"Die Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Flüchtlingen hat Neid und Missgunst gebracht"
17.10.2022
Politik, Recht & Gesellschaft

Riehle ergänzt: "Zwar sind die Menschen aus der Ukraine in unmittelbarer Gefahr, aber trotzdem kann gerade ein pauschales und prinzipielles Umgehen von notwendigen Verfahren nicht die Lösung sein. Nicht jede Region ist von den russischen Bomben gleichermaßen heimgesucht. Und auch die Lebenssituation der Geflüchteten aus der Ukraine ist nicht generell als bedürftig anzusehen. Zwar wollte man mit der politischen Entscheidung Bürokratie vermeiden und ein Zeichen der Verbundenheit setzen. Das ist aber nach hinten losgegangen, weil wir nicht nur einen Keil zwischen Flüchtlinge aus den unterschiedlichen Ländern getrieben haben, sondern auch zu den deutschen Hilfebedürftigen", meint Integrationsberater Dennis Riehle und fügt an: "Auch mir bricht es das Herz, wenn ich das Grauen im Donbass sehe. Doch sind meine Gedanken auch bei den Menschen weiterer Länder, die ich begleite, die mindestens genauso viel Trauma und Verletzung erlebt haben".
"Ich würde nicht von einem Sozialtourismus sprechen, wie es CDU-Vorsitzender Merz getan hat. Dennoch ist schon auffällig, dass die eigentlich notwendigen Bedürftigkeitsprüfungen bei geflüchteten Personen aus der Ukraine deutlich weniger strikt angewendet werden als bei deutschen Sozialleistungsempfängern oder Schutzsuchenden aus anderen Nationen", so Riehle. "Natürlich müssen wir prüfen, inwieweit eine Anspruchsberechtigung besteht. Bei nicht wenigen ukrainischen Bürgern liegt in der Heimat nicht selten Vermögen vor, an das vor allem auch Flüchtlinge aus dem Westen des Landes weiterhin überaus problemlos herankommen und damit nicht in erster Linie Anrecht auf Grundsicherungsleistung in Deutschland haben sollten, wenn sie zumindest in finanzieller und materieller Sicht nicht derart hilfebedürftig sind, dass es einer Unterstützung durch Steuerzahler bedarf. Auch bei Ukrainern müssen die gängigen Fragen geklärt werden, ob Einkommen oder Geldwerte in der Heimat vorliegen und zugänglich sind, auf die zunächst zurückgegriffen werden sollte, ehe man bei uns Grundsicherung oder Sozialhilfe gewährt", meint Riehle.
Er führt weiter aus: "Denn wir müssen angesichts des Zustroms von Asylsuchenden aus vielen Ländern in der Welt auch wirklich aufpassen, dass wir die Gruppen nicht untereinander ausspielen und Einige besserstellen, weil die Bilder des Leids und der Not aus dem Kriegsgebiet vor den Türen Europas uns mehr befassen als die diversen Krisen in anderen Teilen der Erde, welche ebenso dramatisch sind und unsere Aufmerksamkeit bedürfen. Denn Gerechtigkeit gehört zu unserem Staatsprinzip, was letztlich auch Gleichbehandlung bedeutet. Eine Bevorteilung aus emotionalen Gründen ist mit diesem Grundsatz eben nicht vereinbar und wir dürfen die humanitären Katastrophen auf dem Globus wenigstens in rechtlicher Hinsicht gerade nicht mit zweierlei Maß messen, denn unsere Solidarität darf sich keinesfalls an Nationalität, sondern muss sich am Hilfebedarf orientieren". Riehle hat die Erfahrung gemacht, dass eine nicht geringe Zahl an ukrainischen Flüchtlingen aus den nicht von den Kämpfen betroffenen Regionen wiederkehrend nach Hause reisen, um später zurück nach Deutschland zu kommen: "Da muss schon die Frage gestellt und beantwortet werden, wo sie denn ihren wirklichen Aufenthaltsort haben und ob sie unter diesen Umständen auch tatsächlich in Deutschland leistungsberechtigt sind. Das hat nichts damit zu tun, Elend in der Ukraine zu schmälern, sondern Missstände aufzudecken und abzustellen, um auch in unserem Land den sozialen Zusammenhalt nicht unnötig auf die Probe zu stellen".
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