Pressemitteilung von Marion Seigel

Offener Brief an Kanzlerin Merkel: Armutsrisiko Familienpflege


Politik, Recht & Gesellschaft

In einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (http://armutdurchpflege.de/wp-content/uploads/2013/10/Offener-Brief-Frau-Dr.-Merkel-17.10.13.pdf) und potenzielle Koalitionspartner wenden sich pflegende Angehörige durch die Initiative Armut durch Pflege mit Forderungen zu einer gerechteren Finanzierung der Pflege, Angleichung des Pflegegeldes an Pflegesachleistungen und der Verhinderung von Hartz IV für Menschen, die zu Hause ohne Bezahlung intensive familiale Pflege leisten.

Die Koordinatorin der Initiative Armut durch Pflege Susanne Hallermann wendet sich wie folgt an die Kanzlerin: "Gemeinsam mit europäischen Interessenvertretungen unter dem Schirm von Eurocarers (European Association Working for Carers) fordern wir als pflegende Angehörige konkrete Maßnahmen unserer Regierungen, um das reale Armutsrisiko und akute Diskriminierung der Familienpflege zu beenden."

Selbst betroffen, weiß Susanne Hallermann, wovon sie spricht, wenn sie sagt: "Als unbezahlt pflegende Angehörige, Verwandte und Freunde sind wir die Pfeiler der Pflegeversorgung in Deutschland, wie auch in allen europäischen Ländern. Als wirtschaftlicher Beitrag bemessen übersteigen damit unsere Pflegeleistungen meist die Gesamtleistungen aller formellen Gesundheits- und Pflegedienste."

Das kann Hallermann mit Zahlen belegen: "Bereits 1997 wurde der Produktionswert informeller Familienpflege in Deutschland auf 52,2 Mrd. Euro geschätzt. Dem gegenüber erreichten die Leistungsausgaben der sozialen Pflegeversicherung im gleichen Jahr lediglich 14,2 Mrd. Euro. Aktuelle Studien in Großbritannien, einem Land mit 63 Millionen Einwohnern, berechnen mittlerweile den Wert unbezahlter Familienpflege auf jährlich 140 Milliarden Euro. Für Deutschland lässt dies eine Schätzung von über 180 Milliarden Euro zu!"

Silvia Wölki in Gütersloh kennt die reale Armutssituation pflegender Angehöriger: "Dass ich seit 30 Jahren meine schwerstbehinderte Tochter zuhause rund um die Uhr pflege, ist nicht nur eine wichtige menschliche Leistung. Ich habe damit auch einen wirtschaftlichen Beitrag geleistet, der unsere Gesellschaft mindestens 1.5 Millionen EUR gekostet hätte, wäre meine Tochter in einem Heim gepflegt worden. Natürlich mache ich es aus Liebe und will keine Bezahlung, aber ich habe es satt, in Armut zu leben!"

Als Mitglied von wir pflegen e.V. und Unterstützerin der Initiative Armut durch Pflege ist ihr bewusst: "In allen Teilen Deutschlands und überall in Europa geht es pflegenden Angehörigen ähnlich. Sie entlasten mit der Pflege zuhause den Sozialstaat, können dadurch aber nur bedingt beruflich tätig sein. Sie erhalten minimale finanzielle Unterstützung, kaum soziale Absicherung, können Heizung, Strom und Wasser nicht mehr bezahlen, decken aus finanzieller Not wichtige Nebenkosten mit Kredite ab und werden langfristig durch niedrigere Rentenansprüche bestraft. Diese akute Diskriminierung trifft Zehntausende von Menschen in unserem Land. Viele Familien enden in tiefer Schuldenlast und scheuen oftmals den Gang zu Sozialämtern, um der Stigmatisierung durch Hartz IV zu entgehen."

Die Initiative Armut durch Pflege

Die Initiative Armut durch Pflege (http://www.armutdurchpflege.de) ist ein Schwerpunktthema des Vereins wir pflegen - Interessenvertretung begleitender Angehöriger und Freunde in Deutschland e.V. Sie klärt darüber auf, wie stark Familien mit pflegebedürftigen Mitgliedern von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Seit 2009 führt die Initiative aufwändige Interviews mit Betroffenen und bietet ihnen so die Möglichkeit tatsächlich "zu Wort kommen". Nur so gelingt es, die Öffentlichkeit und Politik für diese Problematik zu sensibilisieren, gesellschaftliche Verantwortung zu wecken und die Rechte pflegender Angehöriger zu stärken. Die Initiative erhält breite Unterstützung und erfährt finanzielle Förderung durch die Bewegungsstiftung. Sie ist erreichbar über Susanne Hallermann, Postfach 0212, 48284 Telgte, Tel. 02504/6967725, initiative@armutdurchpflege.de.

Die Interessenvertretung wir pflegen e.V.

Der Verein wir pflegen (http://www.wir-pflegen.net) - Interessenvertretung begleitender Angehöriger und Freunde in Deutschland e.V. wurde 2008 gegründet von betroffenen pflegenden Angehörigen und Menschen, die sich beruflich mit dem Thema befassen - zum Beispiel in Beratung, Pflege, Lehre und Forschung. Der Verein agiert bundesweit und wurde 2011 als gemeinnützig anerkannt. Er steht für die Interessen und Rechte pflegender Angehöriger und Freunde ein, auf Bundes-, Länder- und Regionalebene - und hat sich innerhalb von fünf Jahren zu einer von Politik und den gesellschaftlichen Kräften akzeptierten und meinungsstarken Interessenvertretung entwickelt.

Zu den Zielen von wir pflegen gehört unter anderem, bestehenden lokalen und regionalen Initiativen mehr politisches Gewicht zu verleihen, pflegenden und begleitenden Angehörigen zu mehr Wertschätzung und Mitspracherecht zu verhelfen sowie vorhandene Angebote bekannter zu machen. Der Verein ist Mitglied der BAGSO (Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen), Mitglied bei EUROCARERS (European Association Working for Carers), Mitglied beim Bündnis für Gute Pflege. Er ist erreichbar über die Vorstandvorsitzende Dr. Hanneli Döhner

17. Oktober ist der Internationale Tag für die Beseitigung von Armut

Zur Bekämpfung von Armut appellierten die Vereinten Nationen am 22. Dezember 1992 mit der Resolution 47/196 an alle Mitgliedsstaaten, den 17.Oktober "je nach dem einzelstaatlichen Kontext der Durchführung und Forderung konkreter Aktivitäten zur Beseitigung der Armut und der Not zu widmen."

Im UN Bericht zur weltweiten sozialen Situation 1997 empfahlen die Vereinten Nationen weiterhin Richtlinien für nationale Strategien zur Bekämpfung für Armut, einschließlich dem Aufruf "die dringenden wirtschaftlichen Probleme von älteren, behinderten und all den Menschen, die nicht in der Lage sind, sich an wirtschaftlich produktiver Arbeit zu beteiligen, durch verbesserte Programme, öffentliche Unterstützung und Einkommenserhaltung aufzugreifen."

Bildrechte: Initiative Armut durch Pflege/wir pflegen e.V.
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