Europa, im Mai 2012 - Ein Fass ohne Boden?
25.05.2012 / ID: 62493
Unternehmen, Wirtschaft & Finanzen
Tim Stevenson, Director of European Equities und Manager des Henderson Global Investors Pan European Fund, erläutert in diesem Beitrag seine Einschätzung zum möglichen Austritt Griechenlands und zur Zukunft von Aktien aus Europa.
Was als nächstes in Europa passieren wird, kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen. Sicher ist nur, dass eine Lösung der aktuellen Vertrauenskrise in der Eurozone dringender benötigt wird denn je. Mit ihrer Vereinbarung, alle Euro-Länder zu einer Politik der Haushaltskonsolidierung zu zwingen, die in dem im letzten Dezember verab¬schiedeten Fiskalpakt gipfelte, haben sich die Staats- und Regierungschefs der Eurozone in eine verzwickte Lage gebracht, die nun einen kritischen Wendepunkt erreicht hat.
Trotz eines Schuldenschnitts für Griechenland, mit dem dessen Verbindlichkeiten auf ein Drittel ihres Nennwerts abgeschrieben wurden, und zahlreicher Hilfsprogramme ist die Wirtschaftsleistung der Hellenen in den letzten fünf Jahren um rund 20 Prozent gesunken, während die deutsche Wirtschaft weiter brummt. Merkel und Cameron sind sich einig, dass es ohne Haushaltsdisziplin nicht geht. Der neu gewählte französische Präsident Hollande hingegen drängt mit deutlicher Unterstützung Obamas beim letzten G8-Treffen auf mehr Wachstumsförderung.
Beide Seiten haben gute Argumente, denn durch höhere Ausgaben die Verschuldung senken, wird kaum funktionieren. Um es mit Margret Thatchers Worten zu sagen: "Das Problem mit dem Sozialismus besteht darin, dass dir irgendwann das Geld der anderen Leute ausgeht." Wobei man im aktuellen Fall Sozialismus durch Kreditaufnahme ersetzen müsste. Aber wo soll andererseits das viel beschworene "magische" Wachstum herkommen, wenn die Regierungen auf riesigen Schuldenbergen sitzen? Mit einem radikalen Sparkurs jedenfalls hat noch niemand den Weg aus einer Rezession gefunden.
Was bedeutet das für die Märkte?
1. Wird Griechenland aus dem Euro austreten? Aus meiner Sicht ist diese Möglichkeit heute wesentlich wahrscheinlicher als vor den letzten Wahlen in Griechenland. Denn wählen die Griechen eine Regierung, die die im letzten Jahr mit dem IWF und der EU ausgehandelten Verträge ignoriert, wird man Griechenland aus dem Euro zwingen.
2. Wie aber kann Griechenland austreten, wenn es keinen Mechanismus dafür gibt? Und was wären die Folgen? Nun - nichts ist unmöglich, aber schwierig ist es schon und würde sicher den anderen Volkswirtschaften der Eurozone einen herben Schlag versetzen. Schätzungen gehen davon aus, dass ein solcher Schritt die restlichen Euro-Mitglieder rund 3 Prozent ihres BIP kosten würde. Aber könnte es danach nicht auch so etwas wie eine Erleichterungsrally geben?
3. Begleitet werden müsste dieser Radikalschnitt von beherzten Initiativen für mehr Integration in Europa: etwa von Garantien für Bankeinlagen in allen europäischen Ländern (Griechenland ausgenommen), neuerlichen Zinssenkungen der EZB und vor allem dem Ende der fiskalischen Unabhängigkeit. Alle Länder müssten sich dann ohne Wenn und Aber an die Regeln aus dem "Handbuch für moderne Volkswirtschaften" halten. Zum Standardrepertoire dürften meines Erachtens dann auch von den Euro-Mitgliedern gemeinsam begebene Eurobonds gehören.
4. Kann Griechenland in der Eurozone bleiben? Das wäre allen Beteiligten am liebsten. Aber inzwischen ist kaum jemand mehr bereit, schlechtem Geld gutes hinterherzuwerfen. Vielleicht sollte man Griechenland weitere Schulden erlassen, etwa indem man die Zinszahlungen drastisch reduziert. Gleichzeitig könnte die Troika aus Europäischer Kommission, EZB und IWF Interpol mit einem Mandat ausstatten, um die Verwendung der Gelder besser kontrollieren zu können. Denn erst die laxen Kontrollen der Vergangenheit haben es den Griechen ermöglicht, die Regeln zu unterlaufen. Und schließlich ist ja auch eine Koalitionsregierung aus den Volksparteien Pasok und Neue Demokratie noch nicht völlig ausgeschlossen.
5. Aber sollte man dann nicht auch Irland einen Teil seiner Schulden erlassen? Und was ist mit Spanien und Portugal? Jemand muss klar machen, dass auch die Banken einen Teil der Last zu tragen haben. Der jüngste Streit um die Gehälter zahlreicher Bankvorstände macht indes deutlich, dass hier bislang noch kein Umdenken stattgefunden hat.
Womit müssen die Märkte rechnen?
Aus meiner Sicht werden wir in den nächsten Wochen beispiellose Eingriffe in den Markt erleben, vermutlich schon nach den Parlamentswahlen in Frankreich und den Neuwahlen in Griechenland am 17. Juni. Die aktuelle Krise wird der Ende 2008 in nichts nachstehen. Seitdem aber hat sich das den Regierungen und Zentralbanken zur Verfügung stehende Instrumentarium haushalts- und geldpolitischer Maßnahmen zum Ankurbeln der Wirtschaft nahezu erschöpft. Vielleicht gelingt es aber doch, mit der Verpflichtung, sich innerhalb von zehn statt bisher fünf Jahren an das "Handbuch für moderne Volkswirtschaften" zu halten, und mit mehr Haushaltsmitteln aus Deutschland für wachstumsfördernde Maßnahmen so etwas wie Vertrauen an die Aktienmärkte zurückzubringen. Schließlich hatte auch niemand ein langfristiges Refinanzierungsgeschäft (LTRO) für möglich gehalten. Und weitere unorthodoxe Maßnahmen sind nicht ausgeschlossen.
Für die Anleihemärkte bzw. für den Euro sieht die Sache jedoch anders aus. Der Euro wird weiter an Wert verlieren, während die Anleiherenditen mit nachlassender Flucht in Sicherheit wieder steigen werden. Vergessen wir nicht, dass Aktien in den Portfolios der Anleger inzwischen so gering wie noch nie gewichtet sind, während 10jährige, auf Euro lautende Bundesanleihen mit 1,4 Prozent rentieren. Um damit einen Kapitalgewinn zu erzielen, muss die Weltwirtschaft schon rasant auf Talfahrt gehen.
Soll man also weiteres Kapital investieren oder im stillen Kämmerlein auf bessere Zeiten warten?
Für die Mutigen unter uns ist jetzt möglicherweise der richtige Zeitpunkt, aus der Deckung zu kommen. Denn wählen die Hellenen eine Regierung, mit der die Troika arbeiten kann, und die Staats- und Regierungschefs schmieden einen überzeugenden Plan, dann steht einem Kursfeuerwerk nichts im Wege. Aber gewählt wird in Griechenland erst im Juni, und die Amerikaner werden vor den Präsidentschaftswahlen am Jahresende von zu radikalen Maßnahmen absehen. Schlussendlich aber wird man die richtige Lösung finden. Der Euro wird überleben - mit oder ohne Griechen. Am Ende dieser Turbulenzen wird nicht das Auseinanderbrechen der Eurozone stehen, sondern ein vereinteres Europa, das seine Stärken bündelt und einzelnen Mitgliedern, die sich nicht an die Regeln halten, die Mitgliedschaft im Club kündigt. Um die Folgen des unvermeidlichen Anpassungsprozesses abzufedern, wird man aktivere Maßnahmen für die einzelnen Regionen ersinnen.
Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf die Bewertungen: Aktien aus Europa sind heute so günstig wie vor 30 Jahren, so als hätte es die seitdem erzielten unbestreitbaren Fortschritte in den Unternehmen nicht gegeben. Wir engagieren uns in der Regel bei Firmen, die eine führende Rolle an den Weltmärkten einnehmen und deren Wachstum weniger durch gesamtwirtschaftliche als durch langfristige Faktoren wie die Notwendigkeit, effizient zu wirtschaften, oder durch demografische Entwicklungen vorangetrieben wird. Durch Konzentration auf solche Qualitätsunternehmen sind wir aus unserer Sicht bestens auf die verschiedenen politischen Szenarien vorbereitet, die sich in den nächsten Wochen und Monaten einstellen könnten.
Tim Stevenson verwaltet als Manager des Henderson Horizon Pan European Equity Fund ein Vermögen von 1,7 Mrd. EUR.
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Henderson Global Investors
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