Betriebsratswahl - aktives Wahlrecht von Führungskräften in mehreren Betrieben bei einer unternehmensinternen Matrix-Struktur
05.07.2025 / ID: 430227
Politik, Recht & Gesellschaft

Das gilt auch für Führungskräfte in Unternehmen mit einer unternehmensinternen Matrix-Struktur.
(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22. Mai 2025 - 7 ABR 28/24; Leitsatz der Pressemitteilung) sowie LAG Hessen, Beschluss vom 22. Januar 2024 - 16 TaBV 98/23)
Die Arbeitgeberin erbringt Dienstleistungen und vertreibt Produkte an verschiedenen Standorten. Im Unternehmen sind fünf Organisationseinheiten - u.a. der Betrieb Region Süd - gebildet, in denen jeweils ein Betriebsrat gewählt wird. Die Erledigung der Arbeitsaufgaben im Unternehmen der Arbeitgeberin gliedert sich in verschiedene Bereiche, in denen Arbeitnehmer*innen aus verschiedenen Organisationseinheiten in Teams zusammenarbeiten. Sie werden von sog. Matrix-Führungskräften, die keine leitenden Angestellten sind, geführt (unternehmensinterne Matrix-Struktur). Bei der Wahl des Betriebsrats im Betrieb Region Süd im Jahr 2022 hat der dortige Wahlvorstand auch diejenigen Matrix-Führungskräfte als wahlberechtigt angesehen und auf die Wählerliste gesetzt, die Vorgesetzte der dem Betrieb Region Süd angehörenden Arbeitnehmer*innen sind.
Die Arbeitgeberin hat die Wahl angefochten und dies darauf gestützt, dass die Führungskräfte nicht wahlberechtigt seien, weil sie dem Betrieb Region Süd nicht angehörten. Die Matrix-Führungskräfte seien bereits einem der vier anderen Betriebe zugeordnet und damit ausschließlich dort wahlberechtigt; eine Mehrfach-Wahlberechtigung scheide aus. Das LAG Baden-Württemberg hat sich der zuletzt genannten Argumentation angeschlossen und die Wahl für unwirksam erklärt. Da es mit dieser Entscheidung von einem Beschluss des LAG Hessen (vom 22.01.2024 - 16 TaBV 98/23) in einem vergleichbar gelagerten Sachverhalt abwich, wurde die Rechtsbeschwerde zugelassen, die beim BAG Erfolg hatte.
In der bislang lediglich vorliegenden Pressemitteilung knüpft das BAG zunächst an die für die aktive Wahlberechtigung entscheidende Regelung des § 7 Satz 1 BetrVG an, nach der alle Arbeitnehmer*innen eines Betriebs wahlberechtigt sind, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Satz 1 dieser Vorschrift ist dahingehend zu verstehen, dass die Arbeitnehmer*innen zum Betriebsinhaber in einem Arbeitsverhältnis stehen und von ihm innerhalb der betrieblichen Organisation zur Erfüllung des Betriebszwecks eingesetzt werden. Damit setzt die Wahlberechtigung die Zugehörigkeit des/der Beschäftigten zum Betrieb voraus, welche durch die Eingliederung in die Betriebsorganisation begründet wird. Der Umstand, dass ein*e Arbeitnehmer*in bereits in einem Betrieb eingegliedert und damit in diesem wahlberechtigt ist, steht der Wahlberechtigung in einem weiteren Betrieb nicht entgegen. Es ist möglich, in mehreren Betrieben wahlberechtigt zu sein.
Entscheidend kommt es auf das Ausmaß der Eingliederung an. In dem oben genannten Beschluss des LAG Hessen wurde dazu ausgeführt, dass typischerweise von einer Eingliederung auszugehen ist, wenn die (Matrix-)Führungskraft zur Durchführung der ihr obliegenden Aufgaben mit den im Betrieb tätigen Arbeitnehmer*innen regelmäßig zusammenarbeiten muss und damit ihre fachlichen Weisungsbefugnisse auch tatsächlich wahrnimmt. Hingegen ist für die Annahme einer Eingliederung weder zwingend erforderlich, dass die Führungskraft ihre Tätigkeit auf dem Betriebsgelände oder innerhalb der Betriebsräume verrichtet, noch muss sie in einem bestimmten zeitlichen Mindestumfang "vor Ort" sein. Auch wenn die Matrix-Führungskraft nur gelegentlich vor Ort in dem Einsatzbetrieb der ihm nachgeordneten Mitarbeiter ist oder Führungsaufgaben im Wesentlichen per Videokonferenz wahrnimmt, kann sie dort von mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten des § 87 Abs. 1 BetrVG betroffen sein, z.B. durch Regelungen zu Ordnung und Verhalten im Betrieb (Nr. 1) oder zur Arbeitszeit (Nr. 2) sowie zum Gesundheitsschutz (Nr. 7).
Fazit:
Das BAG hat damit eine Frage entschieden, die von enormer Relevanz für die anstehenden regulären Betriebsratswahlen ist. Der Wahlvorstand sollte bei der Anforderung der Unterlagen zur Erstellung der Wählerliste unbedingt auch die für die Wahl erforderlichen Daten der Beschäftigten anfragen, die als Matrix-Führungskräfte aus einem anderen Betrieb eingesetzt werden und für sich sodann prüfen, ob diese Führungskräfte nach den oben dargestellten Kriterien in einem ausreichenden Maß in den Betrieb eingegliedert sind.
Alle Fragen sind mit dieser Entscheidung allerdings noch nicht abschließend geklärt. Denn dem Sachverhalt lag eine Matrix-Struktur innerhalb eines Unternehmens zugrunde. Das heißt, alle Beschäftigten standen in einem Arbeitsverhältnis zu ein- und demselben Arbeitgeber. Offen ist noch die vielfach auftretende Sachverhaltsgestaltung, wenn die (Matrix-)Führungskräfte - zum Beispiel in Konzernstrukturen - einem anderen Unternehmen angehören. Hier spricht viel dafür, dass über § 7 Satz 2 BetrVG, der dies abdecken könnte, ein aktives Wahlrecht auch im Betrieb eines anderen Unternehmens bestehen könnte. Ebenfalls ungeklärt bleibt die Auswirkung auf das passive Wahlrecht.
Sigrid Britschgi, Fachanwältin für Arbeitsrecht,
Anwaltsbüro* Windirsch, Britschgi & Wilden
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