Flüchtlingsfamilien zusammenzuführen ist ein Gebot der Humanität
28.06.2017
Politik, Recht & Gesellschaft
Freiburg/Stuttgart/Mannheim - Auf die andauernde humanitäre Notlage von geflüchteten Familien, die auf ihre Zusammenführung in Deutschland warten, macht die Caritas Baden-Württemberg aufmerksam. Denn das oft langwierige Visumverfahren führt bei betroffenen Menschen sehr häufig zu einer psychisch extrem belastenden Lebenssituation. Zudem erschwert die Trennung von der Familie die Integration in Deutschland. Das gilt für Erwachsene und besonders für Kinder und Jugendliche, die monate- und teilweise jahrelang auf ein Wiedersehen mit ihren Eltern und Geschwistern warten. Diejenigen, die hier in Baden-Württemberg bereits sicher sind, bleiben gedanklich stets bei ihren Verwandten im Herkunftsland, die am Rande kriegerischer Auseinandersetzungen ausharren. Deshalb fordert die Caritas endlich schnellere Lösungen, damit geflüchtete Menschen ihren Anspruch auf Familienzusammenführung verwirklichen und sicher nach Deutschland reisen können. Dazu müssten beispielsweise die deutschen Auslandsvertretungen und das Unterstützungsprogramm der Internationalen Organisation für Migration (IOM) personell noch stärker ausgestattet werden, forderten Experten der Caritas im Land auf einem Fachtag zum Thema Familienzusammenführung am Mittwoch in Mannheim. Betroffen von der schwierigen familiären Situation sind zahlenmäßig vor allem syrische und auch irakische Flüchtlinge. In 2016 wurden rund 73.000 Visa für den Nachzug aus dem Irak und Syrien ausgestellt (2015: 24.000). Für Minderjährige sind weltweit 3.200 Visa zum Zweck der Familienzusammenführung in deutschen Auslandsvertretungen ausgestellt worden.
Für die Caritas ist es ein Gebot der Humanität, durch Flucht getrennte Familien wieder zusammenzubringen. In den Caritas-Migrations- und Flüchtlingsberatungsstellen sowie in der Jugendmigrationsberatung werden Flüchtlinge unterstützt, damit sie nach Monaten und Jahren der Trennung ihre Ehepartner, Kinder und auch Eltern wiedersehen können. In den meisten Fällen ist dieser Prozess geprägt von enormen, vielschichtigen Hürden. Derzeit etwa können viele Geflüchtete von Syrien aus nicht mehr in die Türkei einreisen, um dort den Botschaftstermin wahrzunehmen. Damit wird das ganze Verfahren gestoppt, da keine andere Auslandvertretung mehr in erreichbarer Nähe ist. Hinzu kommen lange Wartezeiten, bis die deutschen Auslandsvertretungen überhaupt ein Visum erteilen. Für subsidiär Schutzberechtigte (das sind Menschen, die stichhaltig begründen können, dass ihnen in ihrem Heimatland ernsthaft Schaden droht) wurde der Nachzug in 2016 sogar für zwei Jahre vollständig ausgesetzt. Auf dem Fachtag forderten Caritasmitarbeitende daher, die Aussetzung des Familiennachzugs für diese Gruppe ab 2018 im Gesetz nicht mehr fortzuführen.
Die Wartezeiten führen häufig dazu, dass in der Zwischenzeit Kinder volljährig werden und sie somit den Anspruch auf den Nachzug zu ihren Eltern verlieren. Der im Gesetz zugrunde gelegte Familienbegriff, der auf Ehepartner mit minderjährigen Kindern begrenzt ist, wird für sehr viele Familien ein unüberwindbares Hindernis. Eltern werden gezwungen sich zu entscheiden: "Bleibe ich oder nutze ich das Visum und bringe zumindest einen Teil meiner Familie in Sicherheit - dann lasse ich meine gerade volljährig gewordenen Kinder allein zurück", wie es auf dem Fachtag formuliert wurde. Vor einem solchen Dilemma müssen Familien, die vor Krieg, Gewalt und Verfolgung flüchten, mit schnelleren Bearbeitungszeiten bewahrt werden, so der Appell der Caritas-Experten auf der Fachtagung in Mannheim.
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