"Große Gefahr in Verzug für Teile der Baubranche."
30.01.2015
Unternehmen, Wirtschaft & Finanzen
Die Finanzämter wenden sich derzeit intensiv mit Umsatzsteuer-Sonderprüfungen allen Bauunternehmen und Handwerksbetrieben zu, die in den vergangenen Jahren Leistungen für Bauträger erbracht haben. Ziel der Bemühungen ist es, rückwirkend Umsatzsteuer auf sämtliche dieser Leistungen nachzufordern. "Das ist in Teilen existenzbedrohend", weiß Michael Kalus, der das aktuelle Vorgehen der Finanzämter beobachtet. Der Partner der Neusser Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft KBHT Kalus + Hilger warnt die betroffenen Betriebe eindringlich davor, jetzt keine Fehler zu machen. "Es ist große Gefahr in Verzug für Teile der Baubranche. Es geht insgesamt um rund 4 Mrd. Euro. Aber es gibt Mittel und Wege, diese Gefahr abzuwehren oder zumindest abzuschwächen."
Hintergrund der Finanzamt-Aktivitäten ist laut Kalus die Änderung des Umsatzsteuergesetzes Mitte des vergangenen Jahres. Diese war erforderlich geworden, weil der Bundesfinanzhof (BFH) zuvor entschieden hatte, dass Bauleistungen, die gegenüber Bauträgern erbracht werden, grundsätzlich zuzüglich Umsatzsteuern zu berechnen seien. Damit widersprach der BFH den Finanzämtern, die bis dato den entsprechenden §13b Umsatzsteuergesetz (UStG) anders interpretiert hatten. Dieser §13b war eingeführt worden, um den kriminellen Missbrauch von Umsatzsteuerrückerstattungen einzudämmen (sogenannte Karussellgeschäfte), indem per Sonderregelung u.a. für die Baubranche nicht mehr jeder beteiligte Vorlieferant - zum Beispiel Handwerksbetriebe - Umsatzsteuer berechnen durften, sondern nur noch der letzte Auftragnehmer, zum Beispiel ein Generalunternehmer. Der BFH meinte nun, dass ein Bauträger kein Letztauftragnehmer sei, sondern der Bauherr selber, und für diesen Fall gelte der §13b UStG nicht.
Die Folge: Die Bauträger können jetzt von den Finanzämtern die für die Vorlieferanten mitgezahlten Umsatzsteuer samt Zinsen zurückfordern - laut Kalus tun sie dies bereits mit Erfolg. Umgekehrt will sich das Finanzamt diese Gelder nun bei den Bauunternehmen und Handwerksbetrieben zurückholen. "Die Betroffenen können das Geld zwar anschließend von den Bauträgern zurückfordern", so Kalus. "Aber an dieser Stelle lauern bereits die ersten Gefahren: Der Bauträger kann zum Beispiel mit etwaigen Mängelbeseitigungen aufrechnen oder auf Verjährung verweisen, wenn ein Zeitraum vor dem 31.12.2011 betroffen ist. Oder er stellt sich grundsätzlich stur und rät dem Vorlieferanten, sich wegen der womöglich ungewissen Rechtslage doch bitteschön selber gegen die Finanzamtsforderung zur Wehr zu setzen."
Die Finanzämter bieten den betroffenen Bauunternehmen und Handwerksbetrieben derzeit an, die Forderung gegenüber dem Bauträger an das Finanzamt abzutreten. "Das ist auf den ersten Blick ein verlockend freundliches Angebot. Aber Achtung: Hier lauern noch größere Gefahren", warnt Kalus. "Denn wenn das Finanzamt die Forderungen nicht erfolgreich eintreiben kann oder gar Verjährung eingetreten ist, oder wenn der Betroffene aufgrund seines Werkvertrages mit dem Bauträger gar nicht abtreten darf, liegt der Ball wieder in seinem Feld, und das dann womöglich zu einem Zeitpunkt, zu dem die zwischenzeitlich erlassenen korrigierten Steuerbescheide rechtskräftig geworden sind."
Kalus sieht als einziges Mittel der Gefahrenabwehr ein entschiedenes rechtliches Vorgehen gegen die vom Finanzamt korrigierten Umsatzsteuerbescheide. Zudem empfiehlt Kalus den betroffenen Bauunternehmen und Handwerksbetrieben, sich wegen der Komplexität des Themas an erfahrene Steuerspezialisten zu wen-den. "Es geht hier leider nicht ums Tagesgeschäft. Es geht im Kern um verfassungsrechtliche Fragestellungen."
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