Die Designerin Anke Domaske im Gespräch über ihre neue Bio-Mode aus Milch
25.10.2011
Mode, Trends & Lifestyle
Frau Domaske, wie kamen Sie auf die Idee, aus Milch eine Faser herzustellen?
Die Idee, aus Milch, genauer ihrem Hauptbestandteil Casein, Fasern für Kleidung herzustellen ist nicht neu. Diese Idee gibt es schon seit den 30er Jahren. Nur, bei den bisherigen Verfahren werden noch 75 Prozent Chemiefasern benötigt, viel Chemie bei der Herstellung eingesetzt und das Endprodukt muss zusätzlich noch 24 Stunden unter fließendem Wasser gereinigt werden. Ich kenne indes viele Allergiker, auch ein Krebsfall ist in meiner Familie. Eigentlich wollte ich nur helfen und dachte "je natürlicher, desto besser ist die Kleidung"
Daher versuchte ich in Zusammenarbeit mit dem Faserinstitut Bremen eine rein natürliche Milchfaser zu entwickeln, um den Menschen was Gutes zu tun. Denn es sind ja nicht nur Hautprobleme, die chemie- und pestizidhaltige Kleidung verursachen. Manche Allergiker bekommen davon sogar Knochenschmerzen. Das Ergebnis war, dass es mir nach zwei Jahren gelang, diese einzigartige, rein natürliche Faser zu entwickeln. Und die ist für natürliche, nachhaltige Kleidung ideal.
Was genau ist eigentlich Qmilch (http://www.nachhaltigleben.de/vorbilder/nachhaltige-mode-aus-milch) und wie wird die Faser produziert?
Nehmen Sie eine Milch, die sauer wird. Dabei entsteht eine gelbliche Flüssigkeit, die Molke, und obenauf schwimmen Flocken, die wie eine Art Quark sind. Das ist das Casein, der Rohstoff unserer Faser. Diese wird getrocknet. Das Endprodukt sieht dann wie ein herkömmliches Eiweißpulver aus. In einer eigens entwickelten Maschine wird dies durch weitere natürliche Zutaten ergänzt und mit Wasser zu einer Flüssigkeit gerührt. Durch ein spezielles Sieb gedrückt entsteht eine Faser, die dünner als ein Haar ist. Wird die Faser gewoben, ist sie in ihrem Tragegefühl und den Eigenschaften am besten mit Seide vergleichbar.
Was sind die Vorteile für die Trägerin und den Träger?
Neben den garantiert 100 Prozent natürlichen Inhaltstoffen ohne Chemie und Pestizidrückstände, die die Qmilch-Faser ideal für Allergiker macht, hat Kleidung daraus eine temperaturregulierende Eigenschaft. Mir erzählten ältere Trägerinnen, dass sie weniger Wechseljahre bedingte Hitzewallungen haben. Zudem ist sie wie eine getragene Wellness-Kur,
denn das Casein in den Fasern ist gut zur Haut und beugt der Hautalterung vor. Ein weiterer Vorteil: Unser Stoff ist günstiger als Seide.
Hat die Qmilch-Faser auch einen Umweltaspekt?
Ja klar, denn auch das war einer der Beweggründe, die Qmilch-Faser zu entwickeln. Denn werden Pestizide eingesetzt, was ja die Regel beim Baumwollanbau (http://www.nachhaltigleben.de/mode-kosmetik/fair-mode-alles-andere-als-langweilig-ethnical-fashion-show) ist, bekommt man die nie gänzlich aus den Stoffen heraus. Kunstfasern sind zudem Erdöl basiert und somit nicht umweltfreundlich. Die aus Qmilch-Fasern hergestellte Kleidung ist indes sogar kompostierbar. Zudem, was ja kaum einer weiß, werden je nach Stoff 11.000 bis 25.000 Liter Wasser pro Kilogramm Stoff in der ganzen Produktionskette benötigt. Für ein Kilo Qmilch-Stoff benötigen wir aber nur zwei Liter Wasser.
Schließlich arbeiten wir ausschließlich in Deutschland, mit deutscher Milch. Wir bauen gerade eine größere Produktion in Hannover und von der Zwirnerei bis zur Stoffproduktion ist alles «Made in Germany» und damit nachhaltig.
Milch ist ja ein Lebensmittel. Widerspricht das nicht dem Anspruch, Ressourcen zu schonen und kommt die Milch dann wenigstens von glücklichen Kühen?
