45.852,38 EUR für nur ein anwaltschaftliches Schreiben
10.01.2013
Unternehmen, Wirtschaft & Finanzen
Im vorliegenden Fall streiten sich nach einer Neubeherrschung der H. Molkerei AG, ein Mitglied des Aufsichtsrats und der D&O Versicherer um die Begleichung einer Honorarrechnung in Höhe von 45.852,38 EUR für ein anwaltschaftliches Schreiben. Auslöser war die Managerhaftung (http://www.lecura.de/warum-eine-d-und-o-versicherung.html) und gesamtschuldnerische Inanspruchnahme des Aufsichtsrates auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von knapp 4,5 Millionen Euro, wegen einer verlustbringenden Ausweitung der Geschäftsbeziehung mit der F. GmbH.
Zum Sachverhalt:
Zum 5. Oktober 2007 übernahm die J. B. KG die Mehrheit der Aktien der Versicherungsnehmerin und damit kam es zu einer Neubeherrschung der H. Molkerei AG. Der D&O Versicherer erhielt von der Unternehmensübernahme erstmals durch ein Schreiben vom 13. März 2008 Kenntnis. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 nahm die Versicherungsnehmerin den Kläger neben anderen Aufsichtsratsmitgliedern gesamtschuldnerisch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 4.491.429,45 EUR in Anspruch. Zur Begründung führte sie aus, der Aufsichtsrat habe von Dezember 2006 bis September 2007 an einer Verlust bringenden Ausweitung der Geschäftsbeziehung der Versicherungsnehmerin mit der F. GmbH mitgewirkt.
Nachdem die D&O Versicherung (http://www.manager.lecura.de) über den Inhalt des Schreibens und der Inanspruchnahme informiert worden war, sandte er am 28. Januar 2008 ein Schreiben an den Kläger, in dem er ihn aufforderte, eine persönliche Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen abzugeben. In der weiteren Folge beauftragten der Kläger und die restlichen Aufsichtsratsmitglieder, Rechtsanwalt F. mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen. Er wies mit Schreiben vom 13. März 2008 die Schadensersatzforderungen mit näherer Begründung erfolgreich zurück und die H. Molkerei AG verfolgte die Ansprüche gegen die Aufsichtsratsmitglieder nicht weiter.
Die versicherungsvertragliche Situation:
Die H. Molkerei AG hatte u.A. auch für seinen Aufsichtsrat bei der Beklagten eine D&O Versicherung mit Innenverhältnisdeckung abgeschlossen. Versicherte Person war - neben weiteren Aufsichtsratmitglieder und der Geschäftsleitung - auch der Kläger.
Für die Anzeigepflicht bei einer nicht veranlassten Gefahrerhöhung enthalten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die D&O Versicherung eine abschließende Regelung, welche einen Rückgriff auf die gesetzlichen Vorschriften der §§ 27, 28 VVG a. F. ausschließt.
Der D&O Versicherer lehnte Leistungen nach Nr. 11. 2 Abs. 3 der Versicherungsbedingungen ab. Außerdem wandte er ein, dass die Forderung auch der Höhe nach nicht begründet sei. Mit der Klage hat der Kläger zuletzt Freistellung von der Gebührenforderung seines Rechtsanwalts in Höhe von 27.012,80 EUR erstrebt.
Die Klage des Aufsichtsrates auf Zahlung der Rechtsanwaltskosten durch den D&O Versicherer hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht weist die Klage mit einer Begründung unter Hinweis auf §§ 27, 28 VVG a.F. ab.
Mit der Revision vor dem Bundesgerichtshof ändert sich die Lage für den Aufsichtsrat:
BGH, Urteil vom 12. 9. 2012 - IV ZR 171/11
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juli 2011 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Berufungsgericht hätte die Klage nicht mit der von ihm gegebenen Begründung unter Hinweis auf §§ 27, 28 VVG a. F. abweisen dürfen.
1. In der vorliegenden D&O Versicherung verspricht der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz unter anderem für den Fall, dass eine versicherte Person wegen einer bei Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin begangenen Pflichtverletzung für einen Vermögensschaden auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Der Versicherungsschutz umfasst sowohl die gerichtliche und außergerichtliche Abwehr unbegründeter, als auch die Befriedigung begründeter Schadensersatzansprüche (vgl. Nr. 1 Abs. 1, Nr. 3. 2 Abs. 1, Nr. 4. 1 ULLA). Diese Voraussetzungen sind hier unstreitig erfüllt.
2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann der D&O Versicherer den Versicherungsschutz nicht deshalb verweigern, weil die Versicherungsnehmerin den Beherrschungswechsel der Beklagten nicht unverzüglich nach § 27 Abs. 2 VVG a. F. angezeigt hat.
Es enthalten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten abschließende Regelungen, die - weil sie für die Versicherungsnehmerin günstiger sind als die gesetzlichen Bestimmungen - für einen Rückgriff auf die §§ 27, 28 VVG a. F. keinen Raum lassen.
3. Die Sache ist dennoch nicht entscheidungsreif. Das Berufungsgericht wird zu klären haben, ob der Kläger zum damaligen Zeitpunkt einen Rechtsanwalt hätte beauftragen dürfen, und ob die Höhe der Honorarforderung gerechtfertigt ist.
Fazit:
Eine Klausel wie....
"Wird die Versicherungsnehmerin selbst freiwillig liquidiert oder neu beherrscht, erlischt der Versicherungsschutz mit Abschluss der Liquidation oder mit Beginn des neuen Beherrschungsverhältnisses automatisch."....
... ist aus der Sicht des BGH, mit Urteil vom 12.09.2012 - IV ZR 171/11 unwirksam. Solche Klauseln weichen zum Nachteil der versicherten Personen nach § 34a VVG a.F. (§ 32 VVG n.F.) von den gesetzlichen Regelungen in Deutschland ab.
Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 23 ff. VVG (Versicherungsvertragsgesetz) gewähren dem Versicherer, der sich wegen einer Gefahrerhöhung vom Vertrag lösen will, lediglich ein an bestimmte Fristen gebundenes Gestaltungsrecht, während sie kein automatisches Entfallen sämtlicher Vertragsbindungen vorsehen. Der Versicherungsschutz endet im Fall eines Kontrollwechsels wie bei der H. Molkerei AG - so der BGH - in keinem Fall abrupt.
Dieser Fall zeigt nicht nur deutlich, welche Kosten bei einem anwaltschaftlichen Schreiben und dem entsprechend hohen Streitwert entstehen können, sondern auch das die Sparte Managerhaftpflichtversicherung in den nächsten Jahren noch einigen Klärungsbedarf offen hält.
Ob der Kläger und Aufsichtsrat hier im Detail bereits berechtigt war einen Anwalt zu beauftragen und ob die Höhe der Rechtsanwaltskosten angemessen ist, wird jetzt wieder das Berufungsgericht entscheiden. Wir werden nach der Entscheidung des Berufungsgerichtes über den Ausgang des Verfahrens informieren.
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