Stefan Kühn: US-Regierung ersucht den Kongress um eine Erhöhung der Schuldenobergrenze (derzeit USD 28.4 Bio.)
19.11.2021
Unternehmen, Wirtschaft & Finanzen
Heute werfen wir einen Blick auf ein (regelmäßig) auftretendes Problem für die globalen Finanzmärkte: die Erreichung der Schuldenobergrenze resp. die damit verbunden die nötige Erhöhung der Limite für den US-Staatshaushalt. Gemäß Aussagen von Finanzministerin Janet Yellen wird den USA spätestens am 18. Oktober dieses Jahres das Geld ausgehen! Dann droht die Schließung der Regierung (‚Government Shutdown') und die Aussetzung von Zahlungen, inkl. Rück- und Zinszahlungen auf US-Staatsanleihen! Eine kurzfristige Zahlungsstörung würde wohl als sogenannte ‚technische Zahlungsunfähigkeit' (technical Default) gewertet werden, da die USA ja genügend Steuersubstrat besitzt und ein Kongressentscheid in beiden Kammern die Zahlungsfähigkeit wieder erstellen. Aber das Land würde damit seinen Nimbus als eines den einzigen Ländern verlieren, das noch nie einen Staatsbankrott erlebt hat. Die Finanzmärkte würden in negativen Fall fortan eine deutliche Risikoprämie verlangen!
Mit drastischen Worten hat denn auch US-Finanzministerin Yellen den Kongress gebeten, die Schuldenobergrenze zu erhöhen. Falls nicht, drohe eine historische Finanzkrise, warnte sie. In einem Meinungsbeitrag im "Wall Street Journal" (WSJ) schrieb sie: "Wir würden aus dieser Krise als eine dauerhaft geschwächte Nation hervorgehen". Die Kreditwürdigkeit der USA sei ein strategischer Vorteil, stellt die Finanzministerin fest, die von einer drohenden "ökonomischen Katastrophe" spricht, falls diese Kreditwürdigkeit verspielt wird. Eine durch die Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung ausgelöste Krise würde die wirtschaftlichen Schäden durch die anhaltende Corona-Pandemie verschlimmern, die Märkte in Aufruhr versetzen und die amerikanische Wirtschaft in die Rezession stürzen. Millionen Arbeitsplätze würden verloren gehen und die Zinsen dauerhaft steigen, so das Szenario, das Yellen beschreibt. US-Finanzministerin Yellen hat die Parlamentarier deshalb zu überparteilicher Zusammenarbeit aufgefordert: Ohne eine Erhöhung der Schuldenobergrenze drohe den USA ein »nicht wiedergutzumachender Schaden«. Angesichts der Bedeutung von US-Schatzanleihen als Hinterlegung bei Zentralbanken (50% der Devisenreserven sind US-Dollar) und als Pfandwerte für Finanzgeschäfte (sogenannte ‚Repos') sind ihre Aussagen sogar leicht untertrieben!', stellt Finanzexperte Stefan Kühn, Vorstand der Autark AG, Duisburg, fest.
‚Der US-Kongress einigt sich zwar regelmäßig wieder auf eine neue Schuldenobergrenze. Diese legt fest, wie viel Schulden die Bundesregierung aufnehmen darf (im Moment liegt dieser Wert bei USD 28.4 Bio. Das sind 10% der global ausstehenden Schulden!). Diese Obergrenze wurde im August 2019 für zwei Jahre ausgesetzt - also bis zum 31. Juli 2021. Ohne neue Vereinbarung zur Anhebung oder Aussetzung wurde zum 1. August 2021 eine Schuldenobergrenze in einer Höhe wieder eingeführt, die alle während der Aussetzung vorgenommenen Kreditaufnahmen abdeckt, das sind die vorgenannten USD 28.4 Bio. Die hochgradig gespaltene US-Politik dürfte jedoch diese routinemäßige gesetzgeberische Übung in ein für die Märkte potenziell schädliches Spektakel verwandeln!', so Finanzprofi Stefan Kühn von Musical and More AG, Duisburg.
Aktienkurse könnten wie 2011 unter Druck geraten
‚Es wäre nicht das erste Mal: Schon 2011 und 2013 kam es zu heftigen Auseinandersetzungen um die Schuldenobergrenze. 2011 einigte man sich nur zwei Tage vor dem Tag X auf eine Anhebung. Damit konnte ein Zahlungsausfall vermieden werden. Die Ratingagentur Standard & Poor's entzog der US-Regierung jedoch mit einer Herabstufung das seit langem bestehende AAA-Rating. In der Folge fiel der Aktienmarkt um 17 Prozent gegenüber dem Höchststand im Juli. Die Staatsanleihen blieben ihrer negativen Korrelation mit den Aktien treu - die Renditen fielen also, obwohl die Unsicherheit direkt mit der Kreditwürdigkeit der US-Staatsanleihen selbst zusammenhing.
2013 verlief anders
Im Jahr 2013 zog sich der Showdown länger hin. Nachdem die Regierung im Januar die Obergrenze erreicht hatte, wurde diese im Februar für drei Monate aus- und im Mai neu festgesetzt, ohne dass eine längerfristige Lösung gefunden war. Dann begann eine Phase, die der derzeitigen sehr ähnelte: Die Obergrenze war festgesetzt, und die Regierung agierte mit außerordentlichen Maßnahmen weiter. Der Tag X war ebenfalls für Oktober vorgesehen, und erst Mitte Oktober wurde die Schuldenobergrenze endgültig ausgesetzt. Diesmal gab es zwar keine Reaktionen der Rating-Agenturen. Die Regierung aber wurde Anfang Oktober teilweise stillgelegt, um einen technischen Zahlungsausfall zu vermeiden. Anders als 2011 entwickelten sich die Aktien in diesem Zeitraum größtenteils gut (wenn auch mit erhöhter Volatilität), während die Staatsanleihen schwächelten.
Klar scheint jedoch, dass die Aktienmärkte in den Wochen vor dem jeweiligen Tag X negativ reagierten. US-Treasuries spielten während dieser Zeit ihre risikomindernde Rolle, aber die Renditen stiegen auch von Mai bis Oktober 2013 deutlich an, als die Verhandlungen noch liefen. Das laufende Jahr ähnelt eher der Krise von 2013. Allerdings sind die Mehrheiten im Kongress diesmal anders gelagert. Im Senat braucht es 60 von 100 stimmen, die Demokraten verfügen über 50 Stimmen und die beiden Parteien sind zutiefst polarisiert. Nach den Turbulenzen um Evergrande beschäftigt uns mit diesem Drama ein weiterer Unruheherd! Hoffen wir das Beste!', resümiert Finanzexperte Stefan Kühn, Vorstand der Autark AG, Duisburg.
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