Was tun, wenn es gekracht hat? Aus Fehlern zu lernen muss nicht immer teuer sein
01.04.2015
Logistik & Transport
(Mynewsdesk) Unwissenheit, Ungeduld oder Dreistigkeit – die Gründe für Fehlverhalten im Straßenverkehr sind vielfältig. Doch wer hat Schuld, wenn es zum Unfall kommt? Nicht immer liegt die Antwort auf der Hand. Im Interview erläutert Verkehrsanwalt Jörg Elsner von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV (Deutscher Anwaltverein) e.V., mit welchen Verkehrsfehlverhalten er im Berufsalltag oft zu tun hat und wie ein spezialisierter Anwalt helfen kann.
Welche Fehler im Straßenverkehr kommen in Deutschland am häufigsten vor und warum?
Besonders oft werden die Vorfahrtsregeln nicht beachtet, aber auch Zusammenstöße durch falsches Abbiegen und Auffahrunfälle sind leider an der Tagesordnung. Häufig spielt dabei Unwissenheit eine Rolle, zum Beispiel durch mangelnde Fahrpraxis bei Fahranfängern oder schlichtweg vergessene Verkehrsregeln bei langjährigen Autofahrern. Viele Autofahrer setzen sich aber auch bewusst über Verkehrsregeln hinweg. Das alles führt zu Fehlern, die immer wieder vermeidbare Unfälle verursachen.
Bei der Vorfahrt gibt es oft Unklarheiten – gilt nicht immer „rechts vor links“?
Grundsätzlich ja, aber es gibt Einschränkungen wie die „halbe Vorfahrt“: An einer Kreuzung gleichberechtigter Straßen darf man nur so langsam an den Kreuzungsbereich heranfahren, dass ein von rechts Kommender jederzeit vorgelassen werden kann. Diese Verpflichtung, die nach der Rechtsprechung ausdrücklich auch dem Schutz des von links Kommenden dient, entfällt nur dann, wenn die Straße nach rechts vollkommen einsehbar ist. In allen anderen Fällen kommt bei einem Unfall eine Mithaftung des Bevorrechtigten in Betracht. Das heißt: Wenn zum Beispiel Bäume die Sicht behindern, muss der Vorfahrtberechtigte seinerseits Vorfahrt gewähren.
An welchen Stellen wird sonst noch regelmäßig die Vorfahrt missachtet?
Immer wieder kommt es im Kreisverkehr zu Unfällen – und dort ist es meist besonders schwierig festzustellen, wer im Recht ist. Oft läuft so ein Fall auf die Einigung durch eine Quote hinaus, das heißt dem Geschädigten wird nur ein Teil seines Schadens ersetzt.
Auch Parkplätze haben Tücken, zum Beispiel wenn ein Autofahrer denkt, er hätte Vorfahrt und nicht damit rechnet, dass auch von der anderen Seite jemand in die Parklücke fahren will. Hier sollten Autofahrer höchst vorsichtig sein, denn bei einem Zusammenprall steht den Betroffenen häufig nur die Hälfte des Schadenersatzes zu. In vielen Fällen führt auch die Einfahrt vom ruhenden in den fahrenden Verkehr, beispielsweise aus einer Parkbucht, zu Zusammenstößen.
Wie kann ein Anwalt in solchen Fällen helfen?
In Haftpflichtfällen mit Quotenhaftung aufgrund Mitverschuldens oder der sogenannten Betriebsgefahr, die allein vom Betrieb des Fahrzeugs ausgeht, rechnen viele Geschädigte den Schaden nur mit ihrer Vollkaskoversicherung ab. Sie übersehen, dass im Rahmen des „Quotenvorrechts“ weiterer Schadenersatz bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend gemacht werden kann. Ein Anwalt kann mit Hilfe der Kaskoversicherung des Geschädigten und der Haftpflichtversicherung des Schädigers bis zu 100 Prozent des Fahrzeugschadens für den Mandanten herausholen.
Stichwort Abbiegen: Wo lauern da die Gefahren?
Oft „kracht“ es beim Linksabbiegen: Der Autofahrer muss blinken, sich rechtzeitig auf die Abbiegespur einordnen und seineFahrt verlangsamen. Dabei kommt es oft zu einer Täuschung, das heißt der Autofahrer ordnet sich nicht links ein, fährt ausholend nach rechts. Bei einem Unfall mit dem dann von hinten Vorbeifahrenden trifft den Abbieger dann immer die Alleinschuld.
Wie kommt es noch zu Auffahrunfällen?
Es passieren immer wieder auf der Autobahn Fehler beim Einfahren auf Autobahnen. Dann gilt entgegen der Fehlvorstellung vieler Verkehrsteilnehmer nicht das Reißverschlussprinzip. Wer auf die Autobahn einfährt, muss die Vorfahrt des fließenden Verkehrs beachten. Besonders bei großen Lastwagen sollte davon ausgegangen werden, dass der tote Winkel bis zu 4 Meter größer ist als bei einem Kleinwagen. Große Wagen sehen Vorbeifahrende dann oft nicht oder zu spät und fahren in sie hinein.
Oft resultieren Auffahrunfälle auch aus einem zu geringen Sicherheitsabstand. Schuld trägt auch hier meist der Auffahrende allein. Denn: Bei einem Auffahrunfall geht man in der Regel davon aus, dass dieser zu schnell war und zu wenig Abstand zum Vordermann gehalten hat.
Es gilt also immer die Faustregel „Wer auffährt, hat Schuld“?
Nein, Schuld hat immer derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Verkehrsregeln verstoßen und dadurch den Unfall verursacht hat. So kann die Schuld auch beim Vordermann liegen, wenn er völlig unvermittelt eine Vollbremsung macht und dadurch den Unfall auslöst. Die Schuldfrage ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig.
Warum ist es generell sinnvoll bei einem Unfall, einen Verkehrsanwalt einzuschalten?
Als Laie kann man meist gar nicht einschätzen, wer Schuld hat. Ein Verkehrsanwalt setzt immer die Ansprüche seines Mandanten durch, sorgt für eine unabhängige Feststellung des Schadensumfangs und für eine schnelle Schadenabwicklung. Oft kann man mit seiner Hilfe auch zusätzliche Schadensersatzansprüche geltend machen, vom Schmerzensgeld über einen Ersatz des Verdienstausfalls bis zum Haushaltsführungsschaden.
Ihr Fazit: Was müsste passieren, um Fehler im Straßenverkehr zu reduzieren?
Ich denke, es muss an verschiedenen Punkten angesetzt werden. So fehlt Anfängern zwar oft die Fahrpraxis, dafür vergessen langjährige Autofahrer häufiger Verkehrsregeln oder die Vorschriften haben sich geändert, ohne dass sie es mitbekommen haben. Hinzu kommen altersbedingte Erscheinungen wie zum Beispiel Sehschwäche. Ich spreche mich deshalb für die Überprüfung der Fahrtüchtigkeit ab einer bestimmten Altersgrenze für Autofahrer aus. Damit könnte abgeklärt werden, ob eine Person noch fahrtüchtig ist und ob vielleicht die Kenntnisse der Verkehrsregeln aufgefrischt werden sollten.
Das gilt aber generell: Autofahrer sollten sich meiner Meinung nach mehr an die Regeln halten und ihr Wissen regelmäßig auf den neuesten Stand bringen, denn es gibt immer wieder neue Vorschriften und auch Sonderregeln sind oft nicht bekannt.
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