Energiepolitische Unsicherheit 2021: Unternehmen sollten Einsparmöglichkeiten nutzen
12.08.2020
Umwelt & Energie
- Anhaltende Unklarheit zur weiteren Kostenentwicklung bei Emissionshandel, EEG-Umlage, Netzentgelten und Umlagen
- Selbst kleineren Mittelständlern drohen im Worst Case Mehrbelastungen in sechsstelliger Höhe
- Aktiv gegensteuern: Einsparpotentiale von bis zu 15 Prozent auch bei gut aufgestellten Unternehmen
Kehl, 12.08.2020 - Wenige Monate vor Beginn des neuen Jahres sind die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen für 2021 noch immer nicht klar. Die aufgrund der Corona-Krise bereits stark beanspruchten Unternehmen können dadurch nur schlecht kalkulieren. Im Worst Case muss schon ein kleinerer Mittelständler im nächsten Jahr mit Kosten-Mehrbelastungen von 100.000 Euro und mehr rechnen.
"Die Politik lässt die Betriebe im Regen stehen: Ohne die konkrete Ausgestaltung der neuen Be- und Entlastungen im Rahmen des Brennstoffemissionshandelsgesetzes nimmt selbst die kurz- bis mittelfristige Planungsunsicherheit für die Unternehmen immer weiter zu. Auch bei EEG-Umlage, Netzentgelten und Netzumlagen herrscht viel Unsicherheit, die die Liquidität der Unternehmen zusätzlich strapaziert", so Dr. Wolfgang Hahn, Geschäftsführer und Partner bei der unabhängigen Kehler Energieberatung Energie Consulting GmbH (ECG). "Unternehmerische Planungssicherheit erfordert angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Herausforderungen wenigstens klare politische Rahmenbedingungen. Nur darauf zu warten und auf das Beste zu hoffen, bringt die Unternehmen aber nicht weiter. Stattdessen sollten sie energiewirtschaftliche Einsparpotentiale identifizieren und umsetzen: Selbst gut aufgestellte Betriebe können mit der Hilfe von Experten wie den Beratern der ECG häufig bis zu 15 Prozent der Kosten sparen. "
Worin bestehen die Unsicherheiten:
1. BEHG (Brennstoffemissionshandelsgesetz): Die Mehrkosten stehen fest, nicht aber die angeblich geplanten Entlastungen über Härtefallregelungen. Unternehmen wissen zudem nicht, ob sie Mehrkosten gegebenenfalls vorstrecken müssten, was in der gegenwärtigen Situation ein schwerer Liquiditätsverlust wäre. Die Problematik betrifft insbesondere brennstoffkostenintensive Betriebe (Schmieden, Ziegelindustrie, Wärmebehandlung, chemische Industrie), die Logistikbranche und Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung. Der Aufschlag von +0,5 ct/kWh wird bei einem für Mittelständler typischen Erdgasbedarf von 10 Mio. kWh/Jahr zu direkten Mehrkosten von jährlich 50.000 Euro führen.
2. EEG-Umlage: Aufgrund des hohen Fehlbetrages im EEG-Umlagenkonto und großer Übereinstimmung aller Studien zur künftigen Entwicklung der EEG-Umlage steht zu befürchten, dass die für 2021 und 2022 angekündigte Senkung der EEG-Umlage auf 6,5 bzw. 6,0 ct/kWh doch nicht vollständig umgesetzt wird. Zudem liegt kein Konzept vor, wie diese Finanzierungslücke geschlossen werden soll; mögliche Entlastungen von Unternehmen könnten von der EU als Beihilfe gewertet werden und spätere Nachzahlungen mit sich bringen.
Für einen typischen energieintensiven Mittelständler mit einem jährlichen Stromverbrauch von 10 Mio. kWh würde eine Erhöhung der EEG-Umlage von 6,5 ct/kWh auf 7,5 ct/kWh 2021 jährliche Mehrkosten von 100.000 Euro/Jahr verursachen.
3. Netzentgelte und Umlagen wie KWKG, Offshore, § 19 StromNEV: Gemäß der bisherigen Vorgehensweise müssten solche Kostenbestandteile aufgrund des im laufenden Jahr krisenbedingt stark rückläufigen Verbrauchs 2021 spürbar steigen, da sie nur auf eine geringere Menge umgelegt werden können. Informationen hierzu sind erst im Oktober von den Netzbetreibern zu erwarten.
Bereits eine Steigerung der Netzentgelte und -umlagen um zehn Prozent würde für einen mittelständischen Stromverbraucher mit 10 Mio. kWh Jahresbedarf zu Mehrkosten von ca. 40.000 Euro/Jahr führen.
Was Unternehmen aktiv tun können:
Unternehmen sollten dringend prüfen, ob sie alle Möglichkeiten der Kostenoptimierung nutzen, und so ihren Handlungsspielraum vergrößern. In der Regel können Experten sogar in schon jetzt gut aufgestellten Betrieben noch bis zu 15 Prozent an Einsparungspotenzial identifizieren. Ansatzpunkte sind:
1. Beschaffung: Unternehmen sollten sich jetzt die niedrigen Gas- und Strompreise für die Zukunft sichern. Mit vergleichsweise geringem Aufwand lassen sich so ohne nennenswertes Risiko die Kosten für die kommenden Jahre minimieren.
2. Vertragsgestaltung: Die aktuell gültigen Verträge sind umgehend zu überprüfen, wie eine Unterschreitung der vereinbarten Menge geregelt ist. Im Fall von Toleranzbändern sollte man mit den Versorgern eine vorteilhaftere Verhandlungslösung finden.
3. Steuern und Abgaben: Die wenigsten Unternehmen nutzen alle der rund zehn zur Verfügung stehenden Entlastungsmöglichkeiten. Hier nachzusteuern ist in jedem Fall eine lohnende Maßnahme, gegebenenfalls sind auch Rückerstattungen für 2019 möglich.
4. Netznutzungsentgelte: Insbesondere bei Kurzarbeit werden die Kriterien für die günstigere atypische Netznutzung leichter erreicht. Eine Ersparnis von 20 bis 50 Prozent der Netzentgelte ist möglich.
5. Energiemanagement: Wer ein aufwändiges Energiemanagementsystem (EnMS) etwa nach ISO 50001 etabliert hat, obwohl er keinen entsprechenden Auflagen unterliegt, kann durch Umstieg auf ein einfacheres EnMS (etwa nach DIN 162471) den Aufwand reduzieren oder auch eine Zeitlang pausieren.
6. Energieeffizienz: Durch Investitionen in effizientere Anlagen (ggf. mithilfe von Förderprogrammen) oder auch anhand von Prozessoptimierungen können Verbrauchskosten gesenkt werden.
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