Horváth-Studie: Vertrieb von Finanzdienstleistungen steht vor drastischem Wandel
19.01.2015
Unternehmen, Wirtschaft & Finanzen
Die Kanäle für den Vertrieb von Finanzprodukten und die Kommunikation mit Bank- und Versicherungskunden werden sich nach Einschätzung von Branchenexperten innerhalb der nächsten fünf Jahre infolge der zunehmenden Digitalisierung massiv verändern. Dies geht aus der aktuellen Studie "Multikanalvertrieb in Zeiten der Digitalisierung - online, offline und hybrid" der Managementberatung Horváth & Partners mit rund 100 Entscheidern im Vertrieb von Banken und Versicherungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz hervor. Die befragten Experten rechnen damit, dass etwa jede fünfte Bankfiliale bzw. jede vierte klassische Versicherungsagentur bis 2020 aufgegeben wird. Demgegenüber erwarten sie eine starke Zunahme von Onlinefilialen bzw. -agenturen und neue Arten der Interaktion zwischen Kunden und Anbietern von Finanzprodukten.
"Die Erwartungen von Kunden gegenüber Finanzdienstleistern haben sich in den letzten Jahren enorm verändert. Viele von ihnen sind durch innovative digitale Angebote und Agilität in anderen Branchen verwöhnt", stellt Dr. Marco Adelt von Horváth & Partners fest. "Immer mehr Kunden wollen künftig rund um die Uhr Finanzgeschäfte tätigen können und selbst entscheiden, wann und auf welchem Weg sie mit ihrem Finanzdienstleister in Kontakt treten. Sie möchten nahtlos zwischen den Online- und Offlinekanälen wechseln können. Alternative Kommunikationskanäle zum persönlichen Besuch in der Filiale bzw. Agentur, wie beispielsweise Chat oder Videokonferenz, werden deutlichen Zulauf erfahren."
Der absolute Großteil der Kunden informiert sich bereits heute online über Finanzdienstleistungen. Der Anteil von Kunden, die auch online Verträge abschließen, wird nach Einschätzung der befragten Entscheider in den nächsten Jahren massiv steigen. Und es werden auch immer mehr Kunden Onlineservices ihrer Banken und Versicherer in Anspruch nehmen. "Somit werden die Grenzen zwischen der Online- und Offlinewelt zunehmend verschwinden", so der Bankenexperte und Mitautor der Studie, Dr. Marcus Niebudek.
Bei den Versicherungen erwarten die Teilnehmer für die kommenden Jahre eine deutliche Zunahme von hybriden Agenturen - d. h. mit digitalen und physischen Interaktionskanälen - am Agenturnetz. Die physische Agentur bleibt auch in Zukunft ein wichtiger Anlaufpunkt für den Versicherungskunden, jedoch künftig fokussiert auf ein- bis zweimalige Nutzung im Jahr. Auch die Akzeptanz reiner Onlineagenturen ohne physische Interaktionsmöglichkeit wird aus Sicht einer Mehrheit der Befragten steigen.
Bei den Banken gehen knapp drei Viertel der Studienteilnehmer von einem teils deutlichen Bedeutungsverlust der physischen Filiale und einem Bedeutungszuwachs von modernen Formen der Interaktion wie Chat oder Videokonferenz aus. Zwei Drittel der Teilnehmer aus dem Bankensektor erwarten eine steigende Akzeptanz reiner Onlinefilialen, die keine physische Interaktionsmöglichkeit mehr zulassen.
Die Berater von Horváth & Partners fordern daher: "Banken und Versicherer müssen künftig kanalübergreifend denken, handeln und steuern. Die Autonomie der einzelnen Vertriebskanäle und die damit verbundene selektive Kundenbetreuung in Silos muss aufgebrochen werden. Gefragt ist eine integrierte agile Multikanalstrategie statt unabhängiger statischer Einzelstrategien in den Vertriebswegen."
Und für die Bankfilialen und Versicherungsagenturen bedeutet das: Sie müssen sich verändern, um auch künftig Erfolg zu haben.
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