Das alte Lied von der steuerfinanzierten Rente zur Aktion: In der Rente seht Ihr ganz schön alt aus
03.11.2021
Politik, Recht & Gesellschaft
Derzeit schwingen sich Sozial-Wissenschaftler wieder auf, bei einer dringend notwendigen Rentenreform die altbekannte Leier anzustimmen: Rentenniveau senken und Renteneintrittsalter erhöhen, denn die Rente sei sonst nicht zu finanzieren und würde ein Vergehen an den nächsten Generationen darstellen. Der DVG - Verein der Direktversicherungsgeschädigten spricht sich gegen diese Maßnahmen aus - ähnlich übrigens wie die künftigen Koalitionäre - und pocht gleichzeitig auf einen sofortigen Stopp der Doppelverbeitragung.
Grundlage ist ein Bericht der Professoren Börsch-Supan, Friedrich Breyer und Klaus M. Schmidt, die in der Rentenkommission der Bundesregierung sitzen und jüngst ihre Erkenntnisse in der Süddeutschen Zeitung veröffentlich haben und versuchen, den Demographischen Wandel zu beschreiben. In einer Bevölkerung, die zunehmend älter wird (der medizinischen Versorgung sei Dank) und in der es immer mehr Rentenbezieher geben werde, gäbe es immer weniger junge Menschen, die die Rentner versorgen könnten - der so genannte Generationenvertrag des Rentensystems gerate aus den Fugen, das heiße: Rentenniveau senken, Renteneintrittsalter erhöhen und Arbeitswillige über 67 Jahre einfach weiterarbeiten lassen. "Wer so simpel rechnet, ist in einem bestimmten Lager der Sozialwissenschaft wohl am besten aufgehoben, hat mit Volkswirtschaft nichts am Hut und begeht gleichzeitig ein Vergehen gegen den Grundsatz der Gerechtigkeit in unserem Land - das muss man einmal so drastisch benennen", sagt Reiner Kort, stv. Bundesvorsitzender des DVG.
Punkt 1 Falsche Berechnung
Die sognannten Renten-Experten berechnen, dass der deutsche Staat jährlich mit rund 100 Mrd. Euro ein Drittel des Bundeshaushalts als Zuschuss in die Rentenkasse einzahlt - im Jahr 2045 würde dies sogar mit 54 % über die Hälfte des Haushaltes umfassen.
Der Bundeshaushalt für 2021 beträgt aber nach vorläufigen Angaben 498,62 Milliarden Euro, wobei ein Drittel davon einfach keine 100 Mrd. Euro. sind. "Wer die Grundrechenarten nicht beherrscht, macht sich schon allein deswegen unglaubwürdig", so Korth.
Demographischer Wandel: Ja, es gibt mehr Menschen im Rentenalter, die statistisch immer älter werden und damit länger Rente beziehen. Allerdings gibt es auch immer mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte also Einzahler in die Rentenversicherung - derzeit übrigens rund 33,3 Millionen von insgesamt 45 Millionen Erwerbstätigen. Auch unsere Bevölkerung wächst von Jahr zu Jahr, in 2020 auf nunmehr 83,24 Millionen Menschen.
Und weiter: Der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung ist von 15 % in 1977 auf 22 % in 2020 gestiegen, aber die Rentenausgaben zum BIP (Bruttoinlandsprodukt) liegen seit 1977 konstant bei ca. 10 %, so der DVG.
Punkt 2 Fremdleistungen in der Rente - von den Rentenbeitragszahlern finanziert
Die Rentenversicherungsfremden Leistungen schießen ins Kraut, hätten aber unter dem Dach der normalen Rentenkasse gar nichts zu suchen - oder man muss sie klar benennen und bezahlen. 2019 wurden 109 Milliarden Euro für sogenannte versicherungsfremde Leistungen aus der Rentenkasse entwendet. Der Gesetzgeber beschließt diese Leistungen, die der Sozialversicherungsträger zu zahlen hat, für die aber niemand Beiträge entrichtet, zum Beispiel für die Mütterrente (14 Mrd. Euro), Rente mit 63 (12 Mrd. Euro), nach wie vor für den West-Ost-Transfer (30 Mrd.), Fremdrentengesetz (6 Mrd.), usw.
"Das wäre mehr als genug, um heutigen und künftigen Rentnern eine anständige Altersversorgung zu ermöglichen", sagt Ingrid Wulff, DVG-Vorstandsmitglied, "nicht viel besser sieht es übrigens in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aus."
Auch in der GKV müssten gesetzlich Versicherte versicherungsfremde Leistungen schultern, laut Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands der GKV, Dr. Doris Pfeiffer, in einer Aussage vom Frühsommer dieses Jahres zum Beispiel eine Unterdeckung von rund 10 Mrd. Euro für die Krankenversicherung der ALG-II-Empfänger. "Allein die Direktversicherungsgeschädigten zahlen pro Jahr rund 2 Milliarden Euro an GKV-Beiträgen, die wir auf unsere Verträge eigentlich schon zu unserer Lebensarbeitszeit entrichtet haben - welch ein Skandal", unterstreicht Ingrid Wulff, "diese Ungerechtigkeit muss sofort gestoppt werden."
