227 Milliarden für "indirekte Kosten" - Deutsche Unternehmen nutzen Einsparpotenziale nicht voll aus
20.04.2011
Unternehmen, Wirtschaft & Finanzen
Frankfurt am Main, 20. April 2011 - Unternehmen in Europa schöpfen ihr Einsparpotenzial bei den sogenannten indirekten Kosten (auch "Gemeinkosten" genannt) zu großen Teilen nicht aus. Das zeigt die "European Indirect Spend Management Study 2011" von A.T. Kearney im Auftrag von American Express, bei der 160 große und mittelständische Unternehmen in ganz Europa befragt wurden. Europaweit wird die Summe an indirekten Kosten auf 1,3 Billionen Euro geschätzt. Davon sollen 433 Milliarden Euro nicht richtlinienkonform sein - in diesen Fällen werden die Ausgaben nicht über bevorzugte Lieferanten und ausgehandelte Raten getätigt. Die Gründe sind oft fehlende Kontrollen.
Als indirekte Kosten werden Ausgaben für Materialien und Dienstleistungen bezeichnet, die nicht unmittelbar für Produktion oder Bereitstellung einer Ware oder Dienstleistung nötig sind. Als Hauptgründe dafür, dass Unternehmen ihre Einsparmöglichkeiten nicht vollständig nutzen, nennen die Autoren der Studie ineffiziente Prozesse, fehlende Kontrollstrukturen und das Missachten von Einkaufsrichtlinien. Fehlende Transparenz erschwert zudem die Nachvollziehbarkeit von Detaildaten durch den Einkauf - entscheidend für effektive Beschaffung und Vertragsverhandlungen mit Lieferanten. Auch die Datengenauigkeit stellt laut Studie in vielen Unternehmen ein Problem dar.
Dabei scheint die Datengenauigkeit in Deutschland deutlich stärker zu sein als in anderen Ländern Europas. 81 Prozent der befragten deutschen Unternehmen halten die Informationen zu ihren Ausgaben für exakt - im europäischen Schnitt ergab die Studie lediglich einen Wert von 67 Prozent. Deutsche Unternehmen liegen mit einem Ausgabenvolumen von 227 Milliarden Euro bei den indirekten Kosten an der Spitze, gefolgt von Frankreich (175 Milliarden) und Großbritannien (155 Milliarden).
Die Wirtschaft täte also gut daran, das vorhandene Einsparpotenzial zu heben: 78 Prozent der befragten deutschen Unternehmen haben in den vergangenen Jahren eigens Listen mit bevorzugt zu beauftragenden Lieferanten erstellt und 68 Prozent haben besondere Preise ausgehandelt, um bei den indirekten Kosten zu sparen. Mehr als die Hälfte hält ihre bestehenden Kontrollen allerdings nicht für ausreichend, um die Nutzung auch sicher zu stellen.
Die Studie zeigt, dass alle befragten Unternehmen zwar eine starke Kultur der Kostenkontrolle geschaffen haben, es aber dennoch viele Möglichkeiten gibt, feste und ganzheitlichere Praktiken im Beschaffungswesen zu etablieren. Dazu Thomas Nau, General Manager Firmenkreditkartengeschäft Zentral- und Osteuropa von American Express: "Basierend auf den Resultaten glauben wir, dass Unternehmen, die die Best Practice umsetzen, rund 5 Prozent ihrer indirekten Ausgaben vermeiden können. Dies entspricht einer Ersparnis bei indirekten Kosten von 900 Millionen Euro allein bei den 162 befragten Unternehmen. Diese Zahl lässt erkennen, dass es ein enormes Einsparungspotenzial in weiten Bereichen der europäischen Märkte gibt. Nehmen wir unser Beispiel stellvertretend für weitere Entwicklungen, so kann dies zu Einsparungen bei indirekten Ausgaben von erstaunlichen 65 Milliarden Euro in Europa führen."
Zwar zeigt sich, dass die befragten Unternehmen durch Verbesserungen bei der Automatisierung die Bearbeitungszeit um 50 Prozent reduzieren konnten. Thomas Nau geht aber davon aus, dass es mit einer Automatisierung allein nicht getan ist: "Die Studie zeigt, dass eine Begleitung durch die Optimierung von Prozessen sowie ein strategisches Verhaltens- und Veränderungsmanagement notwendig sind."
Erfolgreich beim Verringern der indirekten Kosten sind vor allem die Unternehmen, die ihre Liste von bevorzugten Lieferanten strikt einhalten und so von ausgehandelten Preisen profitieren. Vorteilhaft wirkt es sich auch aus, wenn für alle Transaktionen nachprüfbare Daten vorgehalten werden und die Verwaltung von Rechnungen und Zahlungen effektiv gestaltet ist.
Folgende drei Handlungsempfehlungen von American Express unterstützen Unternehmen dabei, ihre Einkaufsrichtlinien besser umzusetzen:
1. Kontrollpunkte im Prozess verankern, um sicher zu stellen, dass bevorzugte Lieferanten beauftragt und ausgehandelte Preise in Anspruch genommen werden.
2. Stichproben und Feedback-Schleifen einführen, die Abweichungen identifizieren, Verhaltensänderungen auslösen und Detail-Daten an den strategischen Einkauf liefern.
3. Effizienz steigern, indem Prozesse durchgehend verbessert und vereinfacht werden.
Indirekte Kosten sind eine ernstzunehmende Stellschraube im Kostenmanagement, wie die Entwicklung in Unternehmen zeigt: In Europa, im Nahen Osten und in Afrika sind in den vergangenen fünf Jahren mehr als zehn Milliarden Euro in Planungssysteme des Einkaufsmanagements geflossen. Die Studie bestätigt außerdem, dass Kostenkontrolle den befragten Unternehmen seit der Wirtschaftskrise grundsätzlich deutlich wichtiger geworden ist: 84 Prozent von ihnen bejahen dies. Gleichzeitig ist der strategische Einkauf jedoch deutlich komplexer geworden. Viele Unternehmen suchen deshalb nach Lösungen, um diese Komplexität zu bewältigen und indirekte Kosten effektiv zu verwalten.
Die Studie ist die bisher umfangreichste ihrer Art in Europa. Die zwischen November 2010 und Januar 2011 befragten Unternehmen stammen aus 30 verschiedenen Branchen und repräsentieren annähernd eine Million Angestellte und einen jährlichen Umsatz von 247 Milliarden Euro. Ihre indirekten Kosten belaufen sich pro Jahr zusammengerechnet auf 45 Milliarden Euro.
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