Mehr Hörqualität für Schwerhörige
13.02.2014
Wissenschaft, Forschung & Technik
Wissenschaftliche Forschungsergebnisse und neue Methoden in der Praxis der Hörakustik standen im Mittelpunkt des 17. Multidisziplinären Kolloquiums der Geers-Stiftung. 80 Wissenschaftler aus Europa und Nordamerika kamen in Berlin zusammen, um sich über die verschiedenen Dimensionen der Hörqualität auszutauschen. "Schwerhörigen stehen immer ausdifferenziertere und wirkungsvollere Lösungen zur Verfügung", stellte Professor Gottfried Diller, Vorsitzender der Geers-Stiftung, fest. Auf dem Kolloquium wurden Forschungsarbeiten zur Revitalisierung von Nervenzellen im Innenohr sowie für verbesserte Hörtests bei Neugeborenen mit dem Stiftungspreis 2014 ausgezeichnet.
In ihrem schriftlichen Grußwort wies Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf die Einschränkungen hin, mit denen schwerhörige Kinder und Erwachsene heute noch leben müssen. "Es ist die Aufgabe der Gesellschaft, dafür zu sorgen, dass die Teilhabe dieser Menschen auch in den Lebensbereichen selbstverständlich wird, in denen sie es heute noch schwer haben", so von der Leyen. Gerade bei Kindern ist die schnelle und gute Versorgung mit Hilfsmitteln besonders wichtig. Professor Manfred Gross von der Berliner Charité stellte das neue Zentralregister für kindliche Hörstörungen vor. Das Register ist mit 12.400 Daten zwar nicht repräsentativ, es ermöglicht aber einen sehr guten Einblick in die Versorgungslage schwerhöriger Kinder. So sind die allermeisten Fälle von an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit bereits in den ersten 12 Monaten versorgt. Für Gross ist dies ein Erfolg des 2009 eingeführten Neugeborenen-Screenings. Leichte und mittlere Schwerhörigkeiten werden dagegen nicht so früh erkannt. Erst im Alter von sechs bis sieben Jahren wird der Großteil solcher Beeinträchtigungen festgestellt. "Es scheint eine diagnostische Lücke zwischen Neugeborenen-Screening und Schuleingnungssuntersuchungen zu geben", so Gross.
Was bei der Versorgung von Kindern die Regel ist, scheint bei Erwachsenen immer noch nicht ausreichend verbreitet: Fast alle Referenten forderten eine Versorgung beider Ohren mit Hörgeräten oder Cochlea Implantaten. Nur auf diese Weise erhalte der Hörnerv komplexe Reize, die einen besseren Klangeindruck ermöglichen. Auch die subjektive Qualität der Versorgung steigt, wenn die Komfortmerkmale moderner Hörgeräte durch beidseitige Höreindrücke besser genutzt werden können. Das zentrale Arbeitsfeld bleibt auch in Zukunft die Spracherkennung in lauter Umgebung mit viel Störschall.
Gottfried Diller und Frans Geelen, Vorsitzender des Stiftungs-Kuratoriums, verliehen den Geers-Stiftungspreis 2014 an Athanasia Warnecke von der Medizinischen Hochschule Hannover sowie an eine Forschergruppe der Universität Tübingen. Warnecke hat eine Möglichkeit entwickelt, um totgeglaubte Nervenzellen im Innenohr zu beleben und zu schützen. Fast 90 Prozent der Schwerhörigen leiden unter einer Innenohrstörung. Die prämierte Arbeit könnte in neuartige molekulare Therapien für Patienten mit Tinnitus, Hörsturz oder genetischer Vorbelastung münden. Die Tübinger Wissenschaftler Anthony W. Gummer, Ernst Dalhoff und Dennis Zelle haben die Grundlagen für ein optimiertes Messverfahren entwickelt, mit dem viele bisher unentdeckt gebliebenen Hörminderungen bei Neugeborenen erkannt werden können. Gerade bei einer angeborenen Schwerhörigkeit ist die schnelle Versorgung mit Hörgeräten unverzichtbar, um Nervenbahnen ausreichend auszubilden.
Positiv beurteilten die Referenten die Standards, nach denen in Deutschland in der Hörakustik gearbeitet wird. Neue Methoden der objektiven und subjektiven Qualitätsmessung stellen ein hohes Versorgungsniveau sicher. Zum Schluss wagte Stefan Debener von der Universität Oldenburg einen Blick in die Zukunft, in der Hörgeräte durch Gedanken gesteuert werden können. Er zeigte mit welchen Mustern das Gehirn Reize interpretiert. Diese Muster sind der Ausgangspunkt für die Interaktion des Menschen mit technischen Hilfsmitteln. Doch die Wissenschaft befindet sich in diesem Bereich noch in der Grundlagenforschung.
Das Multidisziplinäre Kolloquium findet alle zwei Jahre statt. Auf Einladung der Geers-Stiftung arbeiten Mediziner, Audiologen, Naturwissenschaftler und Techniker zusammen, um sich über den Stand der Forschung in ihren Disziplinen auszutauschen.
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