aus dem Jahre 2015 konnte ein Teilerfolg im Streit der KFZ-Prämien mit den Zuschlägen zur KFZ-Prämie ab ca. 65 Jahren bis zu ca. 100 % bei unfallfreiem Verlauf erreicht werden. Der Deutsche Bundestag hat in der Sitzung am 21. Februar 2019 der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (BT-Drucksache 19/7759) zugestimmt. Besonders ist hervorzuheben, dass der Petitionsausschuss von der Bundesregierung gesetzliche Regelungen forderte, so dass die Risikobewertungen der Versicherten auf unabhängigen Daten basieren und nicht wie bisher nach der Auswahl der KFZ-Versicherer. Diese Petition wurde nach Eingaben von Betroffenen bisher nicht abgeschlossen.
Das Finanzministerium (BMF) hat die Aufsicht über die BaFin. Wenn Frau Sarah Ryglewski als parlamentarische Staatssekretärin aus der politischen Führung des Ministeriums mitteilt, dass sie proaktiv für den Verbraucherschutz ist, kann das für den Verbraucherschutz der Senioren und jüngeren Kfz-Halter nicht bestätigt werden. Ihre Ausführungen als Mitglied der Bundesregierung zu dem Prüfergebnis der Bafin hinsichtlich der Altersdiskriminierung in der Kfz-Versicherung liest sich wie ein Freifahrtschein der Bundesregierung für die Kfz-Versicherer zum Ausnehmen der Jüngeren und Älteren.
Die BaFin hat die gesetzliche Verpflichtung den Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen zu wahren, was seit 1984 bis heute zu Lasten der 10 Millionen älteren KFZ-Halter und etwa 1,3 Mill. jüngere Kfz-Halter bis 25 Jahren nicht einwandfrei erfolgte. Senioren müssen trotz unfallfreien Verlaufs von 30 Jahren und mehr verdeckte Zuschläge bis über 100 Prozent zahlen, die in Kenntnis der Faktenlage nicht zu leisten wären.
Die Bundesregierung bleibt aufgefordert, dass nicht in geheimen tagenden Ausschüssen Tarife zum Schaden der Verbraucher entwickelt werden. In einem unabhängigen Beirat mit neutralen Mathematikern, Juristen, Verbraucherschützern müssen die vorgeschlagenen Tarife eingehend und rechtlich geprüft werden, damit die jungen und älteren KFZ-Halter nicht weiter diskriminiert werden.
Die BaFin hat ihre gesetzliche Aufgabe des kollektiven Verbraucherschutzes hinsichtlich der Altersdiskriminierung der jüngeren und älteren PKW-Halter seit Jahren verfehlt. Hier ist eine Änderung dringend überfällig.
Herr Rainer Schäffer
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