Fast vergessene Kreaturen
02.05.2015
Tourismus & Reisen
"Moldawien, was willst du denn in Moldawien?", diese Frage musste der Essener Texter und Fotograf Olaf Eybe oft beantworten, als er in das kleine Land zwischen Rumänien und Ukraine reiste. Gemeinsam mit Freunden wollte er einen weißen Fleck auf seiner Reisekarte beseitigen. Er ahnte nicht, dass auf den oft abenteuerlichen Straßen ein Thema auf ihn wartete, dass ihn so schnell nicht loslassen wird.
"Schon auf dem Weg vom Flughafen in die Hauptstadt Chisinau fielen mir Hunde auf, die im Rudel unterwegs waren", erinnert sich Olaf Eybe. Bei Gängen durch die Halbmillionenstadt, auf den Landstraßen des von der Landwirtschaft geprägten Armenhaus Europas begegneten dem Fotografen dösende oder Futter suchende Hundegruppen. Er hatte "sein Thema" gefunden: "Vielleicht lag es daran, dass eine Entlebucher Sennenhündin mein Lieblingsmodel ist oder weil ich in diesem Land mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von rund 300 Euro nicht nur frisch renovierte Kirchen fotografieren wollte."
Willkommen in der Casa Katharina
Mit Hilfe einer engagierten Übersetzerin erkundigte er sich bei der Stadtverwaltung nach einem Tierheim in Chisinau. Nein, so etwas gäbe es hier nicht. Doch dann fiel nach Telefonaten das Stichwort "Casa Katharina". Das sei ein Hundeasyl rund 40 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Nur mit dem Vornamen einer Kontaktperson und einer Telefonnummer machte er sich auf den Weg in das Dorf Ciobanovca. Dort wurde er herzlich von einigen Zweibeinern und über 300 freudig bellenden Vierbeinern empfangen und sofort zu einer Besichtigungstour eingeladen. Es ging vorbei an geräumigen Freigehegen, dampfenden Riesentöpfen, in denen Hundefutter zubereitet wurde und Gebäuden mit weiteren Gehegen. Schließlich wurde er vom Leiter der "Casa Katharina", Vasilii Miszak empfangen und sah eine kleine, gut ausgestattete Tierklinik. Dort werden verletzte Hunde operiert und vom tageweise anwesenden Veterinär Kastrationen durchgeführt oder Hunde geimpft.
Tiernothilfe Moldawien
Nach und nach sammelte er weitere Fakten und erfuhr er wie es um den Tierschutz in Moldawien bestellt ist. Allein in Chisinau leben 30.000 herrenlose Hunde. Von Zeit zu Zeit werden sie von Hundefängern eingefangen. Anschließend beginnt das Martyrium der Kreaturen, denn die Hundehölle liegt vor den Toren der Hauptstadt. Dort befindet sich ein Todeslager, in dem Hunde erschossen, vergiftet, mit Elektroschock getötet und anschließend in Säure geworfen werden oder auf der benachbarten Müllhalde landen, wenn sie nicht in letzter Minute gerettet werden. Im Gespräch erfuhr Eybe, dass ein Verein aus Nürnberg die "Casa Katharina" betreibt und pro Jahr einige Hunde an neue Halter in Deutschland vermittelt. Eybe fotografierte Pfleger, Tiere und die Ausstattung des durch Spenden finanzierten Tierasyls. Die Fotos nahm der Moldawienreisende zusammen mit seinen Eindrücken aus dem unbekannten Land mit nach Essen.
Hilfe zur Selbsthilfe
Kaum in der Heimat setzte er sich mit der Vorsitzenden des Tierschutzvereins in Verbindung. "Eines unserer ganz großen Ziele ist die Aufklärung der Bevölkerung, ihre Tiere kastrieren zu lassen und den Menschen nahe zu bringen, dass auch ein Tier Schmerz, Hunger und Leid empfindet und ein Recht auf ein Leben ohne Angst hat", erläuterte die 1. Vorsitzende der Tiernothilfe Moldawien, Andrea Fischbach. "Die von uns gefundenen Straßentiere sollen alle kastriert, geimpft und entwurmt werden und an gesicherten Futterplätzen versorgt werden. Für Tiere, die nicht wieder auf die Straße können, versuchen wir, artgerechte Plätze zu finden", führt die Nürnbergerin aus, die sich seit rund acht Jahren mit Mitstreiterinnen in Moldawien engagiert. Sie legt großen Wert darauf, dass es nicht das Ziel der Tiernothilfe ist, möglichst viele Hunde aus Moldawien herauszubekommen. "Es geht uns darum, den Tierschutzgedanken fördern. Das ist nicht so aussichtslos, wie es angesichts der Armut im Lande erscheinen mag. Wichtigster Kooperationspartner ist der moldawische Tierschutzverein ,ALGA"." Zusammen versuchen die Tierschützer, die Behörden dazu zu bewegen, von Vergiftungsaktionen abzusehen und das Todeslager aufzulösen. "Unser Ziel ist auch, ein strenges Tierschutzgesetz in Moldawien und Kinder über Tierschutz aufzuklären", berichtet die Tierschützerin.
Moldawien ist zerrissen von inneren Konflikten, viele Menschen verlassen das Land, die Daheimgebliebenen leben am Existenzminimum. Für den Tierschutzgedanken hat man in Moldawien daher nur wenig Verständnis. Natürlich kennt die Vereinsvorsitzende die Frage: Soll man nicht zuerst den Menschen helfen? Ihre Antwort darauf: "Die Menschen können sich selber helfen - die Tiere aber nicht!" Olaf Eybe ist nach seinen Recherchen überzeugt, dass nur Hilfe zur Selbsthilfe der richtige Weg ist: "Die Tiernothilfe beschäftigt acht Pfleger sowie einen Tierarzt, schafft also Arbeitsplätze. Außerdem arbeiten die Aktivisten immer enger mit Gleichgesinnten in Moldawien zusammen. Nach und nach wächst die Akzeptanz in der Bevölkerung. Mittlerweise werden Tiere bei der Casa Katharina abgegeben."
Die Tiernothilfe Moldawien ist über den rund 130 Mitstreiter starken Mitgliederkreis hinaus auf Unterstützer angewiesen. "Die Tiere brauchen Futter, wir benötigen Sachspenden von Tierärzten in Deutschland", bringt es Andrea Fischbach auf den Punkt. "Auch ich bleibe an dem Thema dran, vielleicht können meine Bilder helfen und Menschen aufrütteln", blickt Olaf Eybe nach vorn.
Wer die Tierhilfe zum Beispiel mit Patenschaften unterstützen möchte, findet alle notwendigen Informationen unter http://www.tierhilfe-casakatharina.com (http://www.tierhilfe-casakatharina.com).
Die Aktivitäten in Moldawien koordiniert der Verein ALGA, http://www.alga.md (http://www.alga.md).
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Eybe + Eybe - Text + Foto
Am Ehrenmal 12 45277 Essen
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