"Eine Flexiquote würde den Veränderungsdruck nehmen"
02.02.2011
Unternehmen, Wirtschaft & Finanzen
Wiesbaden, 31. Januar 2011 - Mit ihrem Vorschlag einer Flexiquote unterstreicht Familienministerin Schröder nochmals ihre realitätsferne Position bei der Einschätzung notwendiger Schritte zur gleich-berechtigten Präsenz von Frauen und Männern in Vorständen und Aufsichtsräten. Unternehmen sol-len nach Schröder gesetzlich angehalten werden, sich selbst eine "flexible" Zielmarke für ihren Wunsch-Frauenanteil in Vorstand und Aufsichtsrat zu setzen. "Viel zu unverbindlich!" Mit diesem Modell könnten Unternehmen von einer Verdoppelung ihrer Frauenquote sprechen, wenn sie statt keiner eine einzige Frau in den Vorstand berufen würden. "Der nötige Druck, den dieses Thema jetzt in den Unternehmen braucht, ginge verloren. Den seit Jahren herrschenden Lippenbekenntnissen darf mit einem solchen Feigenblatt nicht Vorschub geleistet werden", kontert Sieglinde Schneider, EU-Botschafterin für Unternehmensgründerinnen, Unternehmerin und Gender Diversity Expertin.
Seit 2001 gibt es eine freiwillige Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft. 10 Jahre haben aber kaum messbare Veränderungen gebracht. Ganze 3,2 Prozent der Top-200-Unternehmen haben 2010 nach der aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) einen weiblichen Vorstand. In den 30 Dax-Unternehmen sind vier von 186 Vorständen weiblich. Um Unternehmensziele zu erreichen und sie mit Nachdruck anzustreben, brauche es, so Schneider, klare Zielvereinbarungen samt Konsequenzen bei Zielverfehlung. Bei jedem strategisch relevanten Unternehmensziel ist diese Festlegung völlig unstrittig. Nur für die Besetzung von Leitungsfunktionen in Unternehmen möchte man im Unverbindlichen bleiben. "Mindestens 40 Prozent Männer und 40 Prozent Frauen in den Füh-rungsgremien, das wäre eine Basis für erfolgreiches Wirtschaften", sagt Schneider. Sie weiß sich im Schulterschluss mit Initiativen wie FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte) und der Nürnberger Resolution, die gesetzliche Regelungen für gleich viele Männer wie Frauen in Aufsichtsräten fordern. Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hat sich zu diesem Thema klar positioniert und fordert 30 Prozent.
Höhere Leistungsfähigkeit in divers strukturierten Unternehmen
Es liegen genügend Studien unter anderem von McKinsey vor, die nachweisen, dass gemischte Teams bessere Leistungen erbringen - bei Kapitalrendite, Betriebsergebnis und Aktienkurs. Auch zeigen Frauen stärker jene Führungsfähigkeiten, die Mitarbeiter zu mehr Kreativität, Innovation und Leistungsmotivation anleiten. Das erkennt auch die überwiegende Zahl männlicher Manager an und schmückt sich öffentlich mit Bekenntnissen für mehr Frauen. Nur mangelt es an der konsequenten Umsetzung, insbesondere in den um Aufstiegschancen kämpfenden mittleren Ebenen. Im subtilen Gerangel um Aufstiegspositionen ziehen Frauen dann bei gleicher oder besserer Qualifizierung oft den Kürzeren. "So wird nämlich ein Schuh daraus: Zu behaupten, die Quote spülte weniger qualifizier-te Frauen nach oben, ist eine Schimäre. Schauen Sie sich die Karriereverläufe in Unternehmen an und Sie werden sehen, dass mit jeder Hierarchiestufe die Zahl der exzellenten Frauen drastisch sinkt. Warum?", provoziert Schneider. "Weil die Frauen, je länger sie tätig sind, dümmer werden? Oder schlechter?" Vielmehr sei es so, dass sie weggedrängt werden, die schlechteren Beziehungen und Selbstvermarktungsstrategien haben und sich selbst zu wenig zutrauen - weshalb man ihnen dann auch weniger zutraut. Dazu kommt, dass Deutschland im internationalen Vergleich die schlechtesten Kinderbetreuungsbedingungen vorweist. In diesem wichtigen Tätigkeitsfeld könnte die fachverantwortliche Familienministerin Kristina Schröder sich profilieren und die Weichen richtig stellen.
Ziele, Strategien, Quoten sind Alltag
Es muss ein Umdenken in den Köpfen stattfinden, neben gezielten Programmen zum Empowerment der Frauen, Netzwerken, Förderung durch männliche Mentoren und weibliche Vorbilder. Nur so können alte Klischees aufgebrochen und Mut zu mehr Vielfalt gemacht werden. Immer denselben Typus Manager einzustellen, ist der falsche Weg, das wissen alle. Und doch werden Strukturen mit einer ausgeprägt männlichen Kultur immer noch - häufig unbewusst innerhalb des etablierten Systems - gefördert und Männer wie selbstverständlich bevorzugt. Aus diesem engstirnigen Gefüge müssen wir heraus. Und dafür sind "Flexiquoten" und Schönredereien absolut kontraproduktiv. Wer Ziele erreichen will, muss diese quantifizieren, messbar machen und deren Erreichen honorieren bzw. Nichterreichen sanktionieren. Diese Business-Sprache verstehen alle Führungskräfte. Warum also sie nicht auch für Personalentwicklung konsequent einsetzen? Alle reden über die demografische Entwicklung und die Notwendigkeit jede nur denkbare Ressource zu nutzen. Bevor wir in alle Winkel dieser Welt schauen, sollten wir unsere Strukturen und die ungeschriebenen Gesetze - Stichwort gläserne Decke - überprüfen und uns zu nachprüfbaren Zielen und Kennzahlen bekennen. Nichts anderes ist die Quote!
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