Ökobilanz von Lebensmittel / Weinen
25.08.2023
Umwelt & Energie
Bis zu 20 % weniger CO2-Emissionen bei Bioweinen laut Schweizer Studie - Delinat-Pilotversuch in fünf europäischen Ländern
Wiesbaden - St. Gallen - Unlängst gehörten die Schlagzeilen einem deutschen Discounter, der ausgewählte Lebensmittel zu deutlich höheren Preisen anbot, um die Konsumenten auf die "wahren Kosten" eines Produktes aufmerksam zu machen. Die fast doppelt so hohen Preise etwa für Wiener Würstchen würden demnach die realen Kosten für die Umweltbelastung abbilden, hieß es aus der Zentrale in Wiesbaden. Dabei fand die "True-Cost-Aktion" des Discounters ein zwiespältiges Echo. Einige Umweltorganisationen wie Greenpeace oder BUND lobten die Aktion, einige Verbraucherschutzverbände und die Agrarwirtschaft sparten nicht mit Kritik: Das sei Greenwashing eines Lebensmittelkonzerns, der aufgrund seiner rigiden Einkaufspolitik überhaupt erst die fragwürdigen Bedingungen der Lebensmittelerzeugung verursache.
Ansätze, die wahren Kosten von Produkten auch wissenschaftlich fundiert zu ermitteln, gibt es seit vielen Jahren. Für den Wein hat dies vor einigen Jahren die Zürcher Hochschule für angewandte Wissen-schaften (ZHAW) im Auftrag des Schweizer Bundesamtes für Umwelt getan. In einer umfangreichen Studie stellten die ZHAW-Forscher konventionell arbeitenden Weinbaubetrieben Bio-Winzer gegenüber und werteten zusätzliche Daten von Agroscope aus - dem eidgenös-sischen Kompetenzzentrum für die Forschung in der Land- und Ernährungswirtschaft.
Ein Ergebnis: Die Treibhausgas-Emissionen (kg CO2-Äquivalente pro Hektar) zur Traubenherstellung liegen nach dieser Studie im Biobetrieb um bis zu 20 % unter dem konventionell arbeitender Betriebe. In vielen anderen Bereichen wie Schädlingsbekämpfung, Bewässerung sowie vor allem Verpackung und Transport unterscheiden sich Bioweine von konventionell erzeugten Weinen hingegen deutlich weniger stark. Hier sieht der Schweizer Önologe Daniel Wyss, der in der Studie mehrfach zitiert ist, den Schwachpunkt der Untersuchung: "Der sogenannte Biowein ist nicht klar definiert. Dafür gibt es zu unterschied-liche Kriterien - von den wachsweichen der EU-Biorichtlinie bis hin zu den sehr strengen, die für Delinat-Winzer gelten."
So ist dem Delinat-Winzer beispielsweise strikt verboten, chemische Pflanzenschutzmittel oder Kunstdünger zu verwenden. Auch der Einsatz von Kupfer als Mittel gegen Peranospora ist streng limitiert. Delinat-Weine kommen ausschließlich von Winzern, deren gesamter Betrieb zu 100 % biologisch-ökologisch bewirtschaftet und deren Strombedarf zu mindestens 30 % mit Erneuerbaren gedeckt wird. Einzigartig auch die Maßgaben hinsichtlich ökologischer Ausgleichsflächen innerhalb und am Rande der Rebflächen.
Sind PIWI-Bioweine damit die besseren Weine?
Sehr deutlich werden die Unterschiede in der Ökobilanz von biologischen und konventionell erzeugten Weinen in der ZHAW-Studie, wenn es um den Einsatz der noch relativ jungen sogenannten PIWI-Sorten geht, also pilzwiderstandsfähige Trauben, die kaum noch Pflanzenschutz benötigen. Damit reduziere sich im biologischen Anbau eben nicht nur signifikant der Einsatz von Kupfer, sondern auch die Häufigkeit der Anwendung, was eine unerwünschte Boden-verdichtung vermeiden hilft und weniger CO2-Ausstoß bedeutet.
Sowohl beim Anfall von Kohlendioxiden als auch bei den allgemeinen Umweltauswirkungen schneiden die PIWI-Bioweine nach dieser Schweizer Untersuchung deutlich besser ab. Was hingegen bei konventionellen wie biologischen Weinen die Ökobilanz beeinträchtigt, ist der Einsatz von Einwegflaschen, Verpackungen und der Transport.
Bei Delinat in St. Gallen (Schweiz) hat man längst darauf reagiert. "Wir haben in Pilotversuchen in 40 Städten ein Rückgabekonzept für die Verpackungen entwickelt, das nun Zug um Zug auf weitere Städte ausgeweitet werden wird", erläutert Michel Fink, CEO bei Delinat, "die stabilen Kartonagen können dann bis zu 12-mal für den Versand eingesetzt werden!"
Die Mehrweg-Flasche ist in Planung
Weil inzwischen die Weinflasche den größten Anteil der CO2-Bilanz ausmacht, denkt man bei Delinat auch hier über umweltfreundliche Lösungen nach. "Nächstes Jahr werden wir erste Tests mit einer eigenen Mehrweg-Flasche durchführen," verspricht Michel Fink. Generell sieht Delinat für sich im Bereich Verpackung den vielversprechendsten Ansatz. "Bei den meisten Winzern ist der Weinbau selbst der größte CO2-Treiber. Dank unseren strengen Anbau-Richtlinien sind Delinat-Winzer hier schon deutlich ökologischer aufgestellt als alle anderen", bilanziert Fink und verweist auf eine breit angelegte Studie, die dies wissenschaftlich belegen soll.
Mit verschiedenen Winzern in Europa (Deutschland, Schweiz, Spanien, Italien, Frankreich) hat Delinat ein länger angelegtes Projekt aufgesetzt, das in Zusammenarbeit mit Experten für regenerative Landwirtschaft versucht, den Fußabdruck des Weinanbaus nach der Delinat-Methode zu erfassen. Ziel des Projektes ist es beispielsweise, Schwachstellen hinsichtlich Bodenfruchtbarkeit und -gesundheit zu erkennen und zu optimieren. Obwohl Delinat-Weingüter mit Sicherheit schon heute den geringsten CO2-Fußabdruck der ganzen Branche haben dürften, dämpft Fink diesbezüglich allzu einfache Herleitungen: "Wo produziert wird, wird Humus abgebaut und CO2 produziert. Oder in anderen Worten: Nur nicht produzieren, ist vollständig ökologisch. Auch wir haben in einzelnen Bereichen noch Nachholbedarf, um unsere Vision vom klimaneutralen Weinbau wahr werden zu lassen. "
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