Abrechnungschaos an Ladestationen muss enden
06.07.2020
Unternehmen, Wirtschaft & Finanzen
Mannheim, im Juli 2020. Die derzeitige Abrechnungsprozesse und Tarifgestaltungen an öffentlichen Ladesäulen für Elektrofahrzeuge sind für Unternehmen, die einen Fuhrpark betreiben, katastrophal. Zum einen sind die Kosten nicht planbar, da diese an ein und derselben Ladesäule stark variieren können - unter anderem abhängig davon, ob man Vertragspartner des regionalen Anbieters ist. Zum anderen müssen - je mehr verschiedene Tankpunkte in verschiedenen Regionen man anfährt - die Abrechnungen in der Fuhrparkverwaltung händisch gebucht und betreut werden. "Das ist kontraproduktiv, verkompliziert und verteuert die Prozesse und macht einen digitalen Workflow unmöglich", so Axel Schäfer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Fuhrparkmanagement (BVF). "Je mehr Unternehmen auf Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge in ihren Fuhrparks setzen und je mehr die Reichweiten mit den Mobilitätsanforderungen kompatibel sind, desto mehr fällt das ins Gewicht", unterstreicht Schäfer. Der BVF freut sich über die Initiative der Bundesnetzagentur. Es wird mehr als Zeit, dass sich an dem aktuellen Geschehen etwas ändert, die Abrechnung muss dringend über einen Provider funktionieren. Denn Hauptproblem ist derzeit nicht der Preis, sondern der administrative Aufwand. Mit der Harmonisierung würde eine große Hürde für Unternehmen beseitigt, den Anteil an E-Fahrzeugen in ihren Flotten zu erhöhen. Damit würde gleichzeitig ein wichtiger Hebel beim Umstieg zu neuen Technologien aktiviert, denn Unternehmen sind mit mehr als 60 Prozent aller Neuzulassungen die wichtigsten Autoeinkäufer.
In Deutschland gibt es derzeit knapp 300 Tarife für Autostrom. Konkret bedeutet das, dass Fahrer*innen von Elektrofahrzeugen eine Vielzahl von Identifizierungs- und Zahlungsmittel benötigen, sofern sie das Geschäftsgebiet des regionalen Anbieters verlassen. Das macht die Ladeinfrastruktur unübersichtlich. Die Bundesnetzagentur hat nun ein Konsultationsverfahren eingeleitet, um die Netzzugangsbedingungen für Autostrom zu verbessern. Marktteilnehmer*innen und Verbände können sich bis zum 22. Juli 2020 äußern. "Die Abrechnungswege öffentlicher Ladestationen sind undurchsichtig. Das ist nicht nur verbraucherunfreundlich, sondern erschwert auch die Verwaltung von Fahrten mit E-Autos im Fuhrparkmanagement. Das Thema ist lange nicht wirklich aufgefallen, weil es einfach zu wenige E-Fahrzeuge gab. Wir begrüßen, dass die Bundesnetzagentur es nun endlich angeht, denn das ist nicht der einzige, aber einer der Gründe, warum Unternehmen, bei Elektrofahrzeugen zurückhaltend sind", sagt Schäfer.
Die meisten Ladesäulen werden von lokalen Stromanbietern monopolistisch betrieben, wodurch private und berufsbedingte E-Autofahrer*innen Hürden beim Stromzapfen in den Weg gestellt werden. Die Zahlungssysteme variieren je nach Anbieter und können schnell zur Kostenfalle werden. Insbesondere wenn E-Fahrzeuge oder Plug-in-Hybride aus einem Firmenfuhrpark für Dienstfahrten quer durch die Republik genutzt werden sollen, stellt das Laden eine echte Herausforderung dar. Zum einen erhalten die Kund*innen trotz gesetzlicher Bestimmungen vorab oftmals keinerlei Informationen über die Kosten. Zum anderen unterscheiden sich auch die Abrechnungsmodelle stark. "Gerade bei Nicht-Vertragskundinnen oder -kunden eines Stromanbieters müssen mit deutlich höheren Kosten rechnen", erklärt Schäfer. "Roaming-Optionen für Ladesäulen sind zwar mittlerweile kein Fremdwort mehr. Bis sich Modelle wie dieses jedoch flächendeckend verbreitet haben, wird es noch dauern. Und das geht insbesondere zulasten der Unternehmen, die Elektrofahrzeuge bundesweit einsetzen wollen."
Derzeit sind je nach Anbieter unterschiedliche Apps, Chips oder Tankkarten notwendig für die Kunden- und Kontenidentifizierung. Ist man zum ersten Mal in einer Region, bleibt einem der Zugang zur Ladestation mangels Registrierung im Netzwerk schnell verwehrt. Auch die Seiten im Internet mit bundesweiten Ladesäulenkarten zeigen häufig nicht an, wer wo Strom zapfen darf. Das stellt nicht nur Fahrer*innen vor blockierte Ladestationen, auch die Administration eines Fuhrparks wird dadurch unnötig erschwert. Viele Prozesse können aufgrund der unterschiedlichen Bestimmungen nicht automatisiert werden. Eine Harmonisierung des Bezahlsystems an den Ladestationen ist daher dringend notwendig.
Die Bundesnetzagentur will Betreiber durch eine ab April 2021 gültige Regelung dazu bringen, auch den Strom der Konkurrenz anzubieten - und zwar zu deren Tarifen und Konditionen. Für Verbraucher*innen oder Unternehmenskunden bedeutet das: Sie können einen Vertrag mit einem Versorger abschließen und zu den so vereinbarten Konditionen an allen öffentlichen Ladestationen andocken. Bleiben die Fragen offen, welche Preise sich die Behörde vorstellt und wie die Änderungen mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar sind. "Da bis jetzt die rechtliche Grundlage fehlt, drohen die Änderungen in freiwilligen Selbstverpflichtungen zu enden. Hier muss die Politik nachbessern", warnt Schäfer. Von den Maßnahmen würden letztendlich aber alle profitieren: Die Betreiber sollen von den Wettbewerbern angemessen bezahlt werden. Die Kund*innen wären flexibler und könnten mit einheitlichen Preisen kalkulieren. Sie müssten auch keine unzähligen Apps auf dem Smartphone oder mehrere Tank-, Lade-, oder Kreditkarten haben. Für Fuhrparkverantwortliche würde sich durch ein schlankeres Abrechnungssystem die Administration und dadurch auch der Zeitaufwand erheblich reduzieren. In der Konsequenz würden reine Elektroautos attraktiver werden, was sich auch positiv auf das Klima auswirken würde - spätestens, wenn sich die Ökobilanz der Fahrzeuge auch gegenüber moderner Dieselmotoren weiter verbessert.
https://www.fuhrparkverband.de
Bundesverband Fuhrparkmanagement e. V.
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