Nein, das widerspricht sich überhaupt nicht! Denn viele Menschen wissen nicht, dass 20 Prozent der in Deutschland produzierten Milch aufgrund der immens hohen Auflagen weggekippt wird und gar nicht in den Handel oder die Lebensmittelproduktion kommt. Ein Beispiel aus dem letzten Winter: Aufgrund der winterlichen Straßenverhältnisse kam ein Milchtanklaster zu spät zu einem Bauern. Die tausende Liter Milch konnte er dann wegkippen, weil die Milch ein paar Minuten zu spät abgeholt worden wären. Das sind unsere Vorschriften. Sicherlich sind die Vorschriften gerade in Zeiten der Skandale um Gammel-Lebensmittel auch okay. Aber wir können den Abfall so wunderbar verwerten. Und selbstverständlich verwenden wir nur Bio-Milch.
Wie konnten Sie, abgesehen von den vielen nachhaltigen Vorteilen der Qmilch-Faser, so schnell erfolgreich werden?
Nun, Sie haben Recht, die Vorteile sprechen natürlich für sich. Doch ich wurde gleich am Anfang der Serienreife wieder selbst aktiv und da wir uns keine tolle PR-Agentur leisten konnten, nahm ich die anfängliche Vermarktung selbst in die Hand. Ich flog beispielsweise nach Osaka und ging in das dortige Mega-Kaufhaus, das am Tag eine Million Kunden hat. Ich sagte, dass ich den Chef sprechen möchte, denn ich habe da was Tolles anzubieten. Und er nahm es. Ich habe auch dem O. C. California-Star Mischa Barton ein Musterstück geschickt und sie hat es getragen. Das gibt natürlich Aufmerksamkeit.
Aber der Erfolg liegt auch an der richtigen Zeit, als wir einige Preise erhielten und dadurch auch Großkonzerne auf uns aufmerksam wurden. Dies war genau zu den Zeiten von Fukushima. Da fand bei vielen Menschen ein Umdenken statt. Die Menschen wurden auf einmal viel kritischer und hinterfragten vieles. Nachhaltigkeit, Umweltfreundlichkeit oder Natürlichkeit sind jetzt Begriffe, die den Menschen viel wichtiger sind und in deren Bewusstsein verankert.
Gibt es die nachhaltige Kleidung (http://www.nachhaltigleben.de/nachhaltige-produkte/nachhaltige-kleidung-lgreenalityr) aus der natürlichen Milchfaser denn schon zu kaufen?
Erst Ende des Jahres wird es Qmilch-Kleidung zu kaufen geben. Jeder der sich dafür interessiert, kann mir einfach eine Mail schicken. Ich kann dann sagen, wo die Kleidung erhältlich ist. Aber: Schon jetzt können Sie die Stoffe bestellen. Wer also selbst daraus etwas schneidern will kann den Stoff und Informationen dazu ebenfalls gerne über Mail bestellen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Qmilch-Faser?
Grundsätzlich bin ich total überrascht über den Erfolg. In der Kleidungsindustrie hätte ich das vielleicht noch erwartet, doch es Fragen richtig große Unternehmen aus allen möglichen Branchen an! Sei es die Automobil- oder Möbelindustrie, die Branche der Heimtextilien-Hersteller und sogar die Medizintechnik interessiert sich für die Qmilch-Faser. Zudem ist Vieles mit dieser natürlichen Faser denkbar. Bis hin zur schonenden Wundauflage oder der Einsatz in einer lokalen und damit ebenso sanften Krebstherapie.
Doch alleine durch die Tatsache, dass auf dem Stoffmarkt derzeit jährlich eine Million Tonnen Baumwolle fehlt, stehen die Chancen nicht schlecht, dass wir uns auch aufgrund dessen etablieren können. Den Rohstoffmangel werden die Verbraucher übrigens schon bald an den anziehenden Preisen merken. Und, da China seine Produktion nicht mehr ins Ausland verkauft und gleichzeitig der Bedarf an Stoffen steigt, werden bis 2030 schätzungsweise 11 Millionen Tonnen Baumwolle fehlen. Da bieten wir letztlich eine gute und nachhaltige Alternative. Ich werde auch nicht aufhören, das Produkt weiterzuentwickeln. Denn jetzt weiß ich, dass mit der Milchfaser einiges denkbar ist und vielleicht bald noch ganz andere Dinge möglich sind, als "nur" nachhaltige Stoffe.
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