Katholische Altenhilfe: Der Pflegenotstand ist da! Nur schnelles konkretes Handeln hilft
03.04.2019
Politik, Recht & Gesellschaft
Stuttgart, 2. April 2019 - In manchen Regionen in Baden-Württemberg ist es für Pflegebedürftige schon jetzt unmöglich, einen Platz in einem Pflegeheim zu finden. Auch Sozialstationen, die für die häusliche Pflege zuständig sind, sind über Monate ausgebucht und haben mancherorts Aufnahmestopps verhängt. "Der Pflegenotstand kommt nicht irgendwann in der Zukunft: er ist bereits da. Es fehlt massiv an Pflegeplätzen, nicht nur in der Kurzzeitpflege", sagten die Sprecher des württembergweiten "Netzwerk Alter und Pflege", Dr. Alfons Maurer (Vorstand der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung) und Frank Höfle (Geschäftsführer des Altenhilfezentrum Isny), bei einem Pressegespräch. Aufgrund der angespannten Personalsituation blieben in manchen Einrichtungen bis zu zehn Betten unbelegt. Auch ambulante Dienste müssten Patienten wegen Personalmangel abweisen. "Wir brauchen mehr Plätze und mehr Personal - und das schnell", so die Pflege-Experten. "Die Politik muss dringend Beschlüsse fassen, die kurzfristig greifen." Das Netzwerk ist die Zusammenfassung aller katholischen Anbieter stationärer und ambulanter Pflegeangebote in der Diözese Rottenburg-Stuttgart.
Einen Personalmix mit einem flexiblen Anteil an ausgebildeten Pflegekräften sieht Höfle als eine Möglichkeit, den Personalmangel abzumildern. "Wenn die einzelnen Einrichtungen die Chance hätten, ihr Personal entsprechend der Qualifikationen, die sie brauchen, einzusetzen, würde das schon einige Entlastung bringen." Derzeit liegt die vorgeschriebene Fachkraftquote in der Altenpflege bei 50 Prozent. "In der Altenpflege wird aber eine größere Vielfalt an Berufsgruppen und Kompetenzen benötigt. Neben Pflegekräften braucht es Betreuungs- und Assistenzkräfte oder Fachkräfte aus therapeutischen Berufen", so Höfle. Die Landespersonalverordnung Baden-Württemberg schreibe da aber ein zu enges Korsett vor, wie die Stellen in der Pflege zu besetzen sind.
Die Netzwerk-Sprecher kritisierten die vielen noch ungeklärten Sachverhalte bezüglich der geplanten "Generalistischen Pflegeausbildung" auf Landesebene - sie verbindet die bisherigen Ausbildungen der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege. "Wir brauchen rasch genauere Aussagen zur Umsetzung. Dringend sind die Modalitäten zur Finanzierung und die Koordination der Praxiseinsätze zu klären", so Dr. Maurer. Insgesamt dürften bei der Gestaltung der neuen Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann in Baden-Württemberg keine bürokratischen Hürden errichtet werden. "Es muss gelingen, so viele Einrichtungen und Dienste wie möglich dafür zu gewinnen, dass sie sich in der Ausbildung engagieren", sagte Dr. Maurer. Zudem forderte er, die Anerkennung der Qualifikationen ausländischer Fachkräfte zügig zu vereinfachen.
Auch die kommunalen Verwaltungen sieht das Netzwerk Alter und Pflege in der Verantwortung: "Gelingt es den Kommunen, die relevanten Akteure in den Gemeinden und Städten zu vernetzen, kann viel besser auf den Bedarf der Menschen vor Ort eingegangen werden", so Dr. Marlies Kellmayer vom Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart. "Wir wollen mit den Kommunen die Angebote bereitstellen, die die Menschen brauchen." Ein erster Schritt sei das Einrichten von kommunalen Pflegekonferenzen. Hier werde der Bedarf an Pflege und Unterstützung am Wohnort in regionalen Bezügen ermittelt. Daraus ließe sich dann die Planung und Gestaltung von Pflegestrukturen ableiten.
Im Netzwerk "Alter und Pflege" haben sich rund 80 katholische Anbieter von stationärer und ambulanter Hilfe in der Diözese Rottenburg-Stuttgart zusammengeschlossen. Die Mitglieder des Netzwerks unterstützen, pflegen und sorgen für Menschen in unterschiedlichen Bedarfslagen. Diesen Beitrag leisten die katholischen Träger auf hohem, professionellen Niveau und nach anerkannten Standards bei gleichzeitiger Bezahlung von Tariflöhnen für die Beschäftigten. In Kooperation mit Akteuren aus Kirche, Politik, Kommunen und Praxis setzen sich die katholischen Träger dafür ein, dass Pflege und Betreuung im Sozialraum nah am Menschen stattfinden können.
Statistik:
Ende 2017 gab es in Baden-Württemberg rund 398.000 Pflegebedürftige. Von ihnen wurden 75.000 durch ambulante Dienste versorgt, 96.000 wurden vollstationär gepflegt; 3.600 davon waren in der Kurzzeitpflege. 227.000 Menschen erhielten Pflegegeld, wurden also überwiegend von Angehörigen versorgt. Die Zahlen des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg für 2019 liegen noch nicht vor. Sie werden im Bereich Pflege nur alle zwei Jahre erhoben.
Bildquelle: Friedemann Müns-Österle
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