Pressemitteilung von Anja Pätzold

Kurze Wege für neue Krebsmedikamente


Wissenschaft, Forschung & Technik

(Stuttgart/Tübingen) - Die im Juli 2010 gegründete Synimmune GmbH konnte das Gutachtergremium beim Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, von ihrem Entwicklungsvorhaben überzeugen und hat deshalb eine Fördersumme von zweieinhalb Millionen Euro aus dem Programm "Gründungsoffensive Biotechnologie", GO-Bio zugesagt bekommen. Das ist mehr als die Hälfte dessen, was das Unternehmen in den nächsten drei Jahren benötigt. Der Rest muss von externen Investoren kommen und ist teilweise ebenfalls bereits zugesagt. Das Tübinger Biotechnologie-Unternehmen entwickelt gentechnisch optimierte Antikörper gegen Krebs, produziert sie in einer universitätseigenen Einrichtung und führt auch die frühe klinische Erprobung in enger Kooperation mit der Universität Tübingen durch. Mit diesem europaweit einmaligen Modell einer universitätsnahen Antikörperentwicklung bis zu ersten klinischen Studien sollen neue Krebsmedikamente schneller als bisher vom "Labor in die Klinik" gebracht werden. GO-Bio fördert seit 2005 gründungswillige Forscherteams aus dem Bereich Life-Sciences, um "technisch anspruchsvolle Ideen zu einer trag-fähigen Unternehmensgründung reifen zu lassen", so das BMBF.

Um die in den 70iger Jahren entwickelten monoklonalen Maus-Antikörper der 1. Generation in der Krebstherapie erfolgreich einsetzen zu können, werden seit den 1990er Jahren biotechnologische Verfahren entwickelt, mit denen solche Antikörper humanisiert werden können. Diese Antikörper der 2. Generation sind in der Lage, körpereigene Immunzellen gegen Tumorzellen zu aktivieren. In den vergangenen Jahren konnten mit solchen Substanzen bereits erhebliche Fortschritte in der Krebstherapie erzielt werden. Allerdings ist die therapeutische Wirksamkeit in vielen Fällen limitiert, die antikörper-vermittelte Aktivierung des Immunsystems ist nicht ausreichend. Die Synimmune GmbH, ein von Forschern der Universität Tübingen gegründetes Biotechnologie-Unternehmen, will deshalb Antitumor Antikörper entwickeln, deren Wirksamkeit weiter verbessert ist (Antikörper der 3. Generation). Wir verwenden ein gentechnisches Verfahren, das die Fähigkeit humanisierter Antikörper, bestimmte Immunzellen zu aktivieren, drastisch steigert, erklärt Dr. Ludger Große-Hovest, einer der Gründer und Geschäftsführer der Synimmune. Dabei werden lediglich zwei der vielen hundert Bausteine (Aminosäuren) des Antikörpermoleküls verändert. Der erste Antikörper, den wir auf diese Weise optimiert haben, ist gegen bestimmte Formen von Blutkrebs gerichtet.
Parallel zur Herstellung von gentechnisch optimierten, monospezifischen Antikörpern arbeitet Synimmune daran, mit aufwändigen gentechnischen Verfahren so genannte bispezifische Antikörper herzustellen. Diese haben nicht nur, wie "normale" Antikörper, eine- sondern zwei Bindungsspezifitäten. "Ein Bindungsarm ist wie bei den üblichen Krebsantikörpern gegen Tumorzellen gerichtet, der andere sorgt dafür, dass Immunzellen, beispielsweise T-Zellen, gegen die Tumorzellen aktiviert werden, erklärt Prof. Dr. Gundram Jung, der "Gründungsvater" des neuen Unternehmens. "Wir glauben, dass bispezifische Antikörper so etwas wie das non plus ultra in der Antikörpertherapie von Krebs werden könnten, der Haken dabei ist aber, dass ihre Produktion deutlich schwieriger ist als die der bisher verwendeten monospezifischen Antikörper.
Für die Antikörperproduktion wurde im Tübinger Zentrum für Klinische Transfusionsmedizin, ZKT, eine nach industriellen Qualitätsmaßstäben ausgestattete Produktionseinheit eingerichtet. Damit ist es zum ersten Mal in Deutschland einer Forschergruppe an einer Universität gelungen, Antikörper nach internationalen pharmazeutischen Standards herzustellen, d.h. in einer Menge und Qualität, die die Anwendung am Menschen erlaubt. Bisher waren nur die großen Pharmakonzerne in der Lage, Antikörper unter so genannten Good Manufacturing Practice (GMP)-Bedingungen zu produzieren. "Da hier alles unter einem Dach passiert, können unsere optimierten Antikörper viel schneller zum Patienten kommen", erklärt Dr. Große-Hovest. Anstatt in der üblichen Entwicklungs- und Zulassungszeit in der Pharmaindustrie von rund sieben Jahren, wollen es die Tübinger schaffen, neue Antitumor Antikörper in nur drei Jahren zu entwickeln. Die in pharmazeutischer Qualität produzierten Antikörper werden dann an der Universitätsklinik in Tübingen in initialen klinische Studien erprobt.
Für die GMP-Produktion benützt Dr. Steffen Aulwurm, der zweite Geschäftsführer der Synimmune GmbH und zuständig für die Antikörperherstellung, ein neuartiges Verfahren: Im einem so genannten Wave-Reaktor werden die Antikörper in Zellkulturen fermentiert. "Dank der simulierten Wellenbewegungen und der geringen mechanischen Belastung wachsen die Zellen in diesem Reaktor besonders gut", erklärt Dr. Aulwurm. "In einem ersten Produktionslauf mit unserem 100-Liter-Wave-Reaktor, konnten wir insgesamt 25 Gramm Antikörper produzieren und aufreinigen. Das ist eine relativ große Menge, mit der wir mehr als 100 Patienten versorgen könnten."
"Die Idee, den Entwicklungsprozess für verbesserte Antitumorantikörper von der eigentlichen Entwicklung über die Produktion bis hin zu Phase I/II Studien in einem universitätsnah operierenden Biotech Unternehmen durchzuführen, hat das Gut-achtergremium beim BMBF-Wettbewerb GO-Bio überzeugt, uns zu fördern, sagt Prof. Jung, der als Mediziner engen Kontakt zur Uniklinik hält. "Die perfekten Bedingungen und kurzen Wege vor Ort sind die Basis für den Erfolg unserer Arbeit". Dr. Klaus Eichenberg, Geschäftsführer der BioRegio STERN Management GmbH, zeigt sich beeindruckt: "Wenn sich das Modell der universitätsnahen Antikörperentwicklung mit eigenständiger GMP-Produktion als erfolgreich erweisen sollte, könnte das eine Signalwirkung für andere Universitäten und gründungswillige Forscher haben. Wir freuen uns, auch diese innovative Firma im Rahmen des Science2Start-Programms unterstützen zu können."
Die Synimmune GmbH will zunächst zehn Mitarbeiter beschäftigen. "Als gro-ßes Pharmaunternehmen wollen wir uns nicht etablieren", sagt Prof. Jung. "Wir wollen die Antikörper bis in die klinische Phase I oder Phase II -Studien bringen. Danach sind wir auf Kooperationen mit der Pharmaindustrie angewiesen."
Onkologie Forschung Life-Sciences

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