Neubau eines Fußballstadions in Oldenburg ist nicht zu empfehlen
03.04.2023
Sport & Events
Experte entlarvt Argumentation zum Neubau als durchgängig unhaltbar
Oldenburg. Die Bürgerinitiative Stadionbau, die sich gegen den geplanten Neubau eines Stadions für den Profifußball im Stadtteil Donnerschwee ausspricht, legte am Montag (03. 4. 2023) eine umfangreiche Stellungnahme des Wissenschaftlers vor, in der er sich detailliert mit der Argumentation für einen Stadionneubau auseinandersetzt. "Wir sehen uns durch die Expertenmeinung von Prof. Dr. Jürgen Schwark in unserer Kritik an den Neubauplänen voll und ganz bestätigt", sagt Klaas Brümann als einer der Sprecher der BI. Der Experte entlarve die Argumentation der Stadtverwaltung und insbesondere von Oberbürgermeister Jürgen Krogmann zum Projekt als durchgängig unhaltbar.
Schwark zweifelt unter anderem an der Tragfähigkeit der von der Stadtverwaltung beim Planungsbüro Albert Speer und Partner (AS+P) beauftragten Machbarkeitsstudie zum Stadionneubau. Studien aus dem Kontext der Beraterbranche stünden unter dem Verdacht, Bewertungen "zugunsten eines vom Auftraggeber vorab erwarteten Ergebnisses zu steuern", stellt der Experte fest und verweist darauf, dass AS+P in ihrer Studie beispielsweise völlig überhöhte Zahlen zu den Konsumausgaben der Zuschauer ausgewiesen haben. Eine Untersuchung der Universität Mainz habe gezeigt, dass die behaupteten Verzehrmengen pro Besucher ("zwei Bier, ein Wasser und zwei Bratwürste") völlig unrealistisch seien. Die Stadt hatte die überhöhten Zahlen präsentiert, die zur Refinanzierung der Bau- und Unterhaltungskosten des Stadions beitragen sollen.
Entgegen der in der AS+P- Machbarkeitsstudie ebenfalls suggerierten Annahme seien steigende Zuschauerzahlen und erhöhte Ausgabenbereitschaft durch einen Stadionneubau keine zusätzlich entstehende Kaufkraft. Schwark verweist darauf, dass es stattdessen zu Kaufkraftverlagerungen kommen werde und andere Bereiche des Sport, der Kultur und der Gastronomie mit Verlusten rechnen müssten. So werden nach seiner Ansicht Verdrängungseffekte etwa beim Basketball und Handball entstehen, die bisher auch funktionierende Strukturen zum Beispiel beim Sponsoring beschädigen können. Darauf hatten bereits die EWE-Baskets Oldenburg in ihrer Kritik am geplanten Stadionbau in der direkten Nachbarschaft ihrer Spielstätte an der Maastrichter Straße verwiesen.
Außerdem habe ambitionierter Leistungssport als Dritt- oder Viert-Ligafußball keinerlei Einfluss auf Standortentscheidungen von Unternehmen und Beschäftigten. Dennoch werde laut Schwark in politischen Debatten ohne nachvollziehbare Belege häufig ein Zusammenhang zwischen Standortwahl und Profifußball konstruiert. "Keine Standortentscheidung, weder von einem Unternehmen, noch von einem Beschäftigten, wird danach getroffen, ob in einer Kommune Regionalliga- oder Dritt-Liga-Fußball gespielt wird und ob das Stadion beispielsweise Sitzschalen oder Videoleinwände hat", heißt es dazu in der Stellungnahme.
Auch seien die Einflüsse auf die Imagebildung der Stadt und die integrative Wirkung von Profifußball eher zweifelhaft, so Schwark.
Schließlich kritisiert der Wissenschaftler außerdem die mangelhafte Beteiligung der Öffentlichkeit an dem Projekt. Der Grad an gelebter Demokratie erweise sich insbesondere dadurch, dass Partizipation nicht lediglich das Anhören und notfalls das Wegmoderieren von Kritik bedeutet: "Vielmehr sollten auf Basis begründeter Sachargumente ergebnisoffene Entscheidungen getroffen werden."
Scharf ins Gericht geht Schwark mit der von der Stadtverwaltung vorgelegten Kostenschätzung von etwa 34 Millionen Euro für den Neubau und zitiert zwei Beispiele aus Karlsruhe und Saarbrücken, wo sich die Kostensteigerungen inzwischen wie die "Ziehung der Lottozahlen" lesen würden: 16 - 20 - 28 - 40 - 46 - 49 Millionen Euro. Es sei fast immer der gleiche Vorgang, schreibt Schwark in einem Zitat: "Die Anfangszahlen werden so geschönt, dass ein In-Gang-Setzen des Projektes möglich wird." Danach würden die zuvor präsentierten Schätzungen regelmäßig massiv überschritten. Die aufzubringenden finanziellen Mittel seien allerdings in anderen Projekten besser geeignet, um zu einem "höheren Gemeinwohl" beizutragen, als in einen Stadionneubau für den Profifußball.
Auch der Bund der Steuerzahler hat die von der Stadt Oldenburg vorgelegten Zahlen bereits als "unvollständig" und "in Teilen geschönt" bezeichnet und den Stadtrat gewarnt, auf dieser Basis einen Grundsatzbeschluss zum Bau zu treffen. Dennoch hatte der Rat Ende Februar auf Vorschlag der Verwaltung trotz Kritik und Warnungen mit Mehrheit dafür gestimmt, die Planungen weiter fortzuführen. Jetzt soll eine städtische Planungsgesellschaft bis zum Herbst konkrete Zahlen für den Neubau des Stadions vorlegen. Dann soll der Stadtrat endgültig über das Projekt abstimmen.
Als gravierenden Fehler bezeichnete seinerzeit auch die BI Stadionbau den Grundsatzbeschluss "Das ist nichts anderes als eine Hochrisiko-Wette zu Lasten der Steuerzahler und des Breitensports", sagt Klaas Brümann von der BI.
Die komplette gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. Jürgen Schwark finden Sie unter
http://www.bi-stadionbau.de/Downloads/
Zur Person
Prof. Dr. habil. Jürgen Schwark lehrt seit 2001 hauptberuflich BWL/Tourismus an der Westfälischen Hochschule, Campus Bocholt und ist Dozent am Institut für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung der Deutschen Sporthochschule Köln. Er hat zahlreiche regionalökonomische Studien erstellt, u.a. für: Westdeutscher Fußballverband, Innenministerium Land NRW, FC Schalke 04, Stadt Duisburg, Stadt Magdeburg. Darüber hinaus liegen von ihm zahlreiche Publikationen zum Bereich Sportgroßveranstaltungen vor. Zu diesem Thema wurde er auch als Experte im Sportausschuss des Deutschen Bundestages gehört.
http://www.w-hs.de/service/informationen-zur-person/person/schwark/
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