Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung: Die Kassen- und Gesundheitspolitik muss für die Probleme der Frauen sensibilisiert werden
06.08.2020
Wissenschaft, Forschung & Technik
Erhalten Frauen im Rahmen der Gebärmutterhalskrebsvorsorge ein auffälliges Pap-Test-Ergebnis, wird dieses häufig über einen längeren Zeitraum abwartend beobachtet. Für viele Frauen bedeutet diese Zeit der unklaren Situation eine deutliche psychische Belastung, die sich auf die Familienplanung auswirken und sogar Anzeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung aufweisen kann. Dies zeigt eine wissenschaftlich gestützte Befragung, deren Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift Archives of Gynecology and Obstetrics (https://www.springermedizin.de/psychological-distress-in-cervical-cancer-screening-results-from/18124682), des Springer Medizinverlags veröffentlicht wurde. Mit insgesamt 3.753 Teilnehmerinnen ist die Studie eine der größten zu diesem Thema.
Auffälliger Befund: viele Frauen sind besorgt, an Krebs zu sterben
Obwohl ein auffälliger Pap-Test keinen sicheren Hinweis auf eine Krebserkrankung gibt, waren 69,3 % der befragten Frauen ziemlich bis sehr stark besorgt, an Krebs zu erkranken. Knapp 50 % der Befragten gaben sogar an, in Sorge zu sein, an Gebärmutterhalskrebs sterben zu können. Bei einem positiven HPV-Test waren die Betroffenen sogar noch besorgter: 76% gaben an mindestens "ziemlich" und 31% sogar "sehr stark" belastet zu sein. Die Zahlen sind vor dem Hintergrund bemerkenswert, da in den meisten Fällen eine HPV-Infektion von allein wieder ausheilt. Weniger als eine von 100 HPV-infizierte Frauen erkrankt tatsächlich an Gebärmutterhalskrebs.
Kontrolliertes Zuwarten oft für mehr als ein Jahr
Das neue Programm zur Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung sieht je nach Abstufung des Pap-Grades eine Wiederholung des Pap-Abstrichs oder die Durchführung eines HPV-Tests im Abstand von 3-12 Monaten vor. Diese Praxis wird auch kontrolliertes Zuwarten genannt. In der Befragung gaben 53 % der Frauen an, länger als ein Jahr auffällige Befunde gehabt zu haben. Mehr als die Hälfte der Frauen hatte zwei bis 5 auffällige Pap-Test-Ergebnisse hintereinander. Das kontrollierte Zuwarten kann sich somit über einen sehr langen Zeitraum ziehen, was bedeutet, dass die betroffenen Frauen über eben diesen Zeitraum einer psychischen Belastung ausgesetzt sind.
Auffällige Befunde haben Auswirkungen auf die Familienplanung
Besonders bei Frauen mit Kinderwunsch führen auffällige Pap-Befunde zu einer signifikant höheren Belastung. Jede vierte betroffene Frau gab an, dass auffällige Befunde in der Gebärmutterhalskrebsvorsorge einen Einfluss auf die Familienplanung haben. Auch wurde in der Befragung die Einstellung der Frauen zu einer Konisation erfasst. Unabhängig vom Alter ist den Frauen das erhöhte Fehl- und Frühgeburtsrisiko nach diesem Eingriff bewusst. Nahezu jede zweite befragte Frau belastet dieses Risiko "deutlich" oder "stark". Bei einer Konisation wird kegelförmig verdächtiges Gewebe am Gebärmutterhals herausgeschnitten, um dieses zu entfernen und zu untersuchen.
Auffällige Befunde belasten Frauen stark
Rund 70 % der befragten Frauen gaben an, mindestens "ziemlich" durch einen auffälligen Pap-Test belastet zu sein. 27% gaben sogar eine "sehr starke" Belastung an. Diese Belastungen können so stark werden, dass sich daraus Anzeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung ableiten lassen. Dazu wurden alle Befragten, die Auffälligkeiten beim Pap-Abstrich angaben, aufgefordert, die IES-R Skala (Impact of Event Skala) auszufüllen. Die Skala wird dazu eingesetzt, den Schweregrad der Belastung nach einem traumatischen Erlebnis zu ermitteln. Bei knapp einem Drittel derjenigen, die die Skala ausfüllten, konnten Anzeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgemacht werden.
Statement Dr. Martina Schmitz: Die Kassen- und Gesundheitspolitik muss für die Probleme der Frauen sensibilisiert werden
"Die Untersuchungsmethoden zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs haben ihre Grenzen. Eine Auffälligkeit beim Pap-Abstrich bedeutet genauso wenig automatisch eine Krebserkrankung wie eine Infektion mit humanen Papillomviren. Denn sowohl die Gewebeauffälligkeiten, die im Pap-Abstrich zu erkennen sind, als auch die Infektion mit HPV heilen meist von selbst. Daher warten die Ärzte bei entsprechendem Befund ab, ob dieser bei der nächsten Untersuchung noch immer vorliegt. Die psychische Belastung, die dieses Abwarten bis zum nächsten Termin bei den betroffenen Frauen erzeugt, belegt die nun veröffentlichte Studie. Zwei Schlüsse lassen sich daraus besonders ziehen: (1) Es bedarf viel mehr Aufklärung, was auffällige Befunde bzw. ein positiver HPV-Test wirklich bedeuten; (2) wir brauchen eine wesentlich bessere, genauere Diagnostik, um diese psychische Belastung durch unklare Befunde erst gar nicht entstehen zu lassen."
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