HanseWerk investiert 1,2 Milliarden Euro im Norden für mehr Versorgungssicherheit und Klimaschutz
11.05.2022
Umwelt & Energie
Die HanseWerk-Gruppe hat vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in ihrer Mittelfristplanung das größte Investitionspaket seit Gründung beschlossen. "Wir werden in den nächsten drei Jahren weit über eine Milliarde Euro in Versorgungssicherheit und Klimaschutz investieren", sagte Matthias Boxberger bei der Vorstellung dieser Zahlen. "Unser Ziel ist es, unser aller Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu beenden und gleichzeitig den Klimaschutz noch stärker voranzutreiben. Hierzu werden wir mit weiterem Netzausbau dem absehbareren Boom bei der Photovoltaik den Weg ebnen, uns massiv am Ausbau der Wasserstoffwirtschaft beteiligen und durch mehr Grünstromaufnahme und andere Maßnahmen den eigenen CO2-Ausstoß reduzieren.
Klima- wie energiepolitisch gehe es darum, mit Strom aus heimischen, regenerativen Energiequellen systematisch alle Verbrauchsbereiche wie Wärme, Mobilität und Produktion zu erschließen, so Boxberger. Hierzu wird die HanseWerk AG zusammen mit ihren Tochtergesellschaften SH Netz, HanseGas, HanseWerk Natur und ElbEnergie in den nächsten drei Jahren zwischen 380 und 400 Millionen Euro pro Jahr in die Energienetze und deren Digitalisierung investieren. Zusammengefasst sind das fast 1,2 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Land und Bund investieren 2022 rund 300 Millionen Euro in Schleswig-Holstein in den Straßenbau.
Hintergrund dieser Investitionsoffensive ist einerseits, dass HanseWerk im Verbrauchsbereich mit 280.000 Elektroautos und 100.000 zusätzlichen Wärmepumpen rechnet, weswegen umfangreiche Netzertüchtigungen notwendig werden. Außerdem zeichnet sich auf der Produktionsseite ein weiterer Boom bei den Erneuerbaren Energien - diesmal im Bereich der Photovoltaik - ab.
Eine deutliche Forderung richtete Matthias Boxberger an die Politik: "Es kann nicht sein, dass das Vorreiterland der Energiewende trotz aller Effizienz der hiesigen Netzbetreiber weiter die höchsten Netzentgelte und damit die höchsten Strompreise in Deutschland bezahlt. Damit sendet die Politik völlig falsche Signale. Wer die Energiewende fördern und die Abhängigkeit von russischer Energie senken will, muss die Vorreiterregionen bei der Erzeugung grüner Energie belohnen und darf sie nicht bestrafen."
Stromexporte für 1,9 Millionen Haushalte
Wie sehr Schleswig-Holstein Vorreiter bei der Energiewende ist, zeigt folgende Bilanz: Im Netz der HanseWerk-Tochter SH Netz sind 2021 rund 15,1 Millionen Megawattstunden grüne Energie produziert worden. Davon konnten etwa 8 Millionen Megawattstunden im Land selbst verwertet werden und rund 7 Millionen Megawattstunden wurden nach Süden über die Landesgrenzen exportiert. Das entspricht dem Strombedarf von mehr als 1,9 Millionen Durchschnittshaushalten also etwa der Größe Hamburgs*. Nur noch 1,45 Millionen MWh wurden importiert, immer wenn nicht ausreichend Wind und Sonne zur unmittelbaren Selbstversorgung zur Verfügung standen. Dies ist etwa noch in 3.416 Stunden pro Jahr der Fall, in den verbleibenden 5.344 Stunden ist man nicht mehr von Importen abhängig. Zusammenfassend haben die Erneuerbaren im Netzgebiet von SH Netz 2021 etwa 1,56-mal so viel Grünstrom eingespeist, wie zur bilanziellen Vollversorgung nötig gewesen wäre.
Boom beim Photovoltaikausbau - Anträge verdoppelt
Derzeit zeichnet sich ein extremer Solarboom ab, denn die Zahl der Anträge auf Einspeisung mit Photovoltaik-Anlagen (PV) hat sich in den ersten vier Monaten dieses Jahres - verglichen mit dem Vorjahr - mehr als verdoppelt. Bei Schleswig-Holstein Netz laufen aktive Planungen für 4.250 Projekte mit fast 10.000 Megawatt (MW) Leistung, von denen fast 98 Prozent Freiflächenanlage sind. Deren Größe liegt zwischen 20 MW und 100 MW, in Teilen sogar darüber. Zum Vergleich: Im Bereich Wind bearbeitet SH Netz derzeit rund 1.000 Projekte mit knapp 4.900 MW Leistung. Damit zeichnet sich immer deutlicher ab, worauf HanseWerk bereits letztes Jahr hingewiesen hat: Bis 2035 wird es voraussichtlich eine Verdoppelung der EEG-Anlagenleistung auf über 19.000 MW geben, weswegen der entsprechende Netzausbau schon jetzt mitbedacht werden müsse.
