Die Wildnis ruft am Lago Maggiore
09.03.2020
Tourismus & Reisen
Der Nationalpark Parco Naturale della Val Grande gehört zu den ganz besonderen Naturräumen in Europa, nämlich zu einem der größten zusammenhängenden Gebiete, in denen es noch etwas gibt, was woanders meist verloren gegangen ist - Wildnis. Über 14598 ha groß erstreckt sich dieses reizvolle Schutzgebiet, das sich nur einen Steinwurf vom Lago Maggiore entfernt in die Bergwelt erhebt. Ein Rückzugsgebiet für Tiere und Pflanzen und für passionierte Wanderer. Der Naturpark umfasst das gesamte Tal Val Grande, das Seitental Val Pogallo, sowie teilweise die Täler Vigezzo, Cannobina, Ossola und Intrasca.
Abgeschiedenheit ist vielleicht eines der Hauptmerkmale des Val Grande. Der größte Teil des Nationalparks war nie ganzjährig bewohnt und Alm- wie Waldwirtschaft wurden bis in die 1970er Jahre aufgegeben, und nachdem der Verbiss durch Weidetiere fehlt, wandelten sich die ehemaligen Almen allmählich zu dem, was den Ruf des Parco Val Grande ausmacht: zu Wildnis. So ist der Tourismus bis heute bescheiden, abgesehen von einigen Hütten und Biwaks ist im Park kaum touristische Infrastruktur vorhanden, und der Park ist nur über zwei befestigte Straßen zu erreichen. So gilt der Parco Val Grande nicht zu Unrecht als das größte Wildnisgebiet des Alpenraums. Um ganze 2423 ha soll das Parkgebiet nach der nun eingebrachten Initiative der angrenzenden Gemeinden erweitert werden, was einer Vergrößerung von gut 16,60 % entspricht.
Von Rotwild und Gämsen über Füchse, Dachse und Siebenschläfer bis hin zu Steinadler, Wanderfalke, Haselhuhn, Schwarzspecht und Sperlingen wie dem Berglaubsänger bietet die Wildnis hier vielen scheuen Tieren ein Habitat, das auch der Forschung dient, denn hier lässt sich seit über 50 Jahren beobachten, wie die Natur sich nach der Abwanderung des Menschen zurückkehrt. Sich den Park auf eigene Faust zu erschließen, ist zwar möglich, erfordert aber eine gute Ausrüstung und große Erfahrung. Unbedingt empfehlenswert ist es daher, sich einem der von der Parkleitung lizensierten Wanderführer anzuschließen.
Hier herrscht eine Stille, die umso eindringlicher ist, als die Reste der menschlichen Präsenz noch sichtbar sind: Maultierpfade, Almen, Terrassen und Überreste von Schwebebahnen sind zerfallende Zeugen der jahrhundertelangen, intensiven Nutzung des Tals durch den Menschen und zugleich der Kraft der Natur, die sich ihren Raum zurückerobert.
Doch den Parco Val Grande auf ein Erleben der Wildheit und Natur zu reduzieren, wäre fast zu wenig, ihn zu begreifen schließt unbedingt das kulturelle Erbe des Parks uns seiner Anwohner der umliegenden Gemeinden mit ein. Dies ist das Credo des Vereins "Le Donne del Parco", die Frauen des Parks, der sich seit 1998 um das Erbe der eng mit der einstigen Waldwirtschaft erwachsenen Kultur verdient macht. Dem weitreichenden auch didaktischen Engagement der Frauen ist u.a. das kulinarische Vorzeigeprojekt "I sentieri del gusto" (in etwa "Wege des guten Geschmacks") entsprungen. Im Rahmen der "sentieri del gusto" gelingt es alle Jahre wieder, Restaurants und Hotels der Umgegend dazu zu bringen Menüs nach historischen lokalen Rezepten anzubieten. Ein vorzüglicher Wiedereinstieg in die Zivilisation nach einer langen Parkwanderung.
Die menschlichen Spuren in dieser Wildnis reichen bis in prähistorische Zeiten zurück. So sind in den Bergen des Val Grande teilweise rätselhafte Felsgravuren zu finden, von denen ein baumförmiges Motiv von der Sassoledo-Alm dem Logo von Val Grande Pate stand. Doch die großartige Bedeutung des Val Grande reicht noch weiter zurück. Die geologische Struktur wurde hier im Paläolithikum nach gewaltigen Aufschichtungen der Erdkrusten geschaffen. So ist das Val Grande Bestandteil des 2013 gegründeten UNESCO-Geopark Sesia Val Grande, eines riesigen Gebietes im nördlichen Piemont, der wiederum seit 2015 zu den neuen UNESCO Global Geoparks gezählt wird.
Weitere Informationen sind zu finden unter http://www.parcovalgrande.it , http://www.derlagomaggiore.de und http://www.distrettolaghi.it/de
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