Pressemitteilung von Christopher Koll

Mitbestimmung bei Umkleide- und Wegezeiten


Politik, Recht & Gesellschaft

Die betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG kann die Zeiten für das An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung umfassen. Um eine solche handelt es sich, wenn die Arbeitnehmer im öffentlichen Raum aufgrund der Ausgestaltung ihrer Kleidungsstücke ohne Weiteres als Angehörige ihres Arbeitgebers erkannt werden können.

(BAG, Beschluss vom 17.11.2015, 1 ABR 76/13)

Seitdem das BAG in 2012 seine bisherige Rechtsprechung zur Vergütungspflicht von Umkleidezeiten revidiert hat (vgl. BAG v. 19.09.2012, 5 AZR 678/11, siehe auch unser Mandanteninfo Februar 2013), sind eine Reihe von weiteren Entscheidungen zu dieser Frage ergangen. Mit dieser Entscheidung hat das BAG noch einmal explizit zur Frage der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates Stellung bezogen.
Im vorliegenden Fall ging es um Wegezeiten von Fahrpersonal im Personennahverkehr. Arbeitgeber und Betriebsrat stritten konkret über die Mitbestimmung bezüglich der Wegezeiten, die das Fahrpersonal nach Anlegen der Dienstkleidung im Betrieb zu den von Ihnen zu bedienenden Fahrzeugen zurückzulegen hatten. Derartige Wegezeiten entstanden sowohl vor als auch nach Schichtende. Dabei mussten sowohl betriebsinterne Wege zurückgelegt werden, wenn das Fahrzeug im Betrieb selbst stand, als auch zu weiter entfernt liegenden Haltestellen, wenn das Fahrzeug dort abgestellt war. Der Betriebsrat beanspruchte im Rahmen der Dienstplanfestlegung ein Mitbestimmungsrecht auch für diese Wegezeiten. Der Arbeitgeber leitete daraufhin ein Beschlussverfahren gegen den Betriebsrat mit dem Ziel der Feststellung ein, dass in diesen Fällen keine Mitbestimmung gegeben sei. Die Vorinstanzen gaben ihm Recht, das BAG hob die Beschlüsse auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats dagegen auf und bestätigte dem Grundsatz nach dessen Mitbestimmungsrechte.
In seiner Begründung verweist das BAG zunächst darauf, dass es sich bei den streitbefangenen Wegezeiten entgegen der Auffassung des Arbeitgebers um Arbeitszeiten im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG handele. Insoweit könne es sich nicht nur bei der Umkleidezeit an sich um mitbestimmungspflichtige Arbeitszeit handeln, sondern auch bei den Wegezeiten, die zwischen dem Umkleidevorgang und dem Aufsuchen des Arbeitsplatzes entstünden. Unter Verweis auf die bisherige Rechtsprechung wird Arbeitszeit i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG als die Zeit definiert, in der die Arbeitnehmer verpflichtet sind, ihre vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten. Beim Anlegen von Dienstkleidung sei dies erfüllt, wenn das Tragen der Dienstkleidung ausschließlich im fremdnützigen Interesse, also im Interesse des Arbeitgebers erfolge. Dies sei wiederum dann der Fall, wenn die Dienstkleidung dem Zweck diene, in der Öffentlichkeit ein einheitliches Erscheinungsbild herzustellen, welches eine Zuordnung der Arbeitnehmer zum jeweiligen Arbeitgeber ermögliche. Im vorliegenden Fall bejahte das BAG alle genannten Voraussetzungen. Dabei reichte es aus, dass die Dienstkleidung im konkreten Fall Merkmale enthielt, die einen direkten Rückschluss auf den Arbeitgeber zuließen, selbst wenn der konkrete Name des Unternehmens gar nicht auftauchte und die Kleidung im Übrigen auch nicht besonders auffällig war.
Allerdings stellt das BAG einschränkend klar, dass es bei der Beurteilung von Umkleidezeiten als Arbeitszeit wesentlich auf den Umkleideort ankommt. Sofern der Arbeitgeber das Anlegen der Dienstkleidung am Wohnort erlaube und die Arbeitnehmer dann freiwillig bereits in Dienstkleidung den Weg zur Arbeit anträten, fehle es an dem Merkmal der ausschließlichen Fremdnützigkeit. Auch in diesen Fällen kommt es jedoch immer auf die tatsächliche Praxis an. Die bloße Möglichkeit des Umziehens am Wohnort reicht nicht aus, wenn den Arbeitnehmern gleichzeitig auch Betriebsräume zum Umziehen zur Verfügung gestellt werden und diese im konkreten Fall auch genutzt werden. Wer sich also im Betrieb umzieht, produziert mitbestimmungspflichtige Arbeitszeit. Entstehen dann im Nachgang dazu Wegezeiten für die Arbeitnehmer, um ihren eigentlichen Arbeitsplatz aufzusuchen, liegt auch in dieser Hinsicht Arbeitszeit vor. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob sich der Arbeitsort, also hier das Dienstfahrzeug noch in oder außerhalb des Betriebs befindet. Dasselbe gilt natürlich auch für den Rückweg in den Betrieb, um dort nach der Schicht wieder die Freizeitkleidung anzulegen.

Fazit:
Die vorliegende Entscheidung des BAG schafft zusammenfassend noch einmal Klarheit im Bereich der Mitbestimmung des Betriebsrats bei Umkleidezeiten. Umkleidezeiten beim Anlegen von Dienstkleidung, die der Arbeitgeber vorschreibt, sind immer mitbestimmungspflichtig. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob es sich um Berufskleidung im eigentlichen Sinne, also z.B. Schutzkleidung handelt. Die Herstellung eines einheitlichen Erscheinungsbildes reicht bereits aus. Dasselbe gilt dann auch für Wegezeiten, die im Zusammenhang mit dem Umkleidevorgang zum eigentlichen Arbeitsplatz entstehen. Sofern die Mitarbeiter sich dagegen erlaubterweise und freiwillig zu Hause umziehen, sind diese Zeiten dem Zugriff des Betriebsrats entzogen. Das gilt dann auch für den Weg zur Arbeitsstätte.

Zuständig für Rückfragen: Rechtsanwalt Christopher Koll,
koll@fachanwaeltInnen.de, Anwaltskanzlei Bell & Windirsch, Düsseldorf, http://www.fachanwaeltinnen.de (http://www.fachanwaeltinnen.de)www.fachanwaeltinnen.de
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