"Der absehbare Ausbau der Photovoltaik muss bei Freiflächenanlagen besser geordnet werden", betont Matthias Boxberger. "Die uns jetzt vorliegenden Dimensionen werden raumbedeutsamen Netzausbau mit großen Leistungen und Umspannwerken erfordern." Deswegen müsse die Politik ab sofort den Ausbau der Erneuerbaren Energien immer zusammen mit dem Netzausbau planen und verzahnt genehmigen. "Sonst werden sich die teuren Erfahrungen der letzten Jahre wiederholen mit hunderten Millionen Euro für Ausgleichszahlungen für Grünstrom, der nicht eingespeist werden kann", warnt Boxberger.
Neue Wasserstoffgesellschaft plant hunderte Megawatt Elektrolyse-Kapazität
HanseWerk gründet derzeit zusammen mit der Avacon AG im Bereich Wasserstoff ein Joint Venture, dessen Ziel es ist, bis 2030 mehrere hundert Megawatt Elektrolyseurkapazität und die dafür nötigen Erneuerbaren-Kapazitäten zu entwickeln. "Wir sehen ein enormes Wachstumspotenzial und wollen als Teil der Initiative zu Wasserstoff und grünen Gasen die Dekarbonisierung in Norddeutschland vorantreiben", sagt Jan Gratenau, Bereichsleiter Wasserstoff und Erneuerbare Energien bei HanseWerk. "Einen massiven Bedarf an Erneuerbaren Energien und Wasserstoff sehen wir in der Industrie und im Schwerlastverkehr."
Im Rahmen des Energiewendeprojektes "Norddeutsches Reallabor" plant HanseWerk den Bau einer 25-Megawatt-Elektrolyseanlage im Hamburger Hafen, um grünen Wasserstoff für Anwendungen aus Industrie und Mobilität zu produzieren. Außerdem hat HanseWerk zusammen mit dem Wasserstoff-Spezialisten Hypion den Aufbau von fünf Mobilitätszentren mit Wasserstofftankstellen für den Schwerlastverkehr gestartet, von denen eines für Neumünster und eines in Lübeck geplant ist.
"Obwohl wir beim Thema grüner Wasserstoff hier im Norden beste Voraussetzungen haben, werden wir hier bereits seit längerem ausgebremst", beklagt Gratenau. Der Grund: "Die EU stellt sehr hohe Anforderungen an Herkunft und Profil des grünen Stroms, aus dem grüner Wasserstoff hergestellt werden soll." Das verteuere alle Projekte, schaffe unkalkulierbare Risiken für die Akteure und verzögere den Markthochlauf einer nachhaltigen, heimischen Wasserstoff-Wirtschaft. Hier müsse die Politik handeln, um die jetzt entstehende Wasserstoff-Industrie nicht abzuwürgen.
Rückgang der CO2-Emissionen um 16 Prozent
"Trotz der weltpolitischen Krisen dürfen wir das Thema Klimawandel nicht aus den Augen verlieren", betont Matthias Boxberger. "Wir arbeiten daher weiter an dem bereits vor zwei Jahren formulierten Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden." So sei es gelungen, die CO2-Emissionen der Unternehmensgruppe von 502.000 Tonnen im Jahr 2020 auf 464.000 Tonnen im Jahr 2021 zu senken. Bezogen auf das Ausgangsjahr 2018 sind damit die der HanseWerk-Gruppe zugerechneten Emissionen um 16 Prozent gesunken. Zwar sei es von 2020 auf 2021 bedingt durch den kalten Winter zu einem leichten Anstieg der CO2-Emissionen im Wärme- und im Gasnetzbereich gekommen, dies wurde aber durch den Rückgang des Stromemissionsfaktors** mehr als ausgeglichen.
* 1,0 Millionen MWh entsprechen 1.000 Millionen Kilowattstunden oder dem jährlichen Strombedarf von rund 277.500 Drei-Personen-Haushalten mit einem Durchschnittsverbrauch von jährlich 3.600 Kilowattstunden. Zum Vergleich: 2014 lag der Grünstrom-Export nur bei rund 2,34 Millionen MWh.
**: Der Stromemissionsfaktor bezeichnet den Anteil grüner Energie im Stromnetz. Durch den verstärkten Anschluss von PV- und Solaranlagen ans Stromnetz sowie durch die immer effizientere Aufnahme grünen Stroms ins Stromnetz verbessert dieser sich im Stromnetz in Schleswig-Holstein stetig.
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