Vier Fehler beim betrieblichen Umgang mit Konflikten
29.08.2016
Wissenschaft, Forschung & Technik
Ich kenne vier Fehler, auf die ich im betrieblichen Umgang mit Konflikten immer wieder stosse:
1. Es wird versucht, den Konflikt auszusitzen oder zu ignorieren,
2. Es wird versucht, den Konflikt in einer konkreten Ärger-Situation zu klären,
3. Es wird versucht, den Konflikt per Dekret für beendet zu erklären und/oder einen der Beteiligten zu entfernen,
4. Es werden Lösungen vereinbart oder gar verordnet, ohne dass Verständnis und Klarheit für die Beteiligten geschaffen wurde.
Der Umgang mit Konflikten ist die hohe Kunst der Führung, und wer sich die Geschichte von Führungspersönlichkeiten in Politik und Wirtschaft anschaut, sowohl von zeitgenössischen als auch von historischen, findet dort immer wieder bestätigt, dass es diesen Menschen gelingt, verschiedene Interessen auszutarieren, je nach Situation eine Konfliktaustragung zuzulassen oder abzustellen und eine Wahrnehmung davon zu haben, was die Protagonisten emotional bewegt.
In Seminaren über Konfliktmanagement und verwandte Themen stehe ich vor der Herausforderung, den Erwerb solcher Kompetenzen, oder besser, die (Selbst-)veränderung zu einer kompetenteren professionellen Identität durch einleuchtende Modelle, hilfreiche Übungen und wirksame Selbstreflexion zu begleiten sowie neue interessante Perspektiven auf bekannte Fragestellungen zu eröffnen.
Eine dieser Perspektiven ist, vier verbreitete Fehler im Umgang mit Konflikten zu identifizieren.
1. Es wird versucht, den Konflikt auszusitzen oder zu ignorieren.
Es ist wie mit Zahnschmerzen: Sie tauchen plötzlich auf, und wir wissen: das hat eine Menge mit Karies zu tun. Was tun wir? Wir sagen uns vielleicht so Sätze wie: "ach, das war nur eine kurze Reizung" "bei einer Erkältung können Zähne schon mal weh tun" oder "ich hab" halt sensibles Zahnfleisch".
Früher oder später erkennen wir dann schmerzlich, dass ein Zahnarztbesuch unausweichlich wird.
Konflikte sind wie Zahnschmerzen: dass sie einfach so verschwinden, ist einfach ziemlich unwahrscheinlich.
Nicht selten haben wir Angst, durch unser Eingreifen die Dinge nur schlimmer zu machen. Diese Gefahr besteht. Die Lösung ist aber nicht, gar nichts zu tun, sondern die Sache richtig anzufassen.
"Sprechen Sie doch einfach noch mal in Ruhe mit Ihrem Nachbarn!" "Hab ich schon, ich hab ihm gesagt, dass er gefälligst den Baum stutzen soll. Hat aber nichts geholfen..."
2. Es wird versucht, den Konflikt in einer konkreten Ärger-Situation zu klären.
"Sprechen Sie doch einfach noch mal mit Ihrem Nachbarn!" "Hab ich schon, ich hab ihm gesagt, dass er mir mal den Buckel herunterrutschen kann. Seitdem ist alles noch viel schlimmer geworden..."
Mehr oder weniger spürbare Aggressivität und wütendes Verhalten sind Brandbeschleuniger in Konflikten.
Das Positive am Ärger ist, dass er uns zeigt, dass uns etwas sehr stört und dass er uns Mut schenkt, diese Störung mitzuteilen.
Lasse ich nun meinem Ärger freien Lauf, führt das aber doch eher selten dazu, dass mein Gegenüber etwa sagt: "Ach so, war mir gar nicht klar, dass dich das stört, entschuldige, dann lass" uns bitte überlegen, was wir da tun können".
Vielmehr ist mein Gegenüber nun seinerseits verärgert, und wir befinden uns bald in einem Wettrüsten der Wut: der berühmten Eskalationsspirale.
Besser ist es, sich zunächst zurückzuziehen und am nächsten Tag überlegt das Gespräch zu suchen. Übrigens: Wenn wir uns über jemanden sehr geärgert haben, sind bis zu vier Stunden später noch körperliche Stressreaktionen nachweisbar! Daher bringt es selten was, etwa schon eine Stunde später noch einmal miteinander zu sprechen: viel zu schnell sind die Beteiligten wieder auf 180.
Ein erfolgversprechendes Konfliktgespräch beginnt mit Besonnenheit und einer Gesprächsstrategie.
3. Es wird versucht, den Konflikt per Dekret für beendet zu erklären und/oder einen der Beteiligten zu entfernen.
"So, jetzt vertragt Euch mal wieder und gebt Euch schön die Hand!"
Nicht selten gibt es in Teamkonflikten einen merkwürdig einmütigen Konsens darüber, welche Person der Urheber und Schuldige sei. Hier gilt es jetzt zu entscheiden, ob die Person wirklich aus dem Team genommen werden soll, kann oder muss.
Oder spielt die Person eine bestimmte Rolle im Teamgefüge, die nach seinem Ausscheiden einer anderen Person zugewiesen wird? Verweist die Ablehnung dieser Person vielleicht auf Herausforderungen oder unangenehme Themen, die sich das Team scheut anzugehen?
In diesen Fällen ist es im Sinne des Unternehmenserfolgs zielführend, die Beziehungen und die noch unsichtbaren Themen zu bearbeiten, um einen noch schmutzigen Rohdiamanten zum Strahlen zu bringen.
4. Es werden Lösungen vereinbart oder gar verordnet, ohne dass Verständnis und Klarheit bei und von den Beteiligten geschaffen wurde.
Wahrscheinlich kennen wir alle die Situation, in der zwei notorische Streithähne aufeinander losgehen und alle sich mit Grausen abwenden. Manche Führungskraft könnte auf die Idee kommen zu sagen: "Leute, euer Streit hat doch nichts mit euren Aufgabe zu tun, klärt das bitte privat und nicht während der Arbeitszeit. Hier erwarte ich kollegiale Zusammenarbeit."
Das Universum, in dem diese Strategie nachhaltig funktioniert, harrt wohl noch seines Urknalls.
Natürlich hat die Führungskraft inhaltlich recht, nur funktioniert ihre Strategie nicht.
Um einen Konflikt nachhaltig zu klären, braucht es zu gleichen Teilen Verständnis für den anderen sowie die Sicherheit, vom anderen verstanden und anerkannt zu werden. Diese Gegenseitigkeit entsteht normalerweise nebenbei, wenn wir zusammen arbeiten, Aufgaben gemeinsam lösen und Erfolge erzielen. Im Konfliktfall allerdings muss diese Gegenseitigkeit explizit hergestellt werden, z.b. durch Mediation.
Wenn Sie sich einen ungelösten Konflikt aus der letzten Zeit vergegenwärtigen: Haben Sie oder andere Beteiligte einen der oben genannten vier Fehler begangen? Was wäre konkret geschehen, wenn die handelnden Personen dabei Unterstützung erfahren hätten, die Fehler zu vermeiden?
http://www.rheinmediation.de
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Friesenwall 26 50672 Köln
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