Punkt 3 Schluss mit dem Zweiklassensystem
Wenig beliebt - und hier unterscheidet sich der DVG von den Koalitionären - dass es eine gemeinsames Rentensystem für Angestellte, Beamte und Selbstständige geben müsste. Denn laut Statista.com hat der deutsche Staat im Jahr 2020 nach vorläufigen Angaben 75,67 Milliarden Euro für Pensionen ausgegeben - Tendenz stark steigend, alle fünf Jahre steigen die Ausgaben um insg. 10 Mrd. Euro.
Im Jahr 1991 lagen die Pensions-Ausgaben noch bei 18,6 Mrd. Euro, 2005 bereits bei 44,02 Mrd. Euro. "Hier lauert die eigentliche Zeitbombe, denn hier steigt der Zuschuss für die Pensionen unaufhörlich - und der überwiegende Teil ist von den Arbeitern und Angestellten aufzubringen und natürlich nicht von den erwähnten Professoren mit ihren Pensionsansprüchen", so Dr. Thomas Hintsch, DVG-Vorstandsmitglied, "vielleicht liegt ja hier der Hase im Pfeffer, warum manche bei der Rente so einseitig argumentieren?"
Dr. Thomas Hintsch: "Übrigens, es schlummern derzeit noch rund 100 Mrd. Euro in so genannten Schatten-Haushalten des Bundes, weil die Steuereinnahmen in den vergangenen Jahren erfreulich hoch waren, das Geld aber nicht mit entsprechenden Zielvorgaben verortet werden konnte." Das Argument, der Staat hätte kein Geld, stimme schlicht und ergreifend nicht. Vielleicht wolle man vielmehr die Wünsche der Bevölkerung und mancher Interessenvertretungen nicht ins Kraut schießen lassen, deshalb solle lieber Schmalhans weiter Küchenchef bleiben. "Für ein sofortiges Ende der Doppelverbeitragung würde es allemal reichen - und für eine angemessen Entschädigung noch dazu", führt Hintsch aus. Über eine zum Teil aktienorientierte Anlageform als einen weiteren Part der Rentenversicherung, wie sie vor allem die FDP vorschlägt, sind sicherlich auch ein guter Ansatz, so der DVG.
Und an die Koalitionäre gerichtet: "Die CDU/CSU kann ein Lied davon singen, was es heißt, abgestraft zu werden, wenn man wie in unserem Fall 12,5 Millionen Direktversicherungsgeschädigte und Betriebsrentner quasi ignorieren", so Hintsch. Denn was in dieser ganzen Debatte um steuerfinanzierte Renten oder Bundeszuschüsse an die Sozialkassen immer gerne unterschlagen werde, so der DVG: Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer sind auch Steuerzahler!
Als Erwerbstätige entrichten sie brav ihre Beiträge an die Rentenversicherung, schultern damit die durch den Bund unzureichend finanzierten gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, müssen hilflos zusehen, wie ihre Renten dahinschmelzen und sich schließlich von gut versorgten Professoren und Politikern vorhalten lassen, sie müssten länger arbeiten oder Kürzungen ihrer Altersbezüge hinnehmen.
Nächste DVG-Aktionen:
"In der Rente seht auch ihr ganz schön alt aus"
Der DVG zeigt Flagge - und will mit einer Aktion zu den Koalitionsgesprächen auf sich und seine Forderungen aufmerksam machen. Mit Plakaten und Transparenten warten DVGler am 10. November 2021 auf die Verhandler in Berlin.
"Wir sind viele, wir sind laut, weil ihr uns die Rente klaut", war der Slogan der bisherigen Demos des Direktversicherungsgeschädigten Vereins (DVG). Dieses Mal erinnert der DVG die Politiker, die den Koalitionsvertrag aushandeln, an die Forderungen des DVG, sprich daran, die Voll- und Doppelverbeitragung von Direktversicherungen abzuschaffen - und das mit einem leisen Transparent, um die Koalitionsverhandlungen nicht zu stören, aber laut in der Sache.
Geplant ist: Eine Abordnung des DVG ist in Berlin vor Ort, am Mittwoch, 10. November 2021 um 10.00 Uhr bis voraussichtlich 12.30 Uhr auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor - ggf. mit Kurzbesuch einiger Teilnehmer der Parteien der Koalitionsverhandlungen.
Grafik/Animation: Das Transparent mit den "alten" Konterfeis der Koalitionäre: "In der Rente seht Ihr ganz schön alt aus."
Quelle: DVG - Direktversicherungsgeschädigte - Andreas Müller (nur wenn nötig)
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