Von Antibiotika-Resistenzen bis hin zu Geschmacksmodifikatoren - Forschen an der Zukunft der Biotechnologie
20.06.2017
Medien & Kommunikation
(Mynewsdesk) Forschungseinrichtungen und Unternehmen arbeiten an Anwendungslösungen für Industrie, Medizin und Landwirtschaft
„Das Konzept zur Entwicklung von neuen Wirkstoffen und letztlich neuer Medikamente besteht darin, dass diese Substanzen eine Wechselwirkung mit einem Biomolekül eingehen, meist ein Protein oder Enzym, und daraus ein Effekt entsteht, den man therapeutisch nutzen kann“, sagt Professor Dieter Schinzer von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg in Sachsen-Anhalt, Deutschland. Am Institut für Chemie beschäftigt sich der Chemiker Professor Dieter Schinzer mit der Synthese von Natur- und Wirkstoffen sowie deren Wechselwirkungen mit Biomolekülen.
Antibiotikaresistenzen als Herausforderung
In einer Kooperation des Instituts für Chemie Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg mit dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und einer pharmazeutischen Firma wird aktuell versucht, ein neues Breitbandantibiotikum auf der Basis von Naturstoffen zu entwickeln. Hintergrund ist das Dilemma der Antibiotikaresistenzen und der vermehrt auftretenden gramnegativen Bakterien, wie beispielsweise den multiresistenten „Krankenhauskeimen. „Wir entwickeln eine flexible Synthese, um bestehende, biotechnologische Verfahren zu optimieren und so eine Substanz zu erarbeiten, die speziell gegen gramnegative Bakterien aktiv ist“, so Professor Schinzer.
Dass Sachsen-Anhalts Life-Science-Industrie stark ist, soll vom 19. bis zum 22. Juni auf der BIO International Convention (http://www.investieren-in-sachsen-anhalt.de/bio-international-2017) 2017 (http://www.investieren-in-sachsen-anhalt.de/bio-international-2017) im kalifornischen San Diego einmal mehr unter Beweis gestellt werden. Warum Pharmazeutische Industrie, Biotechnologie und Medizintechnik in dem ostdeutschen Bundesland zunehmend den Takt vorgeben, mag vor allem damit zu erklären sein, dass akademische und angewandte Forschung hier ein enges Netzwerk mit den Produzenten bilden. So ist eine Struktur gewachsen, die Kompetenz bündelt und dafür sorgt, dass neue Produkte dem Gesundheitsmarkt schnell zur Verfügung stehen. Zahlreiche Forschungsprojekte, die zum Teil bereits internationale Aufmerksamkeit erlangt haben, sind Beleg dafür.
Internationale Kooperationen im Forschungsfeld Immunonkologie
Im Bereich der Immunonkologie ist die Entwicklung eines dualen Wirkstoffes gegen Krebs ein wichtiges Arbeitsfeld. Der duale Wirkstoff greift zum einen Krebszellen an, wie auch eine Chemotherapie, hat zum anderen aber einen immunstimulierenden Effekt, mit dem das körpereigene Abwehrsystem genutzt wird. Das Immunsystem zu mobilisieren, um lang anhaltende Erfolge zu generieren, steht im Fokus der aktuellen Forschung und hat sich zu einem wichtigen Hoffnungsträger in der Krebsforschung entwickelt. Das Projekt baut auf einer internationalen Kooperation mit Zellbiologen aus Norwegen, der Universität Siena und der EHT Zürich auf.
Biokatalytische Produktion von Geschmacksmodifikatoren
Das Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) beschäftigt sich mit der Forschung zur Entwicklung von Wirkstoffen, Biokatalysatoren und Verfahren zu deren Herstellung und Optimierung Im Vordergrund stehen dabei Analysen pflanzlicher Naturstoffe, deren biologische Bedeutung sowie die Untersuchung der molekularen Mechanismen, auf denen diese Wechselwirkungen beruhen. Als Grundlage dient eine Bibliothek von über 15.000 eigenen Naturstoffen, Derivaten und Extrakten und über 5.000 organismische Proben und Pathogene, die für die Entwicklung von Pharmazeutika, Pflanzenschutzmitteln oder im F&F-Bereich genutzt werden.
Das Team um Professor Ludger Wessjohann forscht aktuell unter anderem an Geschmacksstoffen und Geschmacksmodifikatoren. „Wir haben ein Verfahren entwickelt mit dem wir Substanzen, die Bittergeschmack maskieren oder Süßgeschmack verstärken, biotechnologisch herstellen können. Dafür nutzen wir den aus Zitrusschalen leicht zu gewinnenden Rohstoff Naringenin, und wandeln ihn über biotechnologische Verfahren in den Wertstoff Homoeriodictyol (HED) um“ sagt Professor Wessjohann, geschäftsführender Direktor des Leibniz-Institutes für Pflanzenbiochemie. HED ist ein Naturprodukt, das als ein Bitterblocker aktiv ist ohne selbst den Geschmack zu beeinflussen. Da es in der Natur nicht leicht verfügbar und deshalb auf dem Markt teuer ist, ist eine biotechnologische Herstellung von Vorteil. „Wir haben sowohl ein in vitro-Verfahren entwickelt, in dem Enzyme die Umwandlung in einer Enzymkaskade übernehmen als auch ein Verfahren, indem wir Enzyme in einen Organismus gebracht haben, der das Abfallprodukt Naringenin frisst und in den Geschmacksmodulator HED umwandelt“, fügt er hinzu. Anwendung findet der Geschmacksmodulator dann unter anderem in der Arzneimittel- und Nahrungsmittelindustrie.
Vermehrung von Zikaviren gelungen
Am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme konzentriert sich die Fachgruppe Bioprozesstechnik auf einen wesentlichen Aspekt der roten Biotechnologie: die Produktion von Virusimpfstoffen. Ein wichtiges Thema dort ist das Zikavirus. Einen Impfstoff gibt es bisher nicht. Wenn aber ein wirksamer Impfstoff gefunden ist, muss dieser schnell und in hoher Stückzahl produziert werden können. Dies kann zum Beispiel durch eine Vermehrung der Viren in lebenden Zellen geschehen. Auf diese Weise könnten dann abgeschwächte oder inaktivierte Viruspartikel als Impfstoff gewonnen werden. Erst jüngst ist den Magdeburger Wissenschaftlern gemeinsam mit einem Forscherteam der Universidade Federal do Rio de Janeiro erstmalig die Vermehrung der Zikaviren in größeren Mengen geglückt – eine wichtige Vorraussetzung für die Durchführung immunologischer Studien, die Entwicklung von Diagnostika und die Produktion von Impfstoffen.
Weiterentwicklung der Genbank - das BRIDGE Warehouse erleichtert den Zugang zu wichtigen Forschungsgrundlagen
Im Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben steht derzeit das BRIDGE-Projekt im Mittelpunkt. Unter dem Titel „BRIDGE: Biodiversity informatics to bridge the gap from genome information to educated utilization of genetic diversity hosted in Genebanks“ wird eine Datenbank-Schnittstelle aufgebaut. Damit soll die am IPK beheimatete Bundeszentrale ex-situ-Genbank zu einem integrierten Ressourcenzentrum weiterentwickelt werden.. Das geplante BRIDGE Data Warehouse wird genotypische und phänotypische Informationen zu den einzelnen in der Genbank bewahrten Kulturpflanzenmustern verknüpfen und so den wissenschaftlichen und praktischen Wert der Sammlung erhöhen. Beispielsweise werden in der Genbank des IPK-Gatersleben aktuell rund 25.000 Samenmuster der Gerste gesammelt und erhalten. Bisher sind zusätzliche Informationen zu den Sammlungen allerdings nur unzureichend verfügbar und die Auswahl geeigneter Muster für konkrete Forschungs- oder Zuchtprojekte daher mit einem hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Mit Hilfe des Genotyping-by-Sequencing (GBS) wird die gesamte Gerstensammlung des IPK charakterisiert, vor allem um die Qualität, Effizienz und Rentabilität des Erhaltungsmanagements zu unterstützen. Die Erleichterung des Zugangs zu diesen Daten ermöglicht so deren Nutzung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Das Projekt wird durch eine enge Kooperation mit dem Leibniz-WissenschaftsCampus "Pflanzenbasierte Bioökonomie" in Halle unterstützt und fördert die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Bereich der Biodiversitäts-Genomik.
Bildunterschrift: Versuchsaufbau zur Hochzelldichtekultivierung für die Produktion von Zikaviren im 3-Liter-Bioreaktor im Labor des Kooperationspartners, der Abteilung Molekulare Virologie an der Universidade Federal do Rio de Janeiro. Die Steuereinheit (links im Bild) kontrolliert und regelt wichtige Prozessparameter im Bioreaktor (Mitte). Die beiden Pumpen unterhalb des Bioreaktors dienen zur kontinuierlichen Zugabe von frischem Medium und zur kontinuierlichen Entnahme des verbrauchten Mediums. Das alte Medium wird über die Hohlfasermembran (rechts) abgezogen, während die Zellen und das Zikavirus im Bioreaktor zurückgehalten werden. (Foto: MPI für Dynamik komplexer technischer Systeme Magdeburg / A. Nikolay)
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