Zu lange Kündigungsfrist bedeutet Benachteiligung des Arbeitnehmers
24.11.2017
Politik, Recht & Gesellschaft
Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Markus Bär (http://www.ra-baer.de/) weist mit Blick auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.10.2017 darauf hin, dass ein Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt sein kann, wenn zu lange Kündigungsfristen seine Berufsfreiheit einschränken.
Ausgangssituation für BAG-Urteil - das ist passiert
Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer seit Dezember 2009 als Speditionskaufmann in einer 45-Stunden-Woche gegen eine Vergütung von 1.400,00 EUR brutto beschäftigt. Im Juni 2012 haben die Arbeitsvertragsparteien eine Zusatzvereinbarung unterzeichnet. Diese sah vor, dass sich die gesetzliche Kündigungsfrist für beide Seiten auf 3 Jahre zum Monatsende verlängerte. Das monatliche Bruttogehalt wurde auf 2.400,00 EUR angehoben. Das zu zahlende Arbeitsentgelt sollte bis zum 30.05.2015 nicht erhöht werden und zudem bei einer späteren Neufestsetzung wieder mindestens 2 Jahre unverändert bleiben. Nachdem ein Arbeitskollege des Arbeitnehmers festgestellt hatte, dass auf den Computer des Arbeitgebers ein zur Überwachung des Arbeitsverhaltens geeignetes Programm installiert war, kündigten der beklagte Arbeitnehmer und weitere fünf Arbeitnehmer am 27.12.2014 ihre Arbeitsverhältnisse zum 31.01.2015.
Der Arbeitgeber hat gegen die durch den Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigung geklagt und wollte festgestellt haben, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer bis zum 31.12.2017 fortbesteht.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht hat die Klage des Arbeitgebers abgewiesen. Die in den allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Verlängerung der Kündigungsfrist benachteiligt den beklagten Arbeitnehmer im Einzelfall entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Die Vereinbarung ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die wesentlich länger ist als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB, ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung von Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz zu prüfen, ob die verlängerte Kündigungsfrist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers darstellt. Das Bundesarbeitsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass der Nachteil für den betroffenen Arbeitnehmer aufgrund der sehr langen Kündigungsfrist nicht durch die vorgesehene Gehaltserhöhung aufgewogen wurde, zumal die Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveaus ebenfalls langfristig einfror.
Auswirkung auf die Praxis für Arbeitnehmer und Betriebsräte
Das klarstellende Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist laut Rechtsanwalt Bär zu begrüßen. Der entschiedene Fall dürfte in der Praxis eher einen Ausnahmefall darstellen. Im Ergebnis wollte der klagende Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund der extrem langen Kündigungsfrist von 3 Jahren zum Monatsende an das Arbeitsverhältnis "knebeln" ohne jedoch hierfür eine angemessene finanzielle Kompensation zur Verfügung zu stellen. Hierdurch wurde der Arbeitnehmer unangemessen in seiner Berufsfreiheit eingeschränkt.
Das Fazit des Urteils: Mit einer Kündigungsfrist von 3 Jahren zum Monatsende ist es für einen Arbeitnehmer praktisch fast unmöglich, vertragsgemäß aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden und damit für einen anderen Arbeitgeber zur Verfügung zu stehen.
Fachliche Beratung vor Vertragsunterzeichnung
Solche sehr langen Kündigungsfristen können im Ausnahmefall allenfalls bei hoch dotierten Spezialisten, Führungskräften und leitenden Angestellten unter entsprechend angemessener finanzieller Ausstattung vereinbart werden, so Bär. Bevor sich ein Arbeitnehmer auf solche vertraglichen Vereinbarungen einlässt, ist es ratsam, zuvor einen qualifizierten Rechtsanwalt für Arbeitsrecht aufzusuchen.
Nähere Informationen sowie Kontaktdaten für ein persönliches Beratungsgespräch zu diesem oder anderen Themen aus dem Feld des Arbeitsrechts finden Interessierte auf der Website des Fachanwalts für Arbeitsrecht Markus Bär.
http://www.ra-baer.de/
Rechtsanwalt Markus Bär
Schleiermacherstraße 10 64283 Darmstadt
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