"Instagram ist Hyperrealität in Reinkultur"
05.07.2012
Kunst & Kultur
Vor einigen Wochen nahm die Erfolgsgeschichte von Instagram durch die spektakuläre Übernahme durch Facebook weiter an Fahrt auf. Es ist eine der erfolgreichsten Social Media Applikationen. Instagram ermöglicht es den Nutzern Bilder mit digitalen Filter zu bearbeiten und anschließend mit Freunden zu teilen. Das freiburger Künstlerkollektiv "#whatthefreiburg" veranstaltete im "Slow Club" eine Instagram-Austellung. In diesem Rahmen sprachen wir mit dem Kultursoziologen Dr. Sacha Szabo über dieses Phänomen.
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Herr Szabo, wie beurteilen Sie den Hype um Instagram?
Szabo: Für mich steht dieser Hype unter dem Motto: "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Modifizierbarkeit". Dieses Motto bezieht sich ja auf Walter Benjamins berühmten Aufsatz über die "Kunst im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit". Benjamin geht davon aus, dass durch die massenhafte Reproduktion die Aura eines Kunstwerks, also damit seine quasi-sakrale Funktion verloren geht und Kunst nun zum reinen Ausstellungsobjekt wird.
Was hat das nun mit Instagram zu tun?
Szabo: Der Film, so Benjamin, eröffnet durch seine Möglichkeiten der Manipulation dem Unbewussten einen Artikulationsweg. Es wird eine Wirklichkeit vorgestellt, in der die Welt nicht mehr als Ganzes oder sondern nur noch ausschnitthaft in Erscheinung tritt. Wir sehen hier die Vorwegnahme des Endes der Metaerzählungen durch das Ende einer allgemeingültigen symbolischen Ordnung. Es entsteht eine Welt aus Fragmenten.
Einverstanden. Instagram-Bilder sind Fragmente.
Szabo: Selbst diese Fragmente sind einer fraktalen Erodierung durch die Digitalisierung unterworfen. Nur noch Binärcodes geben Orientierung darüber was wirklich ist. Es ist nicht so, dass sich eine digitale Realität über die "Wirklichkeit" legt, sondern die Wirklichkeit wurde durch eine digitale ersetzt.
Eine zweite Wirklichkeit sozusagen.
Szabo: Was diese Wirklichkeit auszeichnet, ist, dass sie fehlerfrei ist. Das Naturhafte des Menschen zeigt sich hingegen darin, dass es die Spezialität der Natur ist, Fehler zu begehen. Mit Instagramm wird nun eine natürlich wirkende Realität inszeniert, tatsächlich ist es aber eine Hyperrealität, die mit Hilfe von digitalen Analogfiltern eine glaubwürdige Wirklichkeit inszeniert. Man könnte an dieser Stelle aufhören und anmerken es sei eine Art Wiederverzauberung einer entzauberten Wirklichkeit. Das ist das Poetische der einzelnen Bilder. Sie halten einen kurzen Moment von Wirklichkeit fest und geben sich den Anschein dieses auch authentisch zu verbürgen.
Braucht es dazu Instagram?
Szabo: Betrachtet man jedoch das Phänomen Instagram als Ganzes, dann ist die Sehnsucht nach Bildern und damit die dahinterstehende Sehnsucht des Subjekts nach Sprache trügerisch, denn tatsächlich bedient sich Instagram von Beginn an eines Netzwerks. Eines Netzwerks, das von Millionen Nutzern gestrickt wird, indem sie jeweils für sich genommen beliebige Objekte zu einer neuen Erzählung zusammenreihen. Es macht den Charme aus, dass dies eine Erzählung ist, die kein Telos, kein Ziel kennt, sondern sich potenzierend dynamisiert und genau damit ein Abbild einer kontingenten Wirklichkeit zu liefern vermag.
Sie behaupten also Instagram-Bilder sind realistisch weil sie realistisch wirken sollen?
Szabo: Ja, gerade weil die Bilder den Anspruch erheben authentisch zu wirken, bilden sie Realität ab, die genau darin besteht, dass jeder eine Sehnsucht nach ihr hat.
Herr Szabo vielen Dank für das Gespräch.
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