Die Rolle der Frauen bei der Evolution vom Tier zum Mensch
26.03.2018
Wissenschaft, Forschung & Technik
Die Rolle der Frauen bei der Evolution vom Tier zum Mensch
Von Karl-Heinz Giller, Evolutionsbiologe
Die Rolle der Frauen bei der Evolution der Menschheit wurde unterschätzt. Heute wissen wir, dass die Entwicklung vom Tier zum Mensch ohne ihre Mitwirkung langsamer oder gar nicht stattgefunden hätte.
Unter ihrem Einfluss wechselte die Rangordnung innerhalb einer Gruppe. Das Ansehen bestimmte nun den Platz in der Hierarchie. Der erfolgreiche Jäger, die Streitschlichterin, der Spurenleser und die Kräuterfrau stiegen in der Rangordnung auf. Damit verbesserten sich ihre Chancen zum Überleben und zur Fortpflanzung. Ihr Erbgut verbreitete sich in ihren Gruppen und bei Nachbarhorden.
Dagegen standen in der tierischen Hierarchie die stärksten Männchen an der Spitze. Sie waren die Anführer und hatten das alleinige Fortpflanzungsrecht. Kampfkraft war das Auswahlprinzip, Kampfkraft wurde weitervererbt. Gut sichtbar ist das bei Steppenaffen, den heutigen Pavianen. Die aggressivsten Männchen erkämpften sich den Spitzenplatz, ihre Erbanlagen bestimmten die Entwicklung der Nachkommen. Die Eckzähne wurden immer größer, das Maul sprang vor wie bei einem Raubtier. Auch die Krallen wurden immer wolfsähnlicher. Nur muskelbepackte Männchen hatten eine Fortpflanzungschance. Ihre Körpergröße wuchs ständig, heutige männliche Paviane sind doppelt so groß wie die Weibchen.
Dagegen waren bei der menschlichen Einordnung geistige Fähigkeiten bestimmend. Bis heute sind die damaligen Grundlagen in unseren Genen erhalten und beweisen diese Entwicklung: Männer haben immer noch das Steinwurf-Programm in ihrem Hirn und können sich gut orientieren, Frauen besitzen mehr Sozialkompetenz, sie können besser mit anderen Menschen umgehen. Genau diese weiblichen Eigenschaften haben den Hierarchiewechsel gefördert oder sogar ausgelöst.
Alle Knochenfunde beweisen diese Tendenz: Mehr Gehirn, weniger Muskeln. Die Körper wurden graziler, Eckzähne und Klauen verkleinerten sich, der Schädel aber vergrößerte sich in rasantem Tempo. Das menschliche Prinzip "Ansehen bestimmt die Hierarchie" hatte sich durchgesetzt. Das Gehirn übernahm auch ihre Verteidigung. Mit den Fernwaffen Steinwurf und Speeren konnten sie besser kämpfen als mit Zähnen und Klauen. Die Hände entwickelten sich zu Haltern von Waffen oder Werkzeugen. Das Gebiss verlor seine Aggressions-Funktion. Stattdessen wandelte sich der Mund zu einem Sprachorgan. Sprechen ist eine wichtige soziale Fähigkeit, und die Vermutung liegt nahe, dass besonders Frauen diese Entwicklung gefördert haben. Je besser jemand sprach, desto höher stieg er in der Hierarchie auf und konnte seine Erbanlage verbreiten. Die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen bescheinigen den heutigen Frauen eine größere Sprachkompetenz als den Männern. Wahrscheinlich ist das ein Erbe der Vergangenheit und die Selbstbelohnung für ihr Prinzip "Kopf statt Muskeln".
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