Pressemitteilung von Vojislav Miljanovic

Maastrichter Forscherin sorgt für eine Verbesserung der Vernehmungstechnik bei der Polizei


Politik, Recht & Gesellschaft

Maastrichter Forscherin sorgt für eine Verbesserung der Vernehmungstechnik bei der Polizei

Dissertation an der Universität Maastricht: Das Wissen von Ermittlern über das menschliche Gedächtnis ist unzureichend

Aus der Studie von Alana Krix für ihre Doktorarbeit geht hervor, dass niederländische Ermittlungsbeamte unzureichend über Möglichkeiten informiert sind, Informationen aus der Vernehmung von Zeugen zu gewinnen. Die Qualität von Zeugenaussagen kann stark verbessert werden, indem Zeugen mehrmals vernommen werden: Eine zweite Vernehmung kann, aufgrund neu abgerufener Erinnerungen, mindestens 25 % mehr richtige Informationen ergeben. (Erfahrene) Ermittler misstrauen jedoch der Richtigkeit neuer Informationen aus zweiten Vernehmungen und unterschätzen sie stark. Krix plädiert dafür, die Polizei besser auszubilden und Vernehmungsschulungen zu überarbeiten. Am 26. Februar 2015 verteidigt sie an der Universität Maastricht ihre Doktorarbeit "Obtaining information from eyewitnesses: Effects of retrieval support in eyewitness interviews". Die Forschungsarbeit wurde vor kurzem in der wissenschaftlichen Zeitschrift PLOS ONE veröffentlicht (http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0118641).

Krix zeigte in ihrer Forschungsarbeit 84 Versuchspersonen, nämlich deutschen Polizeistudenten, einen Film, in dem ein Verbrechen begangen wurde. Sofort nach dem Anschauen des Films mussten die "Zeugen" eine Aussage machen. Eine Woche später wurden sie gefragt, dies zu wiederholen. Zugleich fragte sie eine Gruppe von 81 erfahrenen niederländischen Ermittlern, die "Gedächtnisleistung" der Zeugen, beziehungsweise die Richtigkeit ihrer Erinnerungen einzuschätzen.

Die Ergebnisse der Versuchspersonen zeigten, dass die Gesamtrichtigkeit sehr hoch war, sowohl in der Aussage, die sofort gemacht wurde (87 %), als auch eine Woche später (86 %). Auch waren 86 % der reminiszenten Details (neu abgerufene Erinnerungen bei der zweiten Vernehmung) richtig.

Falsche Einschätzung

Auffallenderweise schätzten die Ermittler in der Studie die Ergebnisse der Zeugenvernehmungen viel niedriger ein als die tatsächliche Erinnerungsleistung der Versuchspersonen. Die Ermittler erwarteten sogar, dass die Richtigkeit stark sinken würde, nämlich von 46 % Richtigkeit in Vernehmung 1 auf 27 % Richtigkeit in Vernehmung 2. Darüber hinaus schätzten sie die Richtigkeit der reminiszenten Details auf 29 % (gegenüber einem tatsächlichen Ergebnis der Versuchspersonen von 86 %). Die gesamte Einschätzung der Ermittler unterscheidet sich sehr stark vom tatsächlichen Ergebnis.

Krix: "Es ist natürlich sehr besorgniserregend, dass Polizisten, die die Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen beurteilen müssen, diese Aussagen stark unterschätzen. Das gilt vor allem für reminiszente Details, die im Widerspruch zu der Auffassung stehen, dass man immer mehr Informationen vergisst, je mehr Zeit vergeht. Ermittler glauben deshalb, dass Reminiszenz nur die Folge von Falschinformationen sein kann, beispielsweise von anderen Zeugen oder der Berichterstattung in den Medien.

Laut Krix wird das durch einen Mangel an Wissen der Ermittler über die Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses verursacht. "Unter Psychologen ist es bereits seit langem bekannt, dass reminiszente Details (die erst später an die Oberfläche gelangen) ein natürliches Phänomen des Gedächtnisses sind und gleichzeitig mit dem Vergessen von Details auftreten. Die Polizei sollte darin auch geschult werden. Der Schwerpunkt der Schulungen sollte ebenfalls darauf liegen, dass Polizisten die Leistungen von Augenzeugen aus einer breiteren Perspektive betrachten, um eine übertriebene Verallgemeinerung zu vermeiden."

Gedächtnisstützen: Self-Administered Interview

Abgesehen von der mehrmaligen Vernehmung von Zeugen können bestimmte Vernehmungstechniken auch helfen, Zugang zu den Erinnerungen zu erhalten (Abrufunterstützung). Beispielsweise, indem Zeugen in einem sogenannten Self-Administered Interview (SAI) (deutsch: Eigenständiges Vernehmungsprotokoll für Augenzeugem, EVA) gefragt werden, sich den Vorfall bildlich vorzustellen, oder indem ihnen anhand verschiedener Fragestellungen wiederholt die Gelegenheit geboten wird, sich den Vorfall aufs Neue ins Gedächtnis zu rufen.

Krix verglich in ihrer Doktorarbeit Zeugenaussagen, die mit viel Abrufunterstützung (SAI) abgegeben wurden, mit Aussagen, die mit wenig Abrufunterstützung abgegeben wurden (freier Abruf). Die Ergebnisse belegen, dass Abrufunterstützung mit dem SAI die Quantität (d. h. den Umfang) der Erinnerungen gegenüber Interviews ohne Abrufunterstützung verbessert, während die Richtigkeit gleich bleibt. Das gilt auch bei einem hohen Maß an Stress, aber nicht, wenn ein Zeuge abgelenkt ist.

Praxis

Seit Beginn ihres Dissertationsprojekts hat Krix mit der niederländischen und der deutschen Polizei zusammengearbeitet. Das hat dazu geführt, dass die niederländische Version des SAI mittlerweile in den Niederlanden verwendet wird und zur landesweiten Nutzung genehmigt wurde. In Deutschland arbeitet Krix mit der Polizei in Hessen zusammen, wo zurzeit ein Feldversuch mit der deutschen Version läuft.
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