OLG Hamm: Behindertentestament ist nicht wegen großem Vermögen sittenwidrig
17.02.2017
Politik, Recht & Gesellschaft
Ein Behindertentestament ist nicht deshalb sittenwidrig, wenn das behinderte Kind auch im Erbfall weiter auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen ist. Das hat das OLG Hamm entschieden.
GRP Rainer Rechtsanwälte, Köln, Berlin, Bonn, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München und Stuttgart führen aus: Mit Urteil vom 27. Oktober 2016 hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden, dass es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines sog. Behindertentestaments nicht darauf ankommt, wie groß das hinterlassene Vermögen für das behinderte Kind ist (Az.: 10 U 13/16). Es sei nicht festzustellen, dass Eltern einem behinderten Kind ab einer gewissen Größe ihres Vermögens einen über den Pflichtteil hinausgehenden Erbteil hinterlassen müssen, damit es nicht ausschließlich der Allgemeinheit zur Last fällt.
Konkret hatten die Eltern dreier Kinder, u.a. eines behinderten Sohnes, ein gemeinschaftliches Testament in Form eines sog. Behindertentestaments errichtet und verfügt, dass ihr behinderter Sohn einen Anteil in Höhe des 1,1-fachen des gesetzlichen Pflichtteils als Vorerbe erhält und bis zum Versterben des Sohnes Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Der Testamentsvollstrecker hatte die Aufgabe, dem Erben jeweils nur so viel Geld zur Verfügung zu stellen, dass ihm andere Zuwendungen und staatliche Leistungen nicht verloren gehen. Nach seinem Tod sollte sein Erbteil den Nacherben zufallen.
Nach dem Tod der Mutter fiel dem behinderten Sohn, der in einem Behindertenwohnheim lebt, ein Erbteil in Höhe von rund 960.000 Euro zu. Der Träger der Sozialhilfe, der monatliche Leistungen von rund 1800 Euro für den behinderten Sohn aufbringt, machte übergeleitete Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend. Die Höhe des Erbteils würde ausreichen, um die anfallenden Kosten für die stationäre Eingliederungshilfe des behinderten Sohnes bis zu seinem Lebensende zu bezahlen. Das Testament sei sittenwidrig und unwirksam.
Das OLG wies die Klage ab. Im Rahmen der Testierfreiheit könne der Erblasser ein behindertes Kind bei der Erbfolge benachteiligen. Diese Testierfreiheit sei erst durch das Pflichtteilsrecht begrenzt. Gegen dieses sei nicht verstoßen worden. Auch die Anordnung der Testamentsvollstreckung sei nicht sittenwidrig. So sollte gewährleistet werden, dass der Erbe Annehmlichkeiten und Therapien finanzieren könne, die vom Träger der Sozialhilfe nicht übernommen würden